Über die Versuche, Donald Trumps Wortkanonaden zu deuten
Jeden Tag überfällt Donald Trump die Welt mit neuen verbalen Ausbrüchen. Seit er Präsident ist, wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Dabei ist nicht das Was, sondern das Wie seiner Kommunikation von entscheidender Bedeutung.
Ein Präsident mit der Psyche eines ungezogenen Kleinkinds
Man nehme einen roten Luftballon, pumpe ihn mit Luft voll und frage sich dann, was die entweichende Luft bedeutet: So kommt es mir vor, wenn nun immer wieder darüber spekuliert wird, was Donald Trump wohl mit seinen bizarren Äußerungen bezweckt.
Ein Hohlkopf bleibt ein Hohlkopf, auch wenn man ihn zum Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt wählt. Trump funktioniert nicht nach dem Prinzip „Erst denken, dann reden, dann handeln“. Er ist ein impulsiver Psychopath, dessen Handeln der Logik von Kleinkindern folgt, die um jeden Preis ihren Willen durchsetzen wollen.
Wenn man ihm sagt, dass Grönland nun einmal nicht zu den USA gehört, antwortet er: „Trumpi will aber haben, haben, haben!“
Wenn man ihm sagt, dass die Erdölförderung den Ausstoß klimaschädlicher Gase fördert, antwortet er: „Trumpi will aber Öl pumpen! Will Taler haben!“
Wenn man ihm sagt, dass Russland eine Bedrohung für den Weltfrieden ist, antwortet er: „Trumpi mag aber den Wladimir! Will auch so mächtig sein!“
Und natürlich reagiert Trumpi mit Wutausbrüchen, wenn man ihm widerspricht. Was ihn dabei von einem Kleinkind unterscheidet, ist allein die Tatsache, dass er die Menschen mit besonderer Perfidie beleidigt und sie stets dort zu treffen versucht, wo es am meisten wehtut.
Trump und seine Entourage: Zwei Gefahrenkategorien
Die Tatsache, dass Trumps Handeln von einem kindischen Narzissmus bestimmt ist, bedeutet nun allerdings nicht, dass er ungefährlich wäre. Ganz im Gegenteil. Von einem Menschen mit der Psyche eines ungezogenen Kleinkinds, das man auf den Thron einer Supermacht setzt, geht natürlich eine immense Gefahr aus.
Dies liegt nicht nur an der unvorhersehbaren, unkontrollierten Handlungsweise von Trump selbst. Die ganze Dimension der Bedrohung, die von ihm ausgeht, entfaltet sich erst durch die Menschen in seinem Umfeld.
Dabei muss unterschieden werden zwischen den hohlköpfigen Ebenbildern, mit denen Trump sich mit Vorliebe umgibt, und jenen, die nur so tun, als wären sie Speichellecker, sich dabei aber Trumps Hohlköpfigkeit für ihre eigenen Interessen zunutze machen. Beide sind gleichermaßen gefährlich.
Zur ersten Kategorie zählt etwa Robert Kennedy, der neue US-amerikanische Gesundheitsminister, der als erklärter Impfskeptiker derzeit dabei ist, die Gesundheitsbehörden von Gegnern seiner verschwörungstheoretisch inspirierten Politik zu säubern. Dies könnte schlimmstenfalls in eine neue Pandemie münden. So könnten die Säuberungen beispielsweise dazu führen, dass die Ausbreitung der Vogelgrippe nicht mehr so lückenlos überwacht wird wie bisher. Letzteres ist aber unerlässlich, um angemessen auf das schon jetzt zu beobachtende Überspringen des Erregers auf Rinder und vereinzelt auch bereits auf Menschen zu reagieren.
Zur zweiten Kategorie zählt an erster Stelle Elon Musk, der als Einflüsterer Trumps nicht nur seine wirtschaftlichen Interessen zu fördern versucht, sondern dafür auch eine neoimperiale, auf die Ausbeutung von Rohstoffen für seine Unternehmen zielende Strategie verfolgt. Da dies mit weniger demokratischer Kontrolle leichter zu bewerkstelligen ist, unterstützt er weltweit Parteien, die für einen autoritäreren Politikstil stehen. In Deutschland ist dies die AfD, in Großbritannien Nigel Farages Reform-UK-Partei.
Notwendigkeit eines Reeducation-Programms für die USA
Der richtige Umgang mit Trump und seiner Entourage besteht, so gesehen, nicht darin, sich mit Exegesen der aus dem Inneren des Machtzirkels entweichenden Worthülsen zu beschäftigen. Entscheidend ist es vielmehr, sich über die Natur des nicht von rationalen Überlegungen, sondern von Macht- und Profitinteressen bestimmten Handelns klarzuwerden.
Der Mann mit der heißen Luft im Kopf hat die Präsidentschaftswahl in den USA nur relativ knapp gewonnen: mit 77,3 zu 75 Millionen Stimmen. Die Hälfte der Wählerschaft wollte ihn also nicht als Präsident haben. Dennoch hat er nun die Macht, die USA in eine Richtung zu lenken, die von jenen Werten wegführt, für welche die USA einst standen.
Das Reeducation-Programm, das die USA mit ihren Verbündeten nach 1945 in Nazi-Deutschland aufgelegt haben, bräuchte es nun im Grunde auch für einen Großteil der US-amerikanischen Bevölkerung. Im Kern würde es dabei um die Vermittlung eines Gespürs dafür gehen, wie unauflöslich die Demokratie verbunden ist mit kritisch-rationalem Denken, dem unbedingten Bekenntnis zu humanitären Werten und dem Eintreten für ein humanitäres, vom friedlich-wertschätzenden Umgang der Staaten miteinander bestimmtes Völkerrecht.
Abkehr von der Vorstellung einer Führungsrolle der USA
Ein solches Programm wird es in den USA nicht geben. Umso wichtiger ist es, dass wir uns von dem durch eben dieses Reeducation-Programm in uns eingeimpften Gedanken lösen, dass die USA ein Vorbild an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für uns sind. Stattdessen müssen wir Gegenmodelle zum gegenwärtigen Abdriften der US-Administration und teilweise auch der US-Gesellschaft in autoritäre Denk- und Handlungsmuster entwickeln.
Dies bedeutet:
- klare Zurückweisung aller Einmischungsversuche in deutsche und europäische Politik, mit dem Ziel, rechtspopulistische und rechtsnationale Kräfte zu fördern;
- Ablehnung der angemaßten Führungsrolle der USA beim Umgang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine;
- erhöhte Sensibilität für propagandistische Narrative;
- selbstbewusste Reaktion auf die erpresserische Handelspolitik der Trump-Administration.
Vor allem aber müssen wir endlich erkennen, dass Demokratie und Führertum sich auf radikale Weise ausschließen. Wer das Volk führen will oder sich nach Führern sehnt, hinter deren Rücken man blind in ein goldenes Nichts schreiten kann, verlässt den Weg der Demokratie.
Bild: Gustav Vigeland (1869 – 1943): Der kleine Trotzkopf; Statue im Osloer Vigeland-Skulpturenpark; Foto von Balou46 auf Wikimedia commons