Vergewaltigungen: Im Lustrausch der Gewalt

The Russian Horror Torture Show/5

Vergewaltigungen werden im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gezielt eingesetzt, um die Identität der Opfer auszulöschen. Sie liegen damit auf einer Linie mit Filtrationslagern und Kindesentführungen, die ebenfalls Aspekte eines Genozids aufweisen.

Vergewaltigungen als Kriegswaffe

Zu den abstoßendsten Elementen des Krieges gehört es, dass dabei immer wieder Vergewaltigungen explizit als Waffe eingesetzt werden. Dies zielt nicht nur auf eine Demütigung der Opfer ab, sondern auch auf die Zersetzung von deren Identität: Die Keime der Täter sollen unmittelbar in die Körper ihrer Opfer hineingestoßen werden.

Die betroffenen Frauen können danach natürlich zu dem Mittel der Abtreibung greifen. Dies setzt jedoch eine ausreichende medizinische Versorgung voraus, die in Kriegszeiten oft nicht gewährleistet ist. Selbst dann bleiben allerdings physische und psychische Schäden zurück. Körperliche Hingabe ist danach stets mit der Aktivierung eines Traumas verbunden, das im Kern unüberwindbar bleibt.

Das Wesen dieses Traumas besteht zum einen in der totalen Auslieferung an einen Gewalttäter, der äußersten Form der Bloßstellung und Demütigung. Zum anderen schreibt sich durch eine Vergewaltigung aber auch die Erfahrung in den Körper ein, dass sexuelle Lust mit der Ausübung brutaler Gewalt einhergehen kann.

Von der Seite der Täter aus betrachtet, handelt es sich bei einer Vergewaltigung um eine Extremform von Sadismus. Nichts zeigt deutlicher die Selbsterniedrigung des Menschen im Krieg, seinen lustvollen Selbstverlust im Rausch der Gewalt.

Ein Anschlag auf die Identität der Opfer

Für die russische Armee sind Vergewaltigungen in der Ukraine eine logische Ergänzung zu Filtrationslagern und Kindesentführungen. In all diesen Fällen geht es darum, die Identität eines anderen Volkes auszulöschen, es mit den eigenen Genen – im unmittelbaren oder im übertragenen Sinn – zu infiltrieren.

Dementsprechend sind Vergewaltigungen auch im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein alltägliches Mittel der Kriegsführung. Konkrete Zahlen sind dabei allerdings nur schwer zu ermitteln, da das Thema natürlich extrem schambesetzt ist.

Hinzu kommt, dass Vergewaltigungen von russischen Soldaten auch gezielt eingesetzt werden, um sich an ukrainischen Frauen stellvertretend für ihre an der Front kämpfenden Männer zu rächen. Die Gewalterfahrung und die Demütigung, die die Frauen erleiden müssen, werden so noch durch das Gefühl verstärkt, persönlich unterlegen zu sein, während ihre Männer eben dies mit ihrem Abwehrkampf zu verhindern suchen.

Über Vergewaltigungen zu sprechen, ist so ein doppeltes Tabu, das auch den Neuanfang nach dem Ende des Krieges belastet. Dies gilt übrigens auch für Männer, die in den Gefangenen- und Filtrationslagern teilweise ebenfalls sexueller Folter ausgesetzt sind. Auch bei ihnen kann die demütigende Gewalterfahrung eine innere Leere zur Folge haben, die es erschwert bis verunmöglicht, sich jemals wieder ganz für einen anderen Menschen zu öffnen.

Literarische Miniatur zum Thema: Trümmerküsse

Audio-Fassung

Links

Havryshko, Marta: Ukraine: Stille Opfer des Krieges. Heinrich Böll Stiftung, 19. Juni 2023. Ausführlicher Beitrag über Vergewaltigungen als Kriegswaffe im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine

Oksanen, Sofi: Putin will „Familien über Generationen zerstören“; zdf.de, 9. Mai 2024. Interview von Winnie Heescher und Claudius Technau mit der finnisch-estnischen Schriftstellerin Sofi Oksanen über sexuelle Gewalt im Krieg gegen die Ukraine

Petersohn, Susanne: Krieg gegen die Ukraine: „Sexuelle Gewalt ist zur Epidemie geworden“. Tagesschau.de, 24. Februar 2023.

Putzolu, Jean-Charles: Ukraine: Viele Frauen Opfer von sexueller Gewalt; vaticannews.va, 26. November 2024. Artikel auf der Grundlage eines Interviews mit Céline Bardet, Gründerin der Nichtregierungsorganisation We are NOT Weapons of War (WWoW – Wir sind keine Kriegswaffen), die sich gegen Vergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung einsetzt

Bild: Gerd Altmann: Angst (Pixabay)

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