Ein Ökozid als Zugabe zum Genozid

Neben zehntausenden Toten, noch mehr Verletzten und einer zerstörten Infrastruktur hat der russische Angriffskrieg auch massive Umweltschäden angerichtet. Die verheerendsten Auswirkungen hatte dabei die gezielte Sprengung des Kachowka-Staudamms.

Die Kachowka-Katastrophe

Am 6. Juni 2023 kam es am Kachowkaer Stausee am Unterlauf des Dnepr zu einem Bruch der Staumauer. Der über 18 Milliarden Kubikmeter fassende See ergoss sich daraufhin in die Umgebung. Dies hatte zahlreiche Opfer unter Menschen und Tieren zur Folge, hat auf einen Schlag 95.000 Tonnen Fisch vernichtet, war ein schwerer Schlag für die Energie- und Trinkwasserversorgung, führte zu massiven Ernteausfällen und Beeinträchtigungen der Schifffahrt auf dem Dnepr und zerstörte ein einzigartiges Ökosystem.

Der Bruch der Staumauer fiel in die Zeit der damaligen ukrainischen Gegenoffensive. Die russische Propaganda machte daher umgehend ukrainische Angriffe für die Zerstörung der Staumauer verantwortlich.

Dies ist jedoch nicht nur deshalb ein unwahrscheinliches Szenario, weil der Bruch der Staumauer vor allem den russischen Truppen half – denn das Übersetzen auf das russisch kontrollierte linke Ufer des Dnepr wurde dadurch so gut wie unmöglich. Der Staudamm war zudem so gebaut, dass er selbst schwersten äußeren Erschütterungen standhalten konnte. Seine Wand war bis zu 40 Meter dick und aus massivem Beton gefertigt.

Indizien für eine gezielte Sprengung der Staumauer durch Russland

Ein Bruch des Staudamms war demzufolge nach einhelliger Expertenmeinung nur durch eine im Inneren des Stausees ausgelöste Explosion herbeizuführen. Die Kontrolle über den Stausee lag damals aber bei Russland. Zudem verfügten die russischen Besatzer über das nötige Detailwissen, da der Staudamm zu Sowjetzeiten erbaut worden war und man daher die nötigen Baupläne nur aus der Schublade holen musste.

Aufzeichnungen ukrainischer Drohnen zeigen denn auch kurz vor dem Bruch der Staumauer mit Sprengstoff beladene russische Militärlastwagen auf dem Damm. Zudem ist gerade das Fundament der Staumauer geborsten, was bei einem Raketenbeschuss unwahrscheinlich gewesen wäre. Auch dass die russischen Besatzungstruppen das ukrainische Kraftwerkspersonal vor der Explosion abgezogen hatten, zeugt davon, dass unliebsame Zeugen ausgeschaltet werden sollten.

Ein ökologisches Desaster mit Langzeitfolgen

So hat die russische Armee für kurzzeitige strategische Vorteile offenbar eine ökologische Katastrophe in Kauf genommen, deren Auswirkungen noch jahrzehntelang zu spüren sein werden. Manche endemische Tierarten wie bestimmte Mäusearten und seltene Vogelarten wie die Schwarzkopfmöwe sind durch die Zerstörung des Stausees etwa vom Aussterben bedroht oder gelten gar als unrettbar verloren. Gleiches gilt für eine Reihe von Pflanzenarten, wie etwa die Wasserfalle, eine zu den Sonnentaugewächsen gehörende fleischfressende Pflanze.

Hinzu kommt, dass sich am Grund des Sees Schadstoffe abgelagert haben, die nun nach und nach vom Wind weggetragen oder vom Dnepr weggespült werden. So können sie in den Nahrungskreislauf gelangen und damit eine Verseuchung der  Böden sowie letztlich Vergiftungen bei Mensch und Tier zur Folge haben.

Nicht zuletzt hatte der Stausee auch eine günstige Auswirkung auf das Klima. Sein Verschwinden kann langfristig zu vermehrter Trockenheit und damit zu einer lokalen Beschleunigung des Klimawandels führen. Dies gilt umso mehr, als die Überflutungen auch insgesamt 500 Quadratkilometer Wald betroffen haben und viele der für den Klimaschutz so wichtigen Bäume dadurch abgestorben sind.

Literarische Miniatur zum Thema: Grenzüberschreitungen

Links

Chernov, Mstyslav / Hinnant, Lori: Russia had Means, Motive and Opportunity to Destroy Ukraine Dam. Drone Photos and Information Show. Associated Press, 18. Juni 2023; apnews.com.

Glanz, James et al.: Why the Evidence Suggests Russia Blew up the Kakhovka Dam. New York Times, 16. Juni 2023.

Röhrlich, Dagmar: Kachowka-Staudamm: Zerstörung im Krieg hat langfristige Folgen. Deutschlandfunk (Forschung aktuell), 14. März 2025.

Schülke, Mathea: Nach Dammbruch in Südukraine: Verheerende Folgen für Menschen und Natur. Tagesschau.de, 7. Juni 2023.

Shandra, Alya: Russia’s Destruction of Kakhovka Dam: Five Blows to Economy, Environment of World and Ukraine. Euromaidanpress.com, 3. Juli 2023.

Spears, Bryan M. et al.: A Rapid Environmental Risk assessment of the Kakhovka Dam Breach During the Ukraine Conflict. Nature.com, 18. März 2024 (deutschsprachige Zusammenfassung auf wissenschaft.de: Kachowka-Staudamm: Die Umweltfolgen der Zerstörung; 19. März 2024).

Stakhiv, Eugene / Demydenko, Andriy: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms. Ukraine-Analysen Nr. 288 vom 19. September 2023; laender-analysen.de.

Bild: Jeanajean: Desertification (Wikimedia commons)

Schreibe einen Kommentar