Ein Vorbild für die SPD?
Themen des Jahres/2
Joe Bidens Rückzug von der Präsidentschaftskandidatur ist zu spät gekommen. Dennoch bräuchte auch die SPD jetzt einen solchen „Biden-Moment“.
(Zu) späte Einsicht
Ja, er ist eingetreten, und nein, er hat das Unheil nicht abwenden können: der Biden-Moment.
Hätte Joe Biden früher eingesehen, dass seine Kräfte nicht für eine zweite Amtszeit reichen, so hätte Kamala Harris mit hoher Wahrscheinlichkeit besser bei der Präsidentschaftswahl abgeschnitten. Denn dann hätte sie sich in den Vorwahlen gegen ein starkes Mitbewerberfeld durchsetzen müssen. Wäre ihr das gelungen, so wäre sie auch als eigenständige Kandidatin wahrgenommen worden.
So aber erschien Harris nur als Statthalterin Bidens. Der Makel, dessen Politik als Vizepräsidentin mitverantworten zu müssen, blieb so gleich doppelt an ihr haften.
Dabei ist die Bilanz der Biden-Amtszeit keineswegs so schlecht, wie sie von Donald Trump dargestellt worden ist. Nur hat die Demokratische Partei eben viel zu lange den Eindruck vermittelt, von einem altersschwachen Präsidenten abhängig zu sein, der alles andere als eine glorreiche Zukunft zu versprechen schien. Dies hat auch die Kandidatur von Harris überschattet.
Dennoch steht der Biden-Moment für einen der durchaus nicht häufigen Momente in der Politik, in denen ein Amtsträger sich zum Wohle der Partei zurückzieht. Einen solchen Biden-Moment bräuchte derzeit auch die SPD.
Scholz, Trump und der Biden-Moment
Olaf Scholz ist offensichtlich ein ganz anderer Typ als Donald Trump. Während wir diesen als hitzköpfigen Polterer kennen, wirkt Scholz eher hanseatisch-unterkühlt. Sein Ego scheint jedoch nicht kleiner zu sein als das des „President-elect“. Jedenfalls ist es größer als das von Biden.
Während Biden irgendwann – wenn auch zu spät – eingesehen hat, dass er zu einer Belastung für seine Partei geworden ist, besteht Scholz darauf, die SPD mit sich in den Abgrund zu reißen. Dass die Partei sich in falsch verstandener Nibelungentreue an den Gescheiterten kettet, obwohl in Boris Pistorius eine vielversprechende Alternative zur Verfügung steht, ist ein bemerkenswertes Beispiel politischen Märtyrertums.
Auf den Untergang des Führers mit politischem Selbstmord zu reagieren … An was erinnert mich das bloß?