Steuerneutrale Klimaneutralität

Ein kostenneutrales Sofortprogramm zum Klimaschutz

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Energiesparer

Das aktuelle Klimaschutzprogramm der Grünen ist erstaunlich phantasielos. Vor allem ist es nicht konkret genug. Wenn man nur wollte, könnte man eine Reihe gezielter Maßnahmen ergreifen, die schon ab morgen den Klimaschutz effektiv vorantreiben würden. Hierzu ein paar Beispiele:

Auch 30 Grad im Schatten lassen sich für Wahlwerbung nutzen: Vergesst kühle Getränke! Wir bringen euch die wahre Abkühlung! Wir retten das Klima!

Das Problem ist nur: Bei manchen führt die Hitze zu akuter Gehirnerweichung. Dies merkt man dann leider auch ihren Vorschlägen an.

Ja, richtig: Ich denke an das aktuelle Klimaschutzprogramm der Grünen. Kernelemente: Kohlendioxidabgabe, Erhöhung der Preise für Kohlendioxidzertifikate beim europäischen Emissionshandel, im Gegenzug Abschaffung der Stromsteuer und Einführung eines „Energiegeldes“ in Höhe von 100 Euro für alle (1).

Ehrlich gesagt: Für eine selbst ernannte Umweltschutzpartei ein erstaunlich phantasieloses Programm. Sozial ausgewogen ist es auch nicht: Finanzielle Entlastungen sollen mit der Gießkanne verteilt werden, anstatt gezielt denjenigen zugute zu kommen, die sich die teuren Wärmedämmungsmaßnahmen und Heizungsumrüstungen nicht leisten können.

Hinzu kommt, dass das ewige Drehen an der Steuerschraube keineswegs zielführend sein muss. Wer es sich leisten kann, verpestet dann eben weiter die Umwelt. So what?

Sinnvoller erscheint es da, Ross und Reiter zu benennen, also klar zu formulieren, wo und von wem klimaschädliche Gase emittiert werden und auf welche Weise diese reduziert werden können. Dabei wird man feststellen: In vielen Bereichen ist das mit einem Fingerschnippen des Gesetzgebers möglich – ganz ohne bürokratischen Aufwand und völlig steuerneutral. Beispiele gefällig? Bitteschön – hier meine persönliche Hitliste:

1. Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen. Mit dem Tempolimit ist es wie früher mit dem Zigarettenrauchen, das von Freunden der Tabakindustrie immer wieder mal als völlig unbedenklich eingestuft wurde. Ebenso lassen sich auch in puncto Tempolimit vermeintliche Experten finden, die entweder selbst gerne rasen oder sich von den gediegenen Stehempfängen der einschlägigen Lobbygruppen einlullen lassen und in der Folge jede positive Auswirkung eines Tempolimits auf den Klimaschutz abstreiten.

Fakt ist aber: Es gibt Studien, die zu dem Schluss kommen, dass sich durch ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen und von 80 km/h außerorts die Kohlendioxidemissionen signifikant reduzieren ließen. Wenn wir also schon der Meinung sind, als Deutsche mit gutem Beispiel beim Klimaschutz vorangehen zu müssen, sollten wir zumindest den Regelungen in den meisten anderen Ländern, wo ein Tempolimit längst selbstverständlich ist, nicht hinterherhinken. Und: Wenn’s dem Klima nicht hilft, rettet es zumindest Leben. Die Unfallstatistik spricht da eine deutliche Sprache (2).

2. Beschränkung des Flugverkehrs. Flugzeuge schädigen die Umwelt nicht nur durch die Emission klimaschädlicher Gase und Rußpartikel. Vielmehr sind auch die von ihnen verursachten Kondensstreifen ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Aufheizung des Klimas. Denn sie tragen zur Bildung von Wolken bei, die die Abstrahlung der Wärme ins All abschwächen. Laut einer kürzlich erschienenen Studie würde sich diese Wirkung bei einer ungebremsten Weiterentwicklung des Flugverkehrs bis zum Jahr 2050 um das 3-Fache erhöhen (3).

Vor diesem Hintergrund ist es völlig unverständlich, dass Flugbenzin noch immer von der Mineralölsteuer ausgenommen ist (4). Mit der Einführung einer Kerosinsteuer allein würden wir das Problem freilich auch nicht in den Griff bekommen. Vielmehr müssten Billigflüge, die zum Fliegen animieren, obwohl andere Reisealternativen zur Verfügung stehen, ebenso unterbunden werden wie der fortgesetzte Ausbau von Flughäfen. Denn wer Flughäfen sät, wird Flüge – und damit Klimaschäden – ernten.

Auch der militärische Flugbetrieb darf endlich nicht mehr sakrosankt sein. Dass die Behauptung, die militärischen Flugübungen dienten der Sicherheit der Bevölkerung, nicht unbedingt etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben muss, hat erst kürzlich der Absturz zweier Eurofighter in Mecklenburg-Vorpommern gezeigt. Sicherheitsdienlich ist es jedoch auch nicht, wenn durch Übungen zur Abwehr potenzieller Feinde der aktuell größte Feind der Menschen – der Klimawandel – gestärkt wird. Ein großer Teil der militärischen Flugübungen in Deutschland geht zudem auf das Konto der deutschen Air Bases der USA, die unter ihrem derzeitigen Präsidenten kaum als Förderer des Weltfriedens gelten können (5).

3. Verbot der Nutzung von Schweröl im Schiffsverkehr. Als Reaktion auf die ihrer Ansicht nach mangelnde Neutralität der westlichen Länder im Jom-Kippur-Krieg von 1973 hatte die Organisation der arabischen Erdöl exportierenden Länder (OAPEC) die Ölfördermenge gedrosselt und so den Ölpreis in die Höhe getrieben. Als Reaktion hierauf hatte die Schifffahrtsbranche seinerzeit statt des bislang üblichen Marinediesels vermehrt Schweröl eingesetzt. Dabei handelt es sich schlicht um die Abfälle aus der Rohölverarbeitung – um einen hochgiftigen Cocktail aus Kohlenwasserstoffen und Schwermetallen (6).

Während im Autoverkehr längst strenge Abgasvorschriften gelten und Partikelfilter für Dieselautos Standard sind, hat der Schiffsverkehr die umweltverpestende Praxis der Schwerölverbrennung beibehalten dürfen. Warum dies in Zeiten des Klimawandels weiter geduldet wird, versteht wahrscheinlich nur ein Schiffslobbyhirn. Moderne Abgastechnik, Partikelfilter, alternative Antriebstechniken – all das ist längst auch schon für den Schiffsverkehr entwickelt worden. Man muss den Reedern nur vorschreiben, dies auch einzusetzen.

Als erste Maßnahme zur Reduzierung der Kohlendioxidemissionen im Schiffsverkehr ließe sich übrigens auch auf See ein Tempolimit einführen. Da die Emissionen exponentiell ansteigen, könnte schon eine vergleichsweise geringe Geschwindigkeitsreduzierung um 30 Prozent zu einer Einsparung von 60 Prozent des Schadstoffausstoßes führen. Bei hohen Treibstoffpreisen würde dabei sogar der Reeder von der Maßnahme profitieren, da bei einer reduzierten Geschwindigkeit weniger Treibstoff benötigt wird (7).

4. Berücksichtigung der klimaschädlichen Auswirkungen der Zementherstellung. Der Beton, mit dem Stahl zum Schutz vor Korrosion ummäntelt wird, besteht zu einem großen Teil aus Zement. Bei der Zementherstellung werden jedoch große Mengen an Kohlendioxid freigesetzt. Insgesamt kommen so 5 bis 8 Prozent der weltweiten Emissionen des klimaschädlichen Gases zustande. Eine klimafreundliche Alternative ergibt sich durch die Nutzung von Carbon statt Stahl. Denn Carbon rostet nicht, so dass es bei der Nutzung als Baumaterial mit weniger Beton umhüllt werden muss. Dadurch wird hier auch weniger Zement benötigt und folglich weniger Kohlendioxid emittiert (8). Für neue Baumaßnahmen wäre folglich die Nutzung dieses Baustoffs vorzuschreiben.

 Trotz ihrer klimaschädlichen Auswirkungen wird die Zementherstellung von der EU durch die Bereitstellung kostenloser Zertifikate begünstigt. Der Grund hierfür ist wohl zum Teil auch das Schubladendenken, in dem Politik vielfach betrieben wird. Der Klimaschutz ist ein Handlungsstrang, das Bauen ein anderer, eine Vernetzung beider Bereiche findet nicht statt. Dadurch kann man die Errichtung von Windkraftanlagen – in denen massiv Stahlbeton verbaut wird – und das Auflegen von Wohnungsbauprogrammen fordern, ohne dabei an die klimaschädlichen Auswirkungen solcher Vorhaben zu denken.

Ein vernetztes Denken hätte hier beispielsweise zur Folge, dass man eher in das noch weitgehend ungenutzte Potenzial der Abwärme von Wohngebäuden und Industrieanlagen (9) investieren würde, statt immer neue Windräder zu bauen. Und bei der Schaffung von neuem Wohnraum würden die klimafreundliche Sanierung von Altbaubeständen auf dem Land und die bessere Anbindung des ländlichen Raums an den öffentlichen Nahverkehr im Vordergrund stehen.

5. Förderung der veganen Ernährung und der ökologischen Landwirtschaft. Die industriell betriebene Landwirtschaft ist durch Viehzucht und Intensivdüngung für den Großteil der weltweiten Methan- und Lachgasemissionen verantwortlich. Beide Gase haben zwar einen vergleichsweise geringen Anteil an der Gesamtsumme klimaschädlicher Gase. Dafür ist ihre Treibhauswirkung jedoch um ein Vielfaches höher als die von Kohlendioxid: Methan ist 25 Mal klimaschädlicher als Kohlendioxid, Lachgas übertrifft dessen Wirkung gar um das 298-fache (10). Im Fall der Viehzucht kommt noch hinzu, dass die Ernährung der Tiere Monokulturen (wie für den Anbau von Futtermais) sowie die Abholzung von Regenwald (für den Sojaanbau) begünstigt, was die klimaschädliche Wirkung noch einmal verstärkt.

Eine wirksame Klimaschutzmaßnahme wäre es vor diesem Hintergrund bereits, die Subventionspraxis der Europäischen Union zu ändern, in der sich die finanzielle Förderung noch immer mehr nach der Größe der bewirtschafteten Fläche als nach der umweltfreundlichen Anbaupraxis richtet (11). Hilfreich wäre zudem die Förderung der veganen Ernährung, etwa durch verpflichtende Vorgaben für Restaurants und Anbieter von Schul- und Kantinenessen, entsprechende Gerichte regelmäßig auf die Speisekarte zu setzen. Dies sollte mit entsprechenden Fortbildungsmaßnahmen verbunden werden, die den zuständigen Personen die kulinarischen Möglichkeiten moderner veganer Ernährung vor Augen führen und diese so von ihrem lustfeindlichen Image befreien könnten.

Beschränkung des Autoverkehrs in den Städten, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und des Radwegenetzes, staatliche Darlehen für Gebäudesanierung und Heizungsmodernisierung – die Liste konkreter Maßnahmen für den Klimaschutz ließe sich noch um etliche Punkte erweitern. Ich setze an dieser Stelle aber mal einen Punkt, zumal ich einige dieser Vorschläge schon Anfang des Jahres (in Der Bio-SUV) diskutiert habe.

Wichtig erscheint mir vor allem, dass die Klimaschutzpolitik nicht ein quasi abgetrennter Bereich bleibt, der keine Auswirkungen auf das sonstige politische Handeln hat. Ein Beispiel zum Schluss: Verkehrsminister Andreas Scheuer will Inhabern von Autoführerscheinen künftig ohne zusätzliche Fahrprüfung das Fahren leichter Motorräder ermöglichen. Abgesehen von den Sicherheitsbedenken, die es gegen diesen Vorschlag gibt (12), würde dies den Kauf von Motorrädern natürlich ankurbeln und so zu mehr Kohlendioxidemissionen beitragen. Damit wird hier das Gegenteil von dem getan, was eine durchgängig dem Klimaschutz verpflichtete Politik tun müsste.

Links:

 

Bild: Werner Schnetzer. Katze (pixabay)

 

 

5 Kommentare

  1. Schade, dass das systemische Denken – wie in Ihrem guten Artikel vorgeschlagen – in der Politik so unpopulär ist. Dank für die anregenden Vorschläge, die man noch um Vorschläge für jede/n Einzelne/n ergänzen kann: Vegan essen, nicht oder wenigstens wenig fliegen, Bahn nutzen und Bäume pflanzen. Schönen Sonntag!

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  2. Sehr guter Artikel. Es würde mich freuen, wenn man wirklich mal zu so einer umfassenden Betrachtung des Klimaschutzes und der Möglichkeiten kommen würde. Es ist schon empörend, dass völlig unkritisch und gedankenlos die letzten Reste Natur zugepflastert werden mit Windenergieanlagen und man das dann als „Klimaschutz“ verkauft. Aber diese Ansicht teilen so ziemlich alle. Naja: Ist ja auch einfach, das nachzuplappern, was einem vorgekaut wird, anstatt selbst zu denken. …und man muss seinen Lebensstil nicht ändern und nur etwas „opfern“, an dem einem eh rein gar nichts liegt: die Natur! …Kauf ein paar Windkraftaktien und leiste dir vom Gewinn einen Billigflug zum Shoppen in Barcelona ….Das kommt dem Lifestyle der pseudogrünen städtischen oberen Mittelschicht entgegen …

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