Musikalische Sommerreise 2025: Ein Trip nach Serbien/7
Die Belgrader Singer-Songwriterin Una Gašić legt ihre Songs als eine Art innere Reise an, die sie mit hypnotischen Klangwelten unterlegt. Dies lässt die Musik von ihr und ihrer Band Bitipatibi ebenso authentisch wie verträumt erscheinen.
Kleine Batmans
Die Sonne und ihre glitzernden Wellenkinder
haben sich schlafen gelegt in deinen Händen.
Der Abgrund deiner Augen aber
dunkelt in der Farbe des Weltschmerzes.*
Weißt du noch – unsere verschwiegenen Spaziergänge
durch den Palast der Nacht?
Zwei Seiten einer Münze hätten wir sein können,
du und ich, mein Goldschatz, zwei Seiten einer Münze.
Warum sind wir nicht aufgestiegen
zum Himmel wie zwei kleine Batmans,
als der Wind unsere Haare geküsst hat?
Wer heilt jetzt die Wunde meiner Fragen:
Wirst du die Münze unserer Liebe mit mir teilen?
Warum dunkelt der Abgrund deiner Augen
in der Farbe des Weltschmerzes?
Una Gašić mit der Band Bitipatibi: Mali Betmeni
aus: Lešnici divlji (Wilde Haselnüsse) 2 (2017)
auch enthalten auf dem Album Bitipatibi Live (2023)
* "Weltschmerz" auch im Original deutsch
Gesungene Selbsterkundung
Die Band Bitipatibi ist im Kern ein Projekt der 43-jährigen Singer-Songwriterin und Keyboarderin Una Gašić. Sie hat in ihrer Jugend die Musikschule besucht, danach aber Architektur studiert.
Während des Studiums hat sie mit einer paar Kumpeln Musik gemacht und die Ergebnisse ins Netz gestellt. Aufgrund der positiven Resonanz in den sozialen Netzwerken und bei ihren Bekannten beschlossen Gašić und ihre Mitstreiter schließlich 2009, eine eigene Band zu gründen.
Die Musik der Band beschreibt Gašić als „eine Mischung aus Liebe, sehr persönlichen Texten“, einer „verträumten Frauenstimme“ und einem manchmal gebrochen klingenden Gitarrensound [1]. Als wichtigste Einflussfaktoren für diese betont „emotionale Musik“ benennt sie die Genres Dream-Pop und Shoegaze [2].
In der Tat sind insbesondere die Einflüsse des Shoegaze in der Musik der Band deutlich zu erkennen. Entsprechend der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs – „Blick auf die Schuhe“ – vermittelt Gašić bei ihren Auftritten den Eindruck, nach innen zu schauen und diese Innensicht in Worte zu fassen. Musikalisch wird dies durch einen zurückgenommenen Gesang und hypnotisch wirkende Klangwelten umgesetzt.
Tagebuchartige Textproduktion
Der persönliche Charakter der Texte spiegelt sich auch in der Art der Textproduktion wider, die Gašić mit dem Schreiben eines Tagebuchs vergleicht [3]. Antrieb für das Schreiben sei dabei oft das Gefühl, „etwas zu vermissen, (…) nicht vollkommen glücklich“ zu sein [4]:
„Ich finde mich oft in meinen Texten wieder, ich betrachte sie als Spiegel meines Reifeprozesses. Wenn ich das Rätsel löse, vor das mich eine bestimmte Situation in meinem Leben stellt, ist das Lied fertig. Die Lösung ist dann oft von einer Art selbstironischem Optimismus geprägt.“ [5]
Gašić räumt dabei selbst ein, dass ihr ihre Texte zuweilen selbst „zu persönlich“ und „zu ehrlich“ erscheinen. Die Veröffentlichung der Songs sei daher immer von gewissen „Selbstzweifeln, Unsicherheit und Selbstkritik“ begleitet [6].
Andererseits würden viele ihre Songs offenbar gerade aufgrund der so bezeugten Authentizität schätzen. Als Beispiel dafür führt Gašić den hier präsentierten Song Mali Betmeni (Kleine Batmans) an [7].
Auch in diesem Fall sei sie beim Posten des Liedes auf Bandcamp uneins mit sich gewesen, ob sich die darin zum Ausdruck gebrachten Liebesgefühle für eine Veröffentlichung eignen würden. Der Song sei dann aber sehr positiv aufgenommen worden. Offenbar hatten auch andere schon ähnliche Erfahrungen gemacht und sich durch den Song intuitiv verstanden gefühlt.
Der Bandname: eine Wortneuschöpfung als Programm
Der Name der Band ist eine Wortneuschöpfung, deren fehlende reale Entsprechung das Traumartige, Rätselhafte widerspiegelt, wie es für viele innerpsychische Prozesse charakteristisch ist. Er steht laut Gašić für Zustände, die ohne eingehendere Analyse nicht verständlich sind [8], und greift damit die von ihr beschriebene Tendenz auf, ihre Songs als eine Art Selbsterkundung anzulegen.
Gašić schätzt den Begriff gerade deshalb, weil er unbelastet von jeder Bedeutung ist. Er klinge für sie „einfach schön“ und erinnere sie „an eine exotische Sprache“ [9]. So deutet sich in dem Begriff eben jener nicht in Worte zu fassende Schwebezustand zwischen Traum und Realität an, den die Band in ihren Songs beschwört.
Nachweise
Die Informationen und Zitate sind folgenden Interviews mit Una Gašić und Artikeln über sie und ihre Band entnommen:
[1] und [5]: Una Gašić, frontmenka benda Bitipatibi: Alternativnoj sceni potrebno je više vremena i ljubavi (Una Gašić, Frontfrau der Band Bitipatibi: Die alternative Szene braucht mehr Zeit und Liebe); Artikel im Klix Magazin, Sarajewo, vom 28. März 2018; Autorschaft mit Kürzel „El. Li.“ angegeben.
Biild: Angeles Balaguer: Fledermäuse vor Vollmond (Pixabay