Ein Blick in die Chefetagen der deutschen Bildungsministerien

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen

Im fünften Teil der Reihe zu den Qualifikationen der leitenden Personen in den deutschen Bildungsministerien schauen wir heute auf Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.

Sachsen

Das Sächsische Staatsministerium für Kultus wird seit 2017 von Christian Piwarz geleitet. Der 1975 in Dresden geborene CDU-Politiker nahm nach Ableistung des Wehrdienstes ein Jura-Studium an der TU Dresden auf. Im Anschluss an das Zweite Staatsexamen arbeitete er seit 2004 als Rechtsanwalt.

Piwarz trat bereits mit 17 Jahren in die Junge Union ein, für die er von 2003 bis 2009 Landesvorsitzender von Sachsen und Niederschlesien war. Daneben war er auf kommunalpolitischer Ebene für die CDU aktiv.

Nachdem er 2005 schon als Referent in der sächsischen Staatskanzlei tätig gewesen war, zog Piwarz 2006 erstmals in den sächsischen Landtag ein. Dort wirkte er während mehrerer Legislaturperioden im Innenausschuss und im Ausschuss für Schule und Sport mit. Außerdem war er Mitglied im sächsischen NSU-Untersuchungsausschuss und in einem Untersuchungsausschuss zur Verwicklung sächsischer Politiker und Staatsbediensteter in kriminelle Netzwerke.

Außer seiner Mitarbeit im Ausschuss für Schule und Sport verfügt Piwarz über keinerlei pädagogische oder bildungspolitische Expertise. Der Hauptakzent seiner Arbeit liegt daher – wie auch bei seinen konservativen Amtsvorgängern – auf dem Erhalt des Bestehenden.

Dies bringt dem Land zwar bei den PISA-Vergleichsstudien regelmäßig vordere Plätze ein. Für die guten Leistungsnoten muss jedoch  ein hoher sozialer Preis bezahlt werden: Gemeinschaftsschulen können in Sachsen erst seit 2020 eingerichtet werden. Die Hürden dafür sind zudem so hoch, dass es bis heute erst drei derartige Schulen gibt [1].

Die starke Selektion spiegelt sich in der Schulabbruchquote wider, die in Sachsen mit 7,8 Prozent so hoch ist wie in kaum einem anderen Bundesland [2]. Ein Minister mit bildungspolitischen Visionen täte dem Land also durchaus gut.

Sachsen-Anhalt

Das Ministerium für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt wird seit September 2021 von Eva Feußner geleitet. Die 1963 in Naumburg an der Saale geborene Politikerin hat von 1981 bis 1985 an der Pädagogischen Hochschule Erfurt studiert und hat danach bis 1999 an der Sekundarschule Eckartsberga als Lehrerin gearbeitet.

Feußner hat sich zunächst auf kommunalpolitischer Ebene für die CDU engagiert. 1994 wurde sie in den Landtag von Sachsen-Anhalt gewählt, wo sie im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur mitwirkte und 2002 zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden aufstieg. Ehe sie zur Ministerin ernannt wurde, war sie dreieinhalb Jahre als Staatssekretärin im Bildungsministerium tätig.

Feußner verfügt zwar über fachliche Qualifikationen, scheint aber bei der Leitung des von ihr geführten Ministeriums Defizite aufzuweisen. So haben sich im Januar 2023 Beschäftigte in einem anonym der Presse zugespielten Schreiben unter der Überschrift „Wir haben Angst“ über das schlechte Betriebsklima in dem Ministerium beklagt.

Die Beschäftigten fühlen sich gleich in mehrfacher Hinsicht unter Druck gesetzt. Zum einen geben sie an, es werde von ihnen erwartet, selbst im Krankenstand oder Urlaub zur Verfügung zu stehen. Zum anderen seien kritische Anmerkungen unerwünscht. In einem Fall hätten diese sogar schon die Versetzung einer verdienten Mitarbeiterin zur Folge gehabt. 75 Prozent der Beschäftigten hielten die Zustände im Ministerium für untragbar und würden für eine Absetzung der Ministerin plädieren [3].

Bei Lehrkräften und Lernenden steht die Ministerin ebenfalls in der Kritik. Auch von dieser Seite wird ihr mangelnde Wertschätzung vorgeworfen, die sich in einer unzureichenden Berücksichtigung von Reformvorschlägen und generell in einer schlechten Kommunikationskultur niederschlage [4].

Schleswig-Holstein

Das Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur wird seit Juni 2017 von Karin Prien geleitet. Die 1965 in Amsterdam geborene Politikerin hat in Bonn und Amsterdam Jura studiert und legte 1994 in Celle das Zweite Staatsexamen ab. Danach arbeitete sie als Rechtsanwältin mit den Schwerpunkten Wirtschafts- und Insolvenzrecht sowie als Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht.

Prien trat bereits mit 16 Jahren in die CDU ein. Parteipolitisch aktiv war sie zunächst in der Hamburger Kommunalpolitik. Dort wurde Prien 2010 auch in den Landesvorstand gewählt und 2011 Mitglied der Bürgerschaft. 2021 stieg sie in den Bundesvorstand ihrer Partei auf.

In der Hamburger Bürgerschaft war Prien zwar schulpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Sie verfügt jedoch weder über erziehungswissenschaftliche Qualifikationen noch über pädagogische Erfahrungen.

Priens hauptsächliche Affinität zur Schule scheint in einer gewissen oberlehrerhaften Attitüde zu bestehen. Als etwa ihre Kabinettskollegin Aminata Touré sich skeptisch zu einem Entwurf für „sichere Herkunftsländer“ äußerte, erklärte sie, Touré handle aufgrund ihres Migrationshintergrunds nicht so „nüchtern und vernunftgesteuert“ wie sie [5].

Dass ein solches Handeln von manchen auch als emotionale Kälte empfunden werden kann, zeigte sich während der Corona-Pandemie. Damals belehrte Prien besorgte Eltern, dass Kinder „mit COVID-19 und nur extrem selten wegen COVID-19 sterben würden“ [6] – als hätte das für die Betroffenen einen Unterschied gemacht!

Auch dem Startchancen-Programm, mit dem die Bundesregierung die Bildungsmöglichkeiten von sozial unterprivilegierten Kindern verbessern möchte, erteilte Prien eine schlechte Note – und blieb dem angesetzten Bildungsgipfel, zusammen mit anderen CDU-geführten Kultusministerien, gleich ganz fern [7].

Thüringen

Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport wird seit 2017 von Helmut Holter geleitet. Der 1953 im südlich von Schwerin gelegenen Ludwigslust geborene Politiker schloss 1976 sein Studium am Moskauer Institut für Bauwesen als Diplom-Ingenieur für Betontechnologie ab.

Mit dieser Qualifikation trat er in den VEB Beton Nord im brandenburgischen Milmersdorf ein, wo er 1979 zum Produktionsleiter aufstieg. Seit 1987 war er für die SED-Bezirksleitung Neubrandenburg tätig, wo er die Abteilung Bau, Verkehr und Energie leitete.

Von 1985 bis 1987 hielt sich Holter erneut in Moskau auf, wo er an der Parteihochschule der KPdSU ein Postgraduiertenstudium in Gesellschaftswissenschaften absolvierte.

Holter, der mit 20 Jahren in die SED eingetreten war, fungierte für die Nachfolgeorganisation dieser Partei, die PDS, von 1991 bis 2001 als Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern. Für die Partei Die Linke zog er 2011 und 2016 als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf.

Holter zog 1994 erstmals in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ein. Für die Partei Die Linke fungierte er zunächst als stellvertretender Fraktionsvorsitzender, ehe er 2009 an die Spitze der Fraktion gewählt wurde.

Unter dem Thüringer SPD-Ministerpräsidenten Harald Ringstorff wurde Holter 1998 Minister für Arbeit und Bau und amtierte zugleich als Stellvertretender Ministerpräsident. 2002 wurde sein Ministerium um den Bereich „Landesentwicklung“ erweitert. Dieses führte Holter bis 2006, als die SPD eine Koalition mit der CDU einging. Danach wechselte er wieder in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern.

Als Arbeits- und Bauminister war Holter aufgrund seiner Qualifikationen und beruflichen Erfahrungen sicherlich bestens geeignet. Für ein bildungspolitisches Amt verfügt er jedoch über keinerlei einschlägige Qualifikationen.

Nichtsdestotrotz muss Holter zugestanden werden, dass seine Bildungspolitik sich durchaus am Ideal einer humanen Schule und Pädagogik orientiert. Dies zeigt sich etwa an seinem Bekenntnis zur Abschaffung der Noten in Sport, Musik und Kunst. Holter möchte damit verhindern, dass den Lernenden durch schlechte Leistungsbewertungen die Motivation für körperliche Bewegung und kreative Betätigung genommen wird [8].

Nachweise

[1]    Vgl. Pritzkow, Katharina / Tominski, Katrin: Schule in Sachsen: Zwischen Bestnoten und Baustellen in der Bildung. MDR Sachsen, 11. Januar 2023.

[2]    Vgl. INSM-Bildungsmonitor 2022: Wo stehen die Bundesländer beim Bildungscheck?; hier zit. nach ebd.

[3]    Frohmüller, Lars: Anonymer Brief wirft schlechtes Licht auf Bildungsministerium; MDR Sachsen-Anhalt, 19. Januar 2023.

[4]    Wittstock, Uli: Warum die Zukunft von Kindern und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt bedroht ist; MDR Sachsen-Anhalt, 16. Februar 2023.

[5]    Zit. nachWimmer, Christopher: Karin Prien: die Unverstandene; nd-aktuell, 14. Juni 2023.

[6]    Zit. nach Weisband, Martina: Debatte um Bildungsministerin Prien: Mehr als ein Shitstorm. Deutschlandfunk, 15. Februar 2022.

[7]    Vgl. Fokken, Silke: Prien gegen Stark-Watzinger: „Der Bund hat keine Fachkompetenz in Sachen Bildung“. Der Spiegel, 11. Mai 2023. Bezieht man Priens Satz auf die Bundesbildungsministerin, die FDP-Politikerin Bettina Stark-Watzinger, so hat er wohl seine Berechtigung – Stark-Watzinger ist Diplom-Volkswirtin und spiegelt so die wirtschaftsorientierte Bildungsauffassung der FDP wider. Allerdings ließe sich der Vorwurf der fehlenden Fachkompetenz ebenso auf die gelernte Juristin Prien beziehen.

[8]    Vgl. Dpa: Kontroverse Debatte über geplantes Schulgesetz in Thüringen. Süddeutsche Zeitung, 9. Dezember 2022. Der Entwurf des neuen Schulgesetzes wurde vom Thüringer Bildungsministerium am 28. Juni 2023 vorgestellt.

Bilder: Collage aus: Steffen Prößdorf: Christian Piwarz (Dezember 2013); Ailura: Eva Feußner (Dezember 2012; N-Lange.de: Karin Prien Gedenkveranstaltung am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Itzehoe am 30. Januar 2022; Sandro Halank: Helmut Holter beim Rennrodel-Weltcup in Oberhof am 2. Februar 2020. Alle Bilder von Wikimedia commons

Schreibe einen Kommentar