Ein Kommentar zum Finale in der Fußball-Bundesliga
Katerstimmung nach dem großen Fußball-Finale: Wie konnte der BVB die Meisterschaft noch verspielen? Und: Wird die Bundesliga zu einer Außenstelle der Zweiten Liga?
Absolute Fußball-Monarchie dank VAR
Nun ist also doch eingetreten, was kaum jemand mehr für möglich gehalten hätte: Die Bundesliga bleibt eine absolute Monarchie, regiert vom bayrischen „Stern des Südens“.
Der Tenor in der Berichterstattung über das Dortmunder Scheitern ist: „Der BVB ist einfach zu blöd, um Meister zu werden. Die haben einfach ihre Nerven nicht im Griff.“
Ich aber bleibe bei dem, wovor ich an dieser Stelle schon vor einer Woche gewarnt habe: Diese Meisterschaft ist nicht auf dem Platz entschieden worden. Die Schale wandert nach München, weil der VAR im Spiel der Dortmunder in Bochum dem BVB einen klaren Strafstoß verweigert hat.
Mit den beiden zusätzlichen Punkten aus dem Bochum-Spiel hätte der BVB bereits vor dem letzten Spieltag vier Punkte Vorsprung auf die Bayern gehabt, wäre also vorzeitig Deutscher Meister geworden. Die Spiele des letzten Spieltags wären damit bedeutungslos gewesen.
Phantasielose Analysen
Ich weiß, es gilt als unsportlich, fast schon unanständig, so zu argumentieren. Glück und Pech gleichen sich im Lauf einer Saison aus, heißt es, jeder ist seines Glückes Schmied, der BVB hat die Meisterschaft selbst verspielt.
Letztlich ist eine solche Argumentation aber vor allem eines: phantasielos. Anstatt über die Auswirkungen bestimmter Ereignisse und Entscheidungen nachzudenken, werden die davon geschaffenen Fakten zur Grundlage der Argumentation gemacht. Man geht immer nur von dem Ist-Zustand aus, anstatt zu hinterfragen, wie dieser zustande gekommen ist.
Diese Denkweise fällt nun selbst den Bayern auf die Füße. Hätten sie sich nicht doch noch den elften Meistertitel in Folge erduselt, hätte wohl niemand die Entscheidung zur Trennung von Kahn und Salihamidzic in Frage gestellt. So aber tauchen plötzlich Fragen nach Stil und Würde und Zeitpunkt der Entscheidung auf – als hätten die Bayern plötzlich doch eine Menge richtig gemacht, weil der BVB gegen Mainz seine Nerven nicht im Griff hatte.
PR-Riese Tuchel
Die einzige Frage, die sich mir bei dieser Entlassungswelle in der Beletage stellt, ist, warum der Trainer davon nicht betroffen ist. Auch hier folgt die Argumentation zumeist den maßgeblich von den jetzt Geschassten geschaffenen Fakten: Tuchel soll keine Schuld treffen, Nagelsmann ist der alleinige Buhmann.
Dass die Bayern unter Nagelsmann in dieser Saison alle Champions-League-Spiele gewonnen haben? Vergessen! Dass Tuchel sowohl in Dortmund als auch bei Chelsea und Paris St. Germain vorzeitig entlassen worden ist? Spielt keine Rolle!
Dabei lehrt das Phänomen Tuchel vor allem eines: Eine gute Imagekampagne kann Berge versetzen. Tuchel hat sich nach seiner relativ erfolgreichen Mainzer Zeit gezielt als Geheimtipp inszeniert und sich so lange bei den Top-Teams ins Gespräch gebracht, bis die Dortmunder ihm den Chefposten angeboten haben.
In London und Paris hat er sich dann ins gemachte Nest gelegt. Anders als Nagelsmann, muss er erst noch unter Beweis stellen, dass er eine Spitzenmannschaft nicht nur übernehmen, sondern auch formen kann. Wie seine desaströse Bilanz in München zeigt, ist er aber auf jeden Fall in einem zerstrittenen Umfeld fehl am Platze. Eine versöhnliche, einende Kraft geht von ihm offenbar nicht aus. Man darf gespannt sein, wie lange er sich in Bollywood-Bayern hält.
Ein Fastnachtsverein als Totengräber
Noch eine andere unanständige Anmerkung liegt mir auf der Zunge: Was hat eigentlich die Mainzer daran gereizt, den Dortmundern in die Meisterschaftssuppe zu spucken?
Ich weiß, auch eine solche Frage gilt als unsportlich. Stattdessen wird den Mainzern besondere Fairness beschieden, weil sie sich ins Zeug gelegt haben, obwohl es für sie um nichts mehr ging.
Wenn ich mir aber die Motivation des Teams anschaue, komme ich trotzdem nicht umhin, in dieser Art von Sportlichkeit einen faden Beigeschmack zu entdecken. Die Art, wie der hochgelobte Mainzer Trainer am Ende den Schlusspfiff eingefordert hat, ließ ja fast darauf schließen, dass es für die Mainzer selbst um die Meisterschaft ging. Dabei haben sie nur (fast) ganz Fußball-Deutschland die Party versaut.
Aber wie heißt es doch so schön? Man sieht sich im Leben immer zweimal. Vielleicht spielen die Mainzer ja im nächsten Jahr mal wieder gegen den Abstieg und sind am letzten Spieltag auf einen Sieg gegen den BVB angewiesen. Die Dortmunder werden dann sicher keine Motivationsprobleme haben.
Abstieg des Fußballherzens
Dass die Abstiegsentscheidungen mir ebenfalls auf den Magen geschlagen sind, wird nach meinem Bekenntnis zu Hertha niemanden wundern. Allerdings war Hertha ja schon vor dem vorletzten Spieltag so gut wie abgestiegen. Mit diesem Trauerfall musste also gerechnet werden.
Schlimmer ist, dass mit dem Abstieg von Schalke 04 das Tränenmeer im Ruhrpott noch verstärkt wird. Wenn nun auch noch der VFB Stuttgart den Boden unter den Füßen verliert, droht die Bundesliga zu einem Oberhaus mit angeschlossener Außenstelle der Zweiten Liga zu werden.
Umgekehrt wird die Zweite Liga mit all den dort gestrandeten Traditionsvereinen allmählich zu einer Nostalgie-Liga, in der all das weiterlebt, was einst das Herz des Fußballs ausgemacht hat.
Man könnte sich damit trösten, dass das Herz des Fußballs so wenigstens noch irgendwo weiterschlägt. Aber leider ist die Zweite Liga ja oft nur der erste Schritt zur Dritten Liga – und letztlich zur völligen Bedeutungslosigkeit.
Bild: feworave: kleiner Münsterländer (pixabay)