Zum medialen Hype um das Bündnis Sahra Wagenknecht
Sahra Wagenknechts Egoshooter-Partei ist eine Fußnote im Lehrbuch des Populismus. Bedeutung erlangt sie einzig durch den medialen Hype, der um sie entfacht wird.
Personenkult als Programm
„Bündnis Sahra Wagenknecht“ – allein schon der Name der neuen Partei müsste misstrauisch machen. Eine Partei, die nach einer Person benannt ist, klingt verdächtig nach Führerkult. Sie weckt Erinnerungen an längst vergangen geglaubte Zeiten und ist alles andere als das, was die Partei ihrem Selbstverständnis nach sein will. Statt einer Frischzellenkur ist sie eher eine weitere Giftspritze für unsere Demokratie.
Dies gilt auch für den Beinamen, den die Partei sich als zusätzlichen Schmuck leistet – „Vernunft und Gerechtigkeit“. Nichtssagender geht es kaum. Denn: Welche Partei würde nicht den Anspruch erheben, für eben diese Schlagworte zu stehen?
Programmatische Nähe zur AfD
Auch die AfD würde nicht bestreiten, für „Vernunft und Gerechtigkeit“ zu sein. Und in der Tat gibt es zwischen der Wagenknechts Egoshooter-Partei und der deutschen Schmuddel-Partei eine nicht zu unterschätzende Schnittmenge. Beide definieren „Gerechtigkeit“ im Sinne eines „Wir da unten gegen die da oben“, und beide legen dabei die fremdenfeindliche Lunte an das nationalistische deutsche Pulverfass, indem sie nach einer Eindämmung der Migration rufen.
Beide Gruppierungen treten zudem für einen Kotau gegenüber dem insgeheim bewunderten Führer im Osten ein, sprich: für ein Wegsehen gegenüber dem Völkermord in der Ukraine. Denn eben dies wäre die Konsequenz der von AfD wie BSW erhobenen Forderung nach einem Ende der Waffenlieferungen an das überfallene Land.
Dass die Personenkult-Partei Kooperationen mit den Rechtsnationalen ausschließt, ist folglich weniger in inhaltlichen Differenzen als in taktischen Überlegungen begründet. Das schlechte Image der Paria-Partei soll nicht auf das eigene Projekt abstrahlen – Wählerschichten aus der rechtsnationalen Ecke sind aber offenbar willkommen.
Ein Gründungsvorschlag: Partei Eileen Eierkuchen – Frieden und Freude
Dass Sarah Wagenknecht eine eigene Partei gründet, ist nicht überraschend. Auch dass sie diese nach sich selbst benennt, verwundert kaum. Schließlich hat Wagenknecht sich als Dauer-Talkshow-Gast über Jahre hinweg immer wieder als ihr eigenes Programm präsentiert und Beschlüsse ihrer bisherigen Partei an ihr persönliches Profil angepasst oder schlicht ignoriert.
Erstaunlich ist etwas anderes. Nehmen wir an, eine Frau Eileen Eierkuchen würde heute die „Partei Eileen Eierkuchen – Frieden und Freude“ gründen – würde das wohl irgendjemand zur Kenntnis nehmen?
Nein, natürlich nicht. Der Grund dafür ist jedoch weniger, dass dies sofort als Satire erkannt würde – schließlich ist auch über die einst von Titanic-Redakteuren in satirischer Absicht gegründete Gruppierung „Die Partei“ berichtet worden. Dass Eileen Eierkuchens Partei kein mediales Echo beschieden wäre, läge vor allem an der mangelnden Bekanntheit der Gründerin.
Mediale Aufmerksamkeit: Ein Henne-Ei-Problem
Dies klingt zunächst nach einer banalen Feststellung. Aufmerksamkeit ist nun einmal die wichtigste Währung der Medien. Was unterhalb einer gewissen Aufmerksamkeitsschwelle liegt, findet keine Beachtung, da es auf mangelndes Interesse stoßen und daher die Quote senken würde. Geringe Quote bedeutet aber: geringere Werbeeinnahmen, geringere Zuwendungen, Bedeutungslosigkeit.
Allerdings stellt sich hier die Frage: Was ist zuerst da – die Person, die Aufmerksamkeit erregt, oder die Medien, die ihr dabei helfen, diese Aufmerksamkeit zu erzeugen?
Im Grunde haben wir es hier mit einem Henne-Ei-Problem zu tun. Manche Personen und Themen eignen sich eher für die Generierung von Aufmerksamkeit, also werden sie von den Medien eher aufgegriffen, was wiederum den Fokus auf sie verstärkt. So setzt ein sich selbst verstärkender Kreislauf ein, an deren Ende dann bestimmte Personen eine Art Ehe mit den Medien eingehen.
Mediale Aushöhlung der Demokratie
Dieser Mechanismus ist an Sahra Wagenknecht gut zu beobachten. Sie ist telegen, sie hat eine quotenträchtige Ost-West-Biographie und durch die Partnerschaft mit Oskar Lafontaine einen gewissen Glamour-Faktor. Außerdem bedient sie mit ihrer intellektuell verbrämten Fremdenfeindlichkeit das Unbehagen einer bürgerlichen Mitte, die sich gerne weltoffen gibt, aber daheim dennoch lieber unter sich bleiben möchte.
So ist diese Politikerin ebenso ein Produkt der Medien wie sie diese dazu benutzt, für sich zu werben und sich als Person des öffentlichen Lebens zu inszenieren. Beides ist so lange kein Problem, wie es den Grundsatz der Gleichheit bei Wahlen nicht beeinträchtigt.
Eben dies aber geschieht derzeit. Der neuen Partei wird eine Aufmerksamkeit zuteil, von der andere Kleinparteien oder Parteigründungsprojekte nur träumen können. Die Folge ist, dass die Medien nicht mehr – wie es in einer freien Demokratie der Fall sein sollte – als Katalysator der politischen Meinungsbildung fungieren, sondern diese durch einseitige Schwerpunktsetzungen in bestimmte Bahnen lenken.
Auf diese Weise nähern wir uns Zuständen an, wie sie in denselben Medien regelmäßig kritisiert werden, wenn es um Wahlen in autoritären Staaten geht. Dann heißt es oft: Ja, die Abstimmung war in formaler Hinsicht in Ordnung, aber sie war dennoch nicht frei, weil in den Medien nur die herrschende Elite präsent war.
Von der Demokratie zur Mediokratie
Davon, zur „herrschenden Elite“ zu gehören, ist die neue Wünschdirwas-Partei zwar glücklicherweise noch weit entfernt. Dennoch wird ihrer Führerin aufgrund ihrer engen Beziehung zu den Medien ein Aufmerksamkeitsbonus eingeräumt, der wie kostenlose Wahlwerbung wirkt.
Dies mag im Privatfernsehen entschuldbar sein. Hier ist man nicht demokratischen Prinzipien, sondern in erster Linie den Bilanzen und den „Shareholdern“ verpflichtet. Für die öffentlich-rechtlichen Medien sollten jedoch Standards gelten, die strengeren demokratischen Maßstäben genügen.
Entscheidend dürfen hier nicht Personen sein und ihre Fähigkeit, auf der Klaviatur der Medien zu spielen. Im Mittelpunkt sollten vielmehr die Inhalte stehen, für deren Präsentation allen Parteien die gleiche mediale Bühne eingeräumt werden muss. Ansonsten bewegen wir uns von einer Demokratie auf eine Mediokratie zu, in der in Hinterzimmern von Rundfunkanstalten über das politische Führungspersonal entschieden wird.
Bild: Frank Markham Skipworth (1854 – 1929): Der Spiegel (1911); Wikimedia commons
Über JournalistInnen und ihr demokratisches Reflexionsvermögen kann man sich täglich wundern. Ich finde die Gedanken hier wichtig. Medialer Hype sagt nichts über die Qualität politischer, gesellschaftlicher Debatten aus.
LikeGefällt 1 Person
Sehr gute Kritik an Wagenknechts Vorgehen!- Das Essay ist auch recht unterhaltsam. Stellenweise musste ich lachen: Die Bildauswahl 😉 Ja und Partei Eileen Eierkuchen – Frieden und Freude :-D. Natürlich gilt diese programmatische Dümmlichkeit auch für andere Parteien. Was aber Sorgen bereitet ist die inhaltliche Nähe zur AFD und die Verharmlosung des russischen Vorgehens gegen die Ukraine. Was stellen sich denn Sahra und Alice unter Friedensverhandlungen vor? – „Wolodja, weil du schön viele Wohnhäuser, Kindergärten, Krankenhäuser in Grund und Boden gebombt, tausende Menschen umgebracht, Kinder verschleppt hast, hast foltern und plündern lassen, schenken wir dir jetzt die Ukraine. Demokratie für slawische Völker wird überbewertet. Es wäre doch schön, wenn du in deinen Vasallenstaaten auch alle, die dich kritisieren, internieren könntest.“ – Ich glaube, das Bündnis Sahra Wagenknecht denkt gar nicht so, sondern ist rein nationalistisch und populistisch: Billiges Gas für die potentiellen WählerInnnen, egal welches und wessen Blut daran klebt! Tja und die MitstreiterInnen: Oskar hat die letzten 30 Jahre gepennt und nicht mitbekommen, wie sich Russland verändert hat und dass die Sowjetunion nicht mehr besteht. Er will mit der Politik von Vorgestern aus den Zeiten des kalten Krieges die Probleme von morgen lösen. Dass hier die Weltordnung, die zwar teilweise fragwürdig, aber einigermaßen stabil war in Frage steht und Putins Verhalten andere skrupellose Diktatoren von Nordkorea über China bis Iran ermuntert, Eroberungskriege zu führen, hat das Bündnis nicht auf dem Schirm. Und Alice?- Die ist meiner Einschätzung nach dement. Sie ist der Meinung, dass sich Russland in der Ukraine nur verteidigt. Wer dieses Bündnis wählt, zeigt, dass es keinerlei Durch- oder Einblick in irgendetwas hat.
LikeLike
Sehr gute Kritik an Wagenknechts Vorgehen!- Das Essay ist auch recht unterhaltsam. Stellenweise musste ich lachen: Die Bildauswahl 😉 Ja und Partei Eileen Eierkuchen – Frieden und Freude :-D. Natürlich gilt diese programmatische Dümmlichkeit auch für andere Parteien. Was aber Sorgen bereitet ist die inhaltliche Nähe zur AFD und die Verharmlosung des russischen Vorgehens gegen die Ukraine. Was stellen sich denn Sahra und Alice unter Friedensverhandlungen vor? – „Wolodja, weil du schön viele Wohnhäuser, Kindergärten, Krankenhäuser in Grund und Boden gebombt, tausende Menschen umgebracht, Kinder verschleppt hast, hast foltern und plündern lassen, schenken wir dir jetzt die Ukraine. Demokratie für slawische Völker wird überbewertet. Es wäre doch schön, wenn du in deinen Vasallenstaaten auch alle, die dich kritisieren, internieren könntest.“ – Ich glaube, das Bündnis Sahra Wagenknecht denkt gar nicht so, sondern ist rein nationalistisch und populistisch: Billiges Gas für die potentiellen WählerInnnen, egal welches und wessen Blut daran klebt! Tja und die MitstreiterInnen: Oskar hat die letzten 30 Jahre gepennt und nicht mitbekommen, wie sich Russland verändert hat und dass die Sowjetunion nicht mehr besteht. Er will mit der Politik von Vorgestern aus den Zeiten des kalten Krieges die Probleme von morgen lösen. Dass hier die Weltordnung, die zwar teilweise fragwürdig, aber einigermaßen stabil war in Frage steht und Putins Verhalten andere skrupellose Diktatoren von Nordkorea über China bis Iran ermuntert, Eroberungskriege zu führen, hat das Bündnis nicht auf dem Schirm. Und Alice?- Die ist meiner Einschätzung nach dement. Sie ist der Meinung, dass sich Russland in der Ukraine nur verteidigt. Wer dieses Bündnis wählt, zeigt, dass es keinerlei Durch- oder Einblick in irgendetwas hat.
LikeLike
Danke für das lesenswerte Essay!- Das einzig Gute: Die Parteien der Putin-Freunde und fremdenfeindlichen Nationalisten werden sich gegenseitig Stimmen wegnehmen.
LikeLike