Passivität als Programm: Koch-, Talk- und Quiz-Shows

Die geheimen Botschaften des Fernsehens, Teil 6

Koch-, Talk- und Quiz-Shows verweisen uns bei zentralen Aspekten unseres Lebens auf die Zuschauerbänke. Sie erziehen uns zur Passivität, wo wir selbstbestimmt handeln sollten.

Die Koch-Show: Schau dich gesund!

Über das Publikum, das mit einem Stück Fertigpizza in der Hand den Gourmet-Künsten der Fernsehköche zuschaut, ist schon viel gelästert worden.

In der Tat wird hier ja die sorgsame Zubereitung einer Mahlzeit mit frischen Zutaten wie in einem musealen Schaukasten bestaunt. Der Reiz der Koch-Shows ergibt sich für viele offenbar gerade daraus, dass das Zelebrieren einer Mahlzeit und ihrer Zubereitung in Zeiten der Fast-Food-Kultur wie ein Verhalten von einem anderen Stern erscheint.

Die – wenn auch unbeabsichtigte – Wirkung von Kochshows, das Fernsehpublikum bei zentralen Aspekten ihres Alltagslebens zum bloßen Zuschauen zu verleiten, ist nun allerdings keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal von diesen. Eine ähnliche Wirkung geht auch von vielen anderen Fernseh-Shows aus.

Die Talkshow: Musterbeispiel eines demokratischen Diskurses?

Nehmen wir zum Beispiel die Talkshows. Hier ist es nicht das Kochen, sondern der Diskurs, dem passiv zugeschaut wird.

Nun könnte man natürlich argumentieren, dass der Diskurs zwar ein zentraler Baustein einer lebendigen Demokratie ist, die dafür notwendigen Fähigkeiten des aufmerksamen Zuhörens, schlüssigen Argumentierens und wertschätzenden Umgangs miteinander dem Menschen aber keineswegs in die Wiege gelegt werden. Anschauungsmaterial könnte in diesem Fall also durchaus hilfreich sein.

Allerdings bieten Talkshows ja keinesfalls Beispiele für einen idealen demokratischen Diskurs. Dies zeigt sich schon daran, dass es in ihnen stets einen „Master“ oder eine nicht weniger allmächtige Talk-Domina gibt. Diese entscheiden nicht nur mit ihrem Redaktionsteam darüber, wem das Vorrecht der öffentlichen Meinungsäußerung gewährt wird. Sie lenken vielmehr auch den Diskurs, indem sie Eingeladene zum Reden auffordern oder ihren Redefluss eindämmen.

Schulmeister und Talkmaster

Talkshows erinnern damit weniger an den demokratischen Diskurs als an das Klassengespräch in der Schule, wo der Schulmeister die Stelle des Talkmasters einnimmt. Auch hier ist es der Gesprächsleiter, der darüber entscheidet, wer wie viel in welcher Reihenfolge reden darf. Und auch hier führt dies dazu, dass diejenigen, die sich in ihrem Redebedarf zu stark eingeschränkt fühlen, mit Unmut und Zwischenrufen reagieren.

Ein demokratischer Diskurs ist immer ein gleichberechtigter Diskurs, bei dem alle die oben genannten Grundregeln internalisiert haben und beachten. Wird das Rederecht stattdessen als Gunsterweis von oben zugeteilt, so wird aus dem gemeinsamen Umkreisen eines Themas ein Wettkampf ums Rechthaben. Im schlechtesten Fall reden dann alle durcheinander. Am Ende setzen sich folglich nicht die besten Argumente durch, sondern das lauteste Organ und die giftigste Zunge.

So sind Talkshows eine reichlich absurde Veranstaltung: Die Demokratie sitzt auf den Zuschauerbänken und schaut ihrer eigenen Persiflage zu.

Quiz-Shows: Die Welt als Kreuzworträtsel

Wie Talkshows erinnern auch Quiz-Shows an die Schule. Auch hier gibt es einen

„Master“, der die Stelle des Schulmeisters einnimmt. Nur bezieht sich die Realsatire hier nicht auf den demokratischen Diskurs, sondern auf die Bildung.

Quiz-Shows sind ein Reflex des defizitären Bildungsbegriffs des deutschen Schulwesens. Wie in diesem erscheint auch in Quiz-Shows Bildung als Ansammlung isolierter Wissensinhalte, die wie bei einem Kreuzworträtsel per Reiz-Reaktions-Schema abgerufen werden.

Quiz-Shows erinnern damit an Klassenarbeiten oder allgemein an Prüfungssituationen, in denen das auswendig gelernte Wissen herausgewürgt wird – um im nächsten Augenblick wieder vergessen zu werden.

Im Vordergrund steht dabei nicht eine Sicht von Bildung, bei der es darum geht, dem Subjekt zur Selbstentfaltung und zur Orientierung in der Welt zu verhelfen. Wissen ist hier stattdessen Herrschaftswissen in einem doppelten Sinn. Die Auswahl der Wissensinhalte und die Art ihrer Vermittlung dienen dazu, die bestehenden Herrschaftsstrukturen abzusichern. Umgekehrt gilt auch: Wer die vermittelten Wissensinhalte unhinterfragt übernimmt und herunterbeten kann, bezeugt damit seine Übereinstimmung mit den herrschenden Strukturen und erlangt so leichter Zugang zu machtvollen gesellschaftlichen Positionen.

Der Quizmaster als Traumatherapeut?

Quiz-Shows knüpfen demnach an den fremdbestimmten Charakter schulischen Lernens an. In beiden Fällen dient das angeeignete Wissen nicht primär der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, sondern der Erlangung einer Belohnung. Was in der Schule die Noten sind, ist in der Quiz-Show das zu gewinnende Geld.

Abgesehen von der materiellen Belohnung ist es allerdings durchaus erstaunlich, dass Quiz-Shows sich ungebrochener Beliebtheit erfreuen. Schließlich verbinden die meisten mit den schulischen Prüfungssituationen ja nicht gerade angenehme Erfahrungen.

Sind Quiz-Shows also womöglich eine Art von öffentlicher Trauma-Therapie? Ein Versuch, das Erlittene zu bewältigen, indem man es wieder und wieder durchlebt? Aber wäre dafür nicht eine Umkehr der traumatisierenden Situation hilfreicher – also ein Frage-Antwort-Spiel, bei dem die schulischen Foltermeister selbst auf dem heißen Stuhl der Quiz-Show sitzen und das Bombardement der Fragen über sich ergehen lassen müssten?

2 Kommentare

  1. ich denke, dass solche rate-und kochshows deshalb geschaut werden, weil da dieses gefühl von „passiv zuschauen“ ein bisschen durchmischt ist mit „aktivität á la“: das kann ich ausprobieren oder da kann ich mit raten. oder: das kann ich nachkochen, also aktiv sein ist zumindest … möglich.

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    1. wobei das zuschauen sich ja immer vom teilnehmen unterscheidet, wie die teilnehmer solcher shows ja auch immer wieder aussprechen: zuhause vom sofa aus, fühlen sich die fragen ganz anders an. bei einer show kommt noch eine menge hinzu. für mich wäre das nichts. 🙂

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