Eine linke Liebeserklärung an Angela Merkel
Super, SPD! Wieder jemanden vom Chefposten weggemobbt! Dieses Mal sogar die erste Frau, die es in der Geschichte der Partei ganz nach oben geschafft hat!
Applaus, ihr Salon-Sozis! Das Wahlvolk wird euch dafür lieben. Beeindruckend, wie ihr euch zu eurem Markenkern bekennt! Das nenne ich Basta-Politik vom Feinsten. Seid umschlungen, Machokraten! Nun müsst ihr euch nur noch in MPD umbenennen, dann weiß jeder gleich, woran er ist.
Ja, ich weiß, auch die CDU versteht sich prächtig aufs Mobben. Und auch da reißt sich niemand zusammen, wenn es um die Parteivorsitzende geht. Aber: Noch ist Mama Merkel da, noch hat sie sich nicht wegekeln lassen.
Wirkt sie nicht fast schon befreit, seit sie vom Parteivorsitz zurückgetreten ist und angekündigt hat, bei den nächsten Wahlen nicht mehr als Spitzenkandidatin ihrer Partei zu kandidieren? Tritt sie seitdem nicht noch souveräner auf? Passt ihr das Gewand der Weltpolitikerin jetzt nicht noch besser als zuvor?
Donald Trump in dessen Höhle, vor johlenden Studierenden, die Leviten lesen, mit Worten die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen, aber ohne seinen Namen zu nennen, so dass er nur wie ein heiseres Gorillamännchen nach Luft schnappen kann – das muss ihr erst mal jemand nachmachen!
Natürlich hat Angela Merkel ihre Fehler, viele ihrer politischen Entscheidungen kann man kritisch sehen. Als Staatsfrau weist sie jedoch eine Reihe von Eigenschaften auf, die Respekt oder gar Bewunderung verdienen. Beispielsweise polemisiert sie nicht, und sie schafft es, stets unaufgeregt zu wirken, auch wenn sie noch so hart angegangen wird. Das hat sie schon vor Beginn ihrer Kanzlerschaft bewiesen, in dem legendären Rededuell mit Basta-Mann Schröder, der meinte, ihr mit seinem überraschend starken, aber eben nicht ausreichend starken Wahlergebnis den Weg ins Kanzleramt versperren zu können.
Angela Merkel hat uns auch etwas vorgemacht, wovon die SPD noch weit entfernt ist: nämlich wie normal es sein kann, dass eine Frau an der Spitze des Staates steht. Ihr Geschlecht spielt für ihre Kanzlerschaft keinerlei Rolle. Sie ist auf dem Posten, weil sie ihn gut ausfüllen kann. Punkt. Nicht anders als es Männer jahrhundertelang von sich behauptet haben (ohne diesem Anspruch notwendigerweise gerecht zu werden).
Großen Respekt verdient Merkel selbstverständlich auch für die spontane Hilfsbereitschaft, mit der sie seinerzeit die Grenzen für die Flüchtlinge geöffnet hat. Ja, sie hätte dem spontanen Impuls besser eine durchdachte Integrationspolitik folgen lassen sollen. Zudem hat sie diese Entscheidung, die ihr in ihrer eigenen Partei so viel Kritik eingebracht hat, mittlerweile wohl sogar selbst bereut. Längst hebt auch sie die Hand, wenn es darum geht, die Grenzwälle hochzuziehen, selbst auf die Gefahr hin, dass dadurch Menschen auf der Flucht im Meer ertrinken. Aber damals, in der konkreten Krisensituation, hat sie eben etwas gezeigt, was ich mir bei 99 Prozent der Mächtigen dieser Welt gar nicht mehr vorstellen kann: Mitgefühl.
So stellt sich die Frage, ob die heftige Kritik, die sich unsere Kanzlerin vor der Wahl gerade von jungen WählerInnen anhören musste, nicht zum Bumerang wird. Es mag ja sein, dass sie in der Klimapolitik selbst die Latte zu hoch gehängt hat. Andererseits wird das Klima nun mal nicht in Deutschland gemacht – auch wenn man das bei all dem Wetteifern um die ambitioniertesten Klimaziele manchmal denken könnte. Für einen wirksamen Klimaschutz braucht es vielmehr eine gemeinsame Anstrengung aller Völker dieser Erde. Und um diese Anstrengung zu meistern, brauchen wir wiederum Staatsfrauen wie Angela Merkel, die durch ihr Ansehen und ihr Verhandlungsgeschick andere davon überzeugen können, wirksame Maßnahmen zur Rettung des Klimas zu ergreifen.
In Krisenzeiten, so zeigt sich immer wieder, schwillt der Ruf nach dem starken Führer an. Ich habe dafür nie Verständnis gehabt. Aber jetzt, wo uns die ganze deutsche Politik um die Ohren zu fliegen droht, kann ich dieses Bedürfnis zum ersten Mal nachempfinden. Nur dass ich mich eben nicht nach irgendeinem neuen starken Führer sehne, sondern darauf hoffe, dass wir unsere momentane Kanzlerin-Mutter nicht verlieren.
Der weltweite Vormarsch der Populisten, die zersplitternde Parteienlandschaft, die institutionellen Konflikte in der Europäischen Union, der Klimawandel, der Konflikt um den Iran, das Twitter-Baby Trump – bei all den vielen Krisenherden wäre es Irrsinn, ausgerechnet jetzt diese weltweit geachtete, Brücken bauende Staatsfrau in Frührente zu schicken.
Aber was soll man machen? Wenn die Große Koalition zerbricht, ist der Worst Case ja praktisch nicht mehr zu verhindern. Oder vielleicht doch? Ich wüsste da was …
Angela Merkel hat ja schon jetzt eine überparteiliche Ausstrahlung. Es ist im Grunde egal, ob sie in der CDU oder bei der SPD ist. Deshalb lautet mein Vorschlag: Angela Merkel tritt in die SPD ein und übernimmt dort den Parteivorsitz. Davon hätten alle was: das Land, das dann seine Kanzlerin behalten könnte, ohne dass Merkel ihr Versprechen, nicht mehr für die CDU als Kanzlerkandidatin anzutreten, brechen müsste; die CDU, weil sie endlich die Miesepeterkandidatin aufstellen könnte, die sie verdient; und die SPD, weil sie dann auch mal jemanden an der Spitze hätte, der unerreichbar wäre für die Steinwürfe der Mobber.
Bild: Diana Kuehn (dianakuehn30010): Angela Merkel (Pixabay)
Ja, wir werden noch wehmütig an Angela Merkel denken. Das Geheimnis ihres Erfolges ist manchmal auch, dass sie ihre Grenzen kennt. Sie weiß in welchem System sie agiert. ich bin ja sowieso Merkel Fan. Sie ist bewundernswert mit ihrer Ruhe. Und – ich bewundere auch ihren Mann, der in aller Ruhe mit ihr lebt und völlig uneitel ist. Manchmal frage ich mich, ob sie nicht doch noch ein internationales Amt übernimmt.
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