Zur populistischen Rhetorik Sahra Wagenknechts
Hinter Sahra Wagenknechts wohlklingenden Worten verbirgt sich eine rechtspopulistische Agenda, die nahtlos an die Rhetorik von Trump und AfD anknüpft. Wo sie „Vernunft“ predigt, bedient sie de facto irrationale Ressentiments.
Trump und Wagenknecht
Gestern haben mal wieder zwei Größen der Weltpolitik ihre goldenen Worte auf uns herabregnen lassen: Donald Trump und Sahra Wagenknecht [1].
Beide haben sich mit recht ähnlichen Botschaften zu Wort gemeldet. Kerninhalt: Die westliche Zivilisation ist bedroht. Abwenden lässt sich die Bedrohung nur, wenn das darbende Volk nach dem Rettungsring in Gestalt eben jener Personen greift, die vor dieser Bedrohung warnen. Der Ritter in dem stählernen Turm bzw. die Ritterin auf dem braunen Pferd werden dann mit einem entschlossenen Hieb ihres Schwertes den Bedrohungsdrachen in die Flucht schlagen.
Das Gesicht des Drachen trägt bei Trump und Wagenknecht ebenfalls recht verwandte Züge. Die wesentlichen Elemente sind: das Kriegerische und das Fremde.
„Das Fremde“ konkretisiert sich natürlich im Sinne von „die Fremden“. Trump und Wagenknecht stimmen hier im Duett das Klagelied von der Migrationswelle an, die das eigene Volk angeblich überrolle und es um seinen Wohlstand bringe.
Dabei muss man Trump zugutehalten, dass er in diesem Punkt immerhin transparenter ist. Er hat überhaupt kein Problem damit, von Schutzsuchenden wie von migrantischem Dreck zu reden, der weggekehrt werden müsse. Wagenknecht dagegen überzieht ihre fremdenfeindliche Agenda mit dem Zuckerguss eines argumentativen Mixes aus angeblicher „wirtschaftlicher Vernunft“ und der staatsfraulichen Sorge um den sozialen Frieden in diesem unserem Lande [2].
Die Förderung des Krieges als Friedensprojekt
Bei dem Aspekt der kriegerischen Bedrohung schlagen Trump und Wagenknecht ebenfalls die gleiche Tonlage an. Wagenknecht leitet ihre Behauptung einer „erhöhten Kriegsgefahr“ wie Trump seine düstere Warnung vor dem „Dritten Weltkrieg“ von der militärischen Unterstützung für die Ukraine ab. Nicht Russland gefährdet in dieser Lesart mit seinem brutalen Angriffskrieg den Weltfrieden, sondern der die Ukraine in ihrem Abwehrkampf unterstützende Westen.
In beiden Fällen wird diese Unterstützung zusätzlich mit wirtschaftlichen Argumenten abgelehnt. Das Geld für die Ukraine müsse eher der eigenen Bevölkerung zugutekommen. Wagenknecht argumentiert außerdem mit der Notwendigkeit einer Energiepartnerschaft mit Russland [3]. Die Kernbotschaft: Lieber hier Wohlstand mit russischem Gas als Hilfe für die terrorisierte ukrainische Bevölkerung auf Kosten westlichen Wohlstands.
Die Argumentation, dem Frieden durch einen Stopp der Waffenhilfe für die Ukraine näherzukommen, ist dabei in beiden Fällen nicht stichhaltig. Trumps isolationistische Argumentation ist schon im Ersten und Zweiten Weltkrieg rasch in eine Sackgasse geraten. Schon damals, noch vor der Globalisierung, musste die USA einsehen, dass weder politische Freiheit noch freier Handel auf Dauer aufrechtzuerhalten sind, wenn der Weltfrieden von imperialistischen oder faschistischen Mächten bedroht ist.
In Wagenknechts Fall ist die Behauptung, die Beendigung der militärischen Unterstützung für die Ukraine sei friedensstiftend, noch weniger stichhaltig. Denn der Terrorpate im Kreml arbeitet seine Überfallpläne systematisch ab. Wenn er in der Ukraine nicht aufgehalten wird, rückt er einfach immer weiter gen Westen vor. Nichts fördert also die Kriegsgefahr für den Westen so sehr wie eine nachlassende Militärhilfe für die Ukraine.
Roter Teppich für die Putin-Versteherin in den Medien
Einen großen Unterschied zwischen dem Trump- und dem Wagenknecht-Interview gibt es aber doch. Dieser bezieht sich auf das Medium, in dem das Interview jeweils übertragen wurde.
Trump wurde vom (H)Echsenmeister Elon Musk hofiert. Wagenknecht dagegen durfte ihre Trumpiaden im Deutschlandfunk zum Besten gegeben.
Dass Musk neuerdings zum Trump-Fan geworden ist, überrascht kaum. Er verspricht sich davon wirtschaftliche Vorteile, die er nach den waghalsigen Finanzmanövern der letzten Zeit dringend benötigt. Auch bei den anderen Hofstaat-Sendern von Trump ist einsichtig, warum sie den Möchtegern-Weltretter umgarnen. Sie sind ebenso auf Fake-News abonniert wie der Fake-Papst. Dies gilt natürlich auch für ihre Kundschaft, die sie auf diese Weise werbeträchtig an sich binden können.
Aber der Deutschlandfunk? Gab es da nicht in der Vergangenheit unzählige Erhobene-Zeigefinger-Berichte über die Gefahr von Fake-News und die Verbreiter „alternativer Fakten“ wie Trump, aber auch russische Propagandasender wie Russia Today? Wieso wird dort also auf einmal einem Putin-Papagei der rote Teppich ausgerollt?
Schließlich ist der Deutschlandfunk hier ja kein Einzelfall. Der MDR hat der Putin-Versteherin erst kürzlich eine ganze Sendung gewidmet. Und auch Talkshows stellen sich Wagenknecht immer wieder als kostenlose Wahlkampfplattform zur Verfügung.
Eine Partei für Salonkommunisten
Wenn US-amerikanische Privatsender Trump hofieren, mag das zwar im Sinne des Schutzes der Demokratie bedenklich sein. Rein formal ist es aber das gute Recht kommerziell orientierter Sender, bei ihrer Programmgestaltung schlicht auf die Quote zu schauen.
Dies ist bei öffentlich-rechtlichen Sendern anders. Sie müssten – gerade im Vorfeld von Wahlen – durchaus auf Ausgewogenheit achten. Außerdem erweist sich gerade an einer Fake-Päpstin wie Wagenknecht, ob die öffentlich-rechtlichen Medien ihren eigenen Anspruch, gegen die Verbreitung von Propaganda und realitätsverzerrender Argumentation vorgehen zu wollen, einlösen.
So stellt sich die Frage, warum sie diesen Anspruch im Falle der Totengräberin der Linken fast schon lustvoll über Bord werfen. Die einleuchtendste Erklärung dafür ist wohl, dass Wagenknecht mit ihrem progressiven Anschein und ihren rechtspopulistischen Inhalten einem verbreiteten Bedürfnis von Salonkommunisten entgegenkommt: dem Bedürfnis, sich progressiv geben, gleichzeitig aber kompromisslos egoistisch handeln zu können.
Mitleidslose Ich-zuerst-Politik
Dass Wagenknechts Führerinnenpartei für mehr soziale Gerechtigkeit eintritt, steht hierzu nicht im Widerspruch. Schließlich stand auch bei der rechtspopulistischen polnischen PiS-Regierung die Verteilung sozialer Wohltaten ganz oben auf der Agenda – um mit diesem Sedativum weite Teile der Bevölkerung davon abzuhalten, gegen den Abbau des Rechtsstaats ihre Stimme zu erheben
Vor dem Hintergrund der Mitleidslosigkeit, die Wagenknecht und ihre Getreuen gegenüber dem Leid der Menschen in der Ukraine an den Tag legen, übersetzt sich ihre Gerechtigkeitsrhetorik in eine reine Ich-zuerst-Politik. Es geht hier eben nicht um Frieden und schon gar nicht um Freiheit, sondern schlicht darum, alle moralischen Bedenken in den Keller zu verfrachten und sich nur noch am eigenen Wohlergehen zu orientieren.
Dieses Wohlergehen buchstabiert sich dabei zum einen rein materiell und ist zum anderen kurzfristig orientiert. An das, was morgen passiert, wenn man mit der eigenen Blindheit nebenan einen Tyrannen großfüttert, ist dabei nicht gedacht.
Nachweise
[1] Ich beziehe mich hier auf ein Interview von Elon Musk mit Donald Trump und auf ein Interview von Sahra Wagenknecht im Deutschlandfunk: Sahra Wagenknecht sieht wachsende Kriegsgefahr (13. August 2024, Interviewer: Moritz Küpper).
[2] Vgl. Bündnis Sahra Wagenknecht: Unser Parteiprogramm (PDF), S. 1 und 4.
[3] Vgl. ebd., S. 1.
Bild: KI generiert
Ich sehe dies genau so.
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