Windkraft im Deutschlandfunk

Offener Brief an die Redaktion von „Forschung aktuell“

Neue_Energielandschaften

Liebes Team von Forschung aktuell!

Als großer Fan von Forschung aktuell höre ich mir regelmäßig die Beiträge Ihrer Sendung an. Immer wieder freue ich mich an der Vielzahl neuer Erkenntnisse, die sich mit den auf Ihrer Website eingestellten Links leicht vertiefen lassen. Und regelmäßig bin ich gespannt auf den Blick durch das kleine Fensterchen in die Weiten des Kosmos, das sich am Ende der Sendung in Ihrer Sternzeit öffnet.

Umso mehr schmerzt mich die tendenziöse Berichterstattung über die Windkraft, die bei Ihnen – wie allgemein im Deutschlandfunk – immer wieder festzustellen ist. So hatten Sie zu Wochenbeginn gleich zwei Beiträge über Windstrom im Programm. Im einen Fall ging es um technische Innovationen, die noch höhere, noch leistungsstärkere Windräder möglich machen sollen. Im anderen Fall handelte es sich um ein Interview mit Clemens Hoffmann vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft, in dem dieser den seiner Ansicht nach zu langsamen Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen beklagte.

Nun können Sie natürlich einwenden, dass diese Beiträge für sich genommen noch nicht tendenziös sind, da sie ja nur neutral über technische Entwicklungen bzw. über die Einschätzung eines Experten informieren. Allerdings würde ich von einem kritischen Sender stets auch eine Einordnung der Informationen erwarten.

Im Interview mit Clemens Hoffmann hätte dies beispielsweise bedeutet, dass der von ihm geforderte Zubau von 10 Gigawatt Windstrom pro Jahr in die daraus resultierende Anzahl zusätzlicher Windkraftanlagen übersetzt worden wäre: nämlich – bei einer Leistung von 3 bis maximal 6 Megawatt der modernen Windkraftanlagen – zwischen 1.500 und 3.500 Windräder pro Jahr. Geht man nicht von der installierten, sondern von dem tatsächlichen, von Windstärke und Einspeisemöglichkeiten abhängigen Output aus, würde sich die Anzahl noch deutlich erhöhen.

Daraus hätte sich dann die nahe liegende Nachfrage ergeben, wohin diese Windräder – bei 30.000 bereits existierenden Windkraftanlagen – gebaut werden sollen und welche Auswirklungen dies auf psychisches und physisches Wohlbefinden der Menschen sowie auf Natur- und Artenschutz hätte.

Ja, ich weiß, Clemens Hoffmann gibt in dem Interview nur seine eigene Einschätzung wieder. Vor wenigen Wochen ist in Ihrer Sendung in Christian Voigt, dem Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, auch ein Wissenschaftler zu Wort gekommen, der die Windkraft kritisch sieht. Insbesondere die Gefahr für Fledermäuse, von denen Jahr für Jahr Zehntausende durch Windkraftanlagen zu Tode kommen, ist in dem Interview thematisiert worden.

Nicht in Forschung aktuell, aber immerhin in Ihrem Zwillingssender (Deutschlandfunk Kultur) ist bereits vor Längerem in einer ausführlichen Reportage auf die gesundheitlichen Gefahren hingewiesen worden, die sich durch Infraschall in der Nähe von Windkraftanlagen ergeben. Auch auf die zunehmend aggressive Vorgehensweise der Windkraftprojektierer bei der Durchsetzung ihrer Projekte vor Ort hat der Beitrag, in Gesprächen mit betroffenen Bürgermeistern, hingewiesen.

So könnte man sagen: Was hat denn dieser ungezogene Hörer, der Deutschlandfunk ist doch objektiv, er lässt durchaus alle Seiten zu Wort kommen! Aber: Es ist nun einmal nicht so, dass alle Ihre Sendungen so eifrig verfolgen wie eben dieser ungezogene Hörer.

So wäre es eben doch hilfreich, wenn in einem Interview mit einem so entschiedenen Windkraftverfechter wie Clemens Hoffmann – in einer Art kritischem Dialog „über Bande“ – auch auf den Ertrag aus dem Gespräch mit Christian Voigt hingewiesen worden wäre. Dieser hatte zum Schluss herausgestellt, dass die Windkraft nicht nur für Fledermäuse eine kaum kontrollierbare Gefahr darstelle. So seien „einige auch aus der Wirtschaft inzwischen zu der Überzeugung gekommen, dass wir eigentlich gar nicht notwendigerweise auf Windkraft setzen sollten, weil einfach das Konfliktpotenzial mit dem Naturschutz riesengroß ist“.

Was hätte wohl Clemens Hoffmann zu dieser Einschätzung gesagt? Und müsste eine Warnung vor dem „Konfliktpotenzial“ der Windkraft mit dem Natur- und Artenschutz von so namhafter Stelle nicht auch in anderen Berichten präsent sein, in denen die „Handlebarkeit“ der immer höheren, immer leistungsstärkeren Windkraftanlagen gepriesen wird?

Neutrale Berichterstattung bedeutet eben nicht, dass man heute über die problematischen Auswirkungen der Windkraft auf den Naturschutz berichtet und morgen den Ausbau der Erneuerbaren Energien propagiert. Sie müsste vielmehr die Vernetzung und Interdependenz der einzelnen Bereiche deutlich machen.

Beispielsweise ist es sicher richtig, dass es – wie aus den Beiträgen Ihrer Sendung immer wieder hervorgeht – beim Klimaschutz nicht fünf vor, sondern eher schon fünf nach zwölf ist. Ebenso richtig ist jedoch, dass wir unter einem massiven Artensterben leiden, das durch die Windkraft eher vorangetrieben als abgebremst wird. Und richtig ist auch, dass, worüber ebenfalls häufig in Forschung aktuell berichtet wird, die Schadstoffbelastung der Luft in den Städten zu einer Zunahme von Lungenwegserkrankungen beiträgt.

Wenn man all diese Fakten miteinander verbindet, müsste die Forderung, Jahr für Jahr bis zu 3.500 neue Windkraftanlagen zu errichten, eigentlich zu Fragen führen wie: Was passiert mit den Menschen, die dann unter diesen Anlagen leben müssen? Sollen Sie in die Städte abwandern und dort das Problem des knappen Wohnraums verschärfen? Oder wartet man, bis sie an Infraschall und Depressionen eingegangen sind und freut sich dann, wieder neue Aufstellflächen für Windkraftanlagen gewonnen zu haben? Und sollen wir uns am Ende – wenn auch in den Städten die Menschen an Dichtestress und Atemnot zugrunde gegangen sind – mit dem Gedanken an ein paar infraschallresistente Amöben trösten, die sich dereinst an dem prima Klima erfreuen werden?

Ja, ich weiß, man muss höflich mit seinen Gesprächspartnern umgehen. Clemens Hoffmann würde bei solchen Fragen wahrscheinlich nach Luft schnappen, er würde auf den Klimanotstand verweisen und vielleicht sogar auf die Heilige Greta, die doch schließlich auch entschlossenes Handeln von uns fordere, und das sogar mit dem Segen des Papstes!

Ich meine aber schon, dass es erlaubt sein müsste, einem Experten für Energiewirtschaft die Frage zu stellen, wie er zu dem errechneten Energiebedarf kommt, auf dem seine Forderung nach einem Zubau bei Windkraftanlagen beruht. Und: Wenn es wirklich fünf nach zwölf ist: Müssten wir dann nicht jetzt, sofort, handeln? Müssten wir nicht Maßnahmen ergreifen, die unmittelbar wirken und nicht erst – wenn überhaupt – in ein paar Jahrzehnten?

Weshalb sollten wir den Energieexperten also nicht fragen, was es bringen würde, wenn wir – zum Beispiel – morgen aus der Massentierhaltung aussteigen und die Billigflüge abschaffen würden? Wer sagt denn, dass wir den Energieverbrauch so hoch halten müssen, wie er heute ist? Und: Warum fragt niemand die Bevölkerung, ob sie nicht lieber auf einen Flug nach Barcelona und einen Grillabend verzichten würde, wenn ihr dafür die Horrorvision eines vollständig in ein Kraftwerk verwandelten Landes erspart bliebe?

Gut, manche Stadtbewohner werden wahrscheinlich auch hier lieber das Grillsteak und den Billigflug wählen. Vielleicht sollte man deshalb doch mal ein paar Stadtparks mit Windkraftanlagen zustellen. Ob man Bäume oder Stahlbetontürme ästhetischer findet, beruht ja angeblich auf rein subjektivem Empfinden. Oder etwa doch nicht?

 

Mit diesen Fragen verabschiedet sich von Ihnen

Ihr treuer Hörer Rother Baron

 

Links zu den erwähnten Sendungen:

Windkraft in der Kritik: Klimaheilmittel und Krankmacher. Reportage von Heinz-Jörg Graf. Deutschlandfunk Kultur, 19. April 2018.

Windkraftanlagen: Gefahr für Fledermäuse. Christian Voigt im Gespräch mit Ralf Krauter. Deutschlandfunk, 29. März 2019.

Erneuerbare Energien: „Die Energiewende ist seit einigen Jahren gestoppt.“ Clemens Hoffmann im Gespräch mit Ralf Krauter. Deutschlandfunk, 14. Mai 2019.

 

 

Bilder: 1. Herrmann Dirr: Dahl bei Paderborn; 2. Energielandschaft (pixabay)3. Jörg Rehmann: Windkraft im Hunsrück

9 Kommentare

    1. Dieser beschriebene Vorgang passt ins Bild. Die Windstromdebatte ist keinem kontroversen (oder auch nur demokratischen) Diskurs mehr zugänglich. Sie ist in höchstem Maße moralisch aufgeladen und die Begeisterung nimmt schon quasi-religiöse Züge an. Damit spielen rationale Argumente keine Rolle mehr. Jeder, der Kritik anmeldet, wird als Häretiker verfolgt und tot geschwiegen….

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      1. Also die Argumentation auf dem genannten Blog hat mich stark beeindruckt: Da eh schon so viele Rotmilane durch die Beschränkung ihres Lebensraumes sterben, macht es nichts, wenn der Rest von WKA erschlagen wird. Da auch der Verkehr Infraschall verursacht, dürfen Windkraftanlagen das auch ….Tja da fragt sich der geneigte Leser, warum wir den Kohleausstieg brauchen. Denn diese tolle und bei den WKA-Jüngern beliebte Argumentation funktioniert mit jedem Industriezweig: Der Verkehr und die Flugzeuge pusten Tonnen von CO2 in die Luft. Dann macht das bisschen CO2 vom der Kohleverstromung doch auch nichts aus……und außerdem sind die Kreuzfahrtschiffe schlimmer …Und auch die Abholzung des Regenwalds ist kein Problem, denn es kommen mindestens genauso viele Orang-Utans durch Wilderer ums Leben ….

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  1. http://www.bund-rvso.de/infraschall.html
    Dieselben Argumentationsfiguren wie in dem zitierten Blog: Leugnen, Abwiegeln und Relativieren durch Aufzählung anderer Übel. Aussagen staatlicher Ämter und Zitate aus Wikipedia werden anstelle der umfangreichen Forschung zitiert.
    Die ausgewogene Berichterstattung der seriösen Medien à la Deutschlandfunk ist dann ein schizophrener Mix, in dem von jedem ein bischen vorkommt. So wird dann bei Spiegel TV einfach mal so gesagt, dass die Wirkungen von Infraschall wissenschaftlich umstritten sind. Aber die Wissenschaft sagt nur, dass sie manches nicht weiß. Die Forschungsergebnisse hinsichtlich der gesundheitsschädigenden Wirkung des von Windkraftanlagen ausgehenden Infraschalls sind eindeutig.
    Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=kz-gPc2cKXU

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  2. Alles kein Problem, denn die Franzosen bauen neue KKWs, die Polen bauen Kohle ab und die Russen liefern Gas. Wir Deutschen zahlen. Viel Geld. Damit wir Strom haben. Aber dafür haben wir schicke Windräder, die wir bunt anmalen können, damit sie zu unserer sonstigen Regenbogengesellschaft passen. Und nachts beleuchten die FFF-Kinder mit ihren 800 €-Smartphonen die Solaranlagen, damit sie Strom liefern (zwinker). Brave new world. Und wer das kritisiert, kommt in Klimabeugehaft. Amen.

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