Zum Telefongetuschel zwischen Trump und Putin
Das Telefonat zwischen Trump und Putin hat einmal mehr gezeigt, dass die Wahl Trumps ein Geschenk für den Gewaltherrscher im Kreml war. Wer echten Frieden will, muss daraus die entsprechenden Konsequenzen ziehen.
Kriegstreiber als Friedensfürsten
Wenn das wie eine Offenbarung angekündigte Telefonat zwischen Donald Trump und Wladimir Putin überhaupt ein Ergebnis erbracht hat, so lautet es: Es hat seinen Grund, warum westliche Regierungen bis zur Usurpation des Verhandlungsmandats durch den Washingtoner Möchtegern-Erlöser auf direkte Gespräche mit dem Kreml verzichtet haben.
Der Grundkonsens der vergangenen Jahre hat sich bestätigt: Im Kreml sieht man eine Verhandlungsbereitschaft der Gegenseite als Schwäche an. Daraus wird die Erwartung abgeleitet, bei Gesprächen nicht weniger als die eigenen Maximalforderungen durchsetzen zu können.
Konkret bedeutet das: Verzicht der Ukraine auf Schutzgarantien oder gar eine Mitgliedschaft in der NATO, Beendigung der westlichen Militärhilfe für die Ukraine, keine weitere Mobilisierung von ukrainischen Soldaten. Eine kurzzeitige Waffenruhe müsste die Ukraine folglich damit bezahlen, sich als Opferlamm für künftige russische Aggressionen bereitzuhalten.
Orwellsche Kreml-Rhetorik
Die für eine kurzzeitige Waffenruhe angebotenen Zugeständnisse des Kreml ordnen sich dementsprechend in das orwellsche Rhetorikmuster autoritärer Herrscher ein, das auf einer Verkehrung der Tatsachen beruht. Dabei wird Angriff in Verteidigung umgedeutet, Unterdrückung in Befreiung und Krieg in Friedenssicherung.
Was wie ein Entgegenkommen aussehen soll, dient jedenfalls bei näherem Hinsehen vor allem den russischen Interessen. Eine kurzzeitige Aussetzung der Angriffe auf Energieinfrastruktur würde in der aktuellen Situation vor allem Russland helfen, da die ukrainischen Drohnen russischen Raffinerien und Pipelines – den Schmiermitteln der russischen Kriegskasse – in letzter Zeit empfindliche Schäden zugefügt haben. Russische Angriffe auf ukrainische Energieinfrastruktur würden dagegen ohnehin erst wieder im nächsten Winter die gewünschte zermürbende Wirkung auf die Bevölkerung entfalten.
Wenn das Gift der Propaganda in den öffentlichen Diskurs einsickert
Erstaunlicherweise hat das doppelte Propaganda-Bombardement aus Moskau kund Washington trotz der offensichtlichen Ergebnislosigkeit des Telefongetuschels der Autokraten zu einem neuen Zungenschlag in öffentlicher Wahrnehmung und Berichterstattung über den Krieg gegen die Ukraine geführt. Vielfach wird nun die realitätsverzerrende Darstellung des Angriffskriegs als eines Konflikts zwischen zwei Parteien, bei dem beide Kompromisse eingehen müssen, übernommen.
Allein schon die Bereitschaft, angesichts der aggressiven Rhetorik Trumps gegenüber der Ukraine das Wort „Frieden“ in den Mund zu nehmen, zeugt von mangelnder Empathie für das unermessliche Leid, dem die Menschen in der Ukraine ausgesetzt sind. Und auch von „Waffenruhe“ zu sprechen, verbietet sich, wenn diese nur eingeschränkt gelten soll, also die öffentliche Billigung weiterer Terrorangriffe der russischen Armee in der Ukraine beinhaltet.
Konstanz als Überlegenheitsfaktor von Autokratien
Letztlich ist die plötzliche Hoffähigkeit der Fake-Narrative aus Moskau und Washington auch ein Beleg für die Überlegenheit autoritärer Regime, wenn es um die gewaltsame Durchsetzung von Interessen geht. Demokratien sprechen immer mit einen Chor von Stimmen, bei dem mal die einen und mal die anderen dominieren. Dieser Chor kann zudem durch die sozialen Medien im Interesse der Autokraten dirigiert werden.
Autokratien haben demgegenüber den Vorteil größerer Konstanz. Sie können schlicht abwarten, bis die Machtverhältnisse in den konkurrierenden Demokratien ihnen die Durchsetzung ihrer Interessen erlauben. Genau darauf hat der Kreml im Krieg gegen die Ukraine gesetzt.
Das einzige Mittel zur Eindämmung eines derartigen Machtpokers wäre ein unumstößlicher Grundkonsens bei der Verteidigung fundamentaler Menschenrechte. Eben dies steht jedoch durch den Aufstieg populistischer Parteien in den westlichen Demokratien immer mehr in Frage.
Russische Kriegsverbrechen – nur noch eine Randnotiz?
Dass nach drei Jahren Krieg eine allgemeine Kriegsmüdigkeit um sich greift, ist nur allzu verständlich. „Kriegsmüdigkeit“ ist an sich ja auch eine gute Sache und sollte eigentlich der Normalzustand sein. Niemand sollte sich das Gegenteil – eine allgemeine Kriegseuphorie – wünschen.
Auf der anderen Seite darf Kriegsmüdigkeit aber auch nicht mit einer Preisgabe der Opfer eines Krieges einhergehen. Genau das würde jedoch bei einem Verhandlungsdiktat nach dem Willen des Kreml geschehen.
Es wirkt wie eine Vorbereitung der breiten Öffentlichkeit auf dieses Szenario, dass in letzter Zeit immer weniger von den Verbrechen der russischen Armee in der Ukraine die Rede ist. Diese nicht zu ahnden, wäre jedoch gleichbedeutend mit einem menschen- und völkerrechtlichen Offenbarungseid.
Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, diese Verbrechen noch einmal systematisch aufzulisten. Eben dies wird in den kommenden Tagen auf diesem Blog geschehen.
Bild: Collage „Der Herr und sein Hund“