Renaud: Dès que le vent soufflera (Sobald der Wind sich erhebt)

Musikalische Sommerreise 2021Auf zu neuen Ufern!

Die diesjährige musikalische Sommerreise auf rotherbaron steht unter dem Motto „Auf zu neuen Ufern!“ Sie führt uns zu Lieder-Inseln, die eine mitreißende Stimmung verbreiten und uns so Mut machen können für den Neuanfang nach der Corona-Krise. Den Anfang macht ein Lied des französischen Chansonniers Renaud.

Schon im vergangenen Sommer hatte ich nach der langen Corona-Leidenszeit eine unbändige Lust auf Ekstase: ein Verlangen nach Spaß, Sich-Austoben und Vergnügen, danach, alles hinter sich zu lassen und sich den Wind des Lebens wieder maskenfrei um die Nase wehen zu lassen.
Das Ergebnis war eine musikalische Sommerreise, die ganz den verschiedenen Facetten des Tanzes gewidmet war – und der befreienden Kraft, die er in seinen unzähligen Ausprägungen entfaltet. Der Rausch des Tanzes sollte ein Ventil sein, um all den Corona-Frust in Luft aufzulösen und wieder neu durchzustarten. So erhielt diese Sommerreise auch den Titel Tanz aus der Krise.
Diesen Sommer, nach einem weiteren Corona-Jahr, fühle ich mich allerdings nur noch erschöpft. Tanzen wäre mir viel zu anstrengend. Deshalb begebe ich mich in diesem Jahr auf eine reine Vergnügungsreise, mit einem Best-Of an Songs, die ein hohes Gute-Laune-Potenzial aufweisen.
Den Anfang macht heute ein Lied des französischen Chansonniers Renaud, das wie kaum ein anderes zu unserer derzeitigen Situation passt. Es ist ein Chanson über den Mut, in See zu stechen und zu neuen Ufern aufzubrechen, sich über alle Zweifel und Zweifler hinwegzusetzen und einfach seinem inneren Kompass zu folgen.
Getreu dem schönen Motto des tschechischen Dichterpräsidenten Václav Havel: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas sinnvoll ist, unabhängig davon, wie es ausgeht.“
Der 1952 geborene Renaud (eigentlich Renaud Séchan) war in den 1990er Jahren zeitweise auch als Kolumnist für die satirische Wochenzeitschrift Charlie Hebdo tätig. Er ist außerdem verschiedentlich in Filmen auftreten, u.a. 1993 in der Verfilmung des 1885 erschienenen Romans Germinal, in dem Émile Zola das Leid der Bergarbeiter seiner Zeit beschreibt.
Das gesellschaftskritische Engagement, das sich in diesen Aktivitäten manifestiert, spiegelt sich in Renauds Liedtexten in einer betont unprätentiösen Ausdrucksweise wider, die durch umgangssprachliche Elemente und Anleihen beim Argot, der französischen „Gaunersprache“, geprägt ist.
Renaud ist einer dieser Sänger, die eine ungeheure Bühnenpräsenz haben. Wer ihn nicht nur hört, sondern ihn sein Chanson auch singen und mit Leben erfüllen sieht, hat das Gefühl, gemeinsam mit ihm durch den berauschenden Gesang des Meeres zu gleiten. Deshalb die Empfehlung: Unbedingt die Live-Version anklicken!

Nachweis Havel-Zitat: Václav Havel Library Foundation (havel80.cz)

Renaud: Dès que le vent soufflera („Sobald der Wind sich erhebt“) aus: Morgane de toi (1983)

Live (1986)

Album-Fassung (1983)

Übersetzung

Sobald der Wind sich erhebt

Nicht der Mensch ergreift die Entscheidung für das Meer –
es ist das Meer, das den Menschen ergreift.
Mich hat das Meer, wenn ich mich recht erinnere,
an einem Dienstag zu sich genommen.
Ich habe meine Stiefel
und meine abgetragenen Klamotten
gegen ein paar alte Bootsschuhe eingetauscht
und die dreckigen Spießer einfach stehen lassen
mit ihren ewigen Sei-bloß-vorsichtig-Litaneien:
„Das Meer ist eklig –
da schwimmen ja Fische drin!“

Sobald der Wind sich erhebt,
werde ich aufbrechen.
Sobald der Wind dreht,
werden wir in See stechen.

Nicht der Mensch ergreift die Entscheidung für das Meer –
es ist das Meer, das den Menschen ergreift.
Mich hat das Meer
dummerweise kalt erwischt.
Mir war so verdammt übel
auf dem wütenden Meer,
dass ich mich stundenlang
und nächtelang übergeben musste.
Ich habe mich überall gestoßen,
ich habe in feuchten Laken geschlafen.
Ich musste meine Entscheidung teuer bezahlen,
und trotzdem: Es ist das reine Vergnügen, einfach der Hammer!

Sobald der Wind sich erhebt …

Ho, ho, ho, hisst die Segel, ho, ho, ho …

Nicht der Mensch [Mann] ergreift die Entscheidung für das Meer –
es ist das Meer, das den Menschen [Mann] ergreift.
Aber es ergreift nicht die Frau,
die lieber an Land bleibt.
Meine erwartet mich am Hafen,
vorne am Pier.
Der Horizont verliert sich
in ihren verheulten Augen.
Sie sitzt auf einem Poller
an der Kaimauer und weint
um ihren Mann, der sie betrügt
mit dem Meer, ihrem großen Unglück.

Sobald der Wind sich erhebt …

Nicht der Mensch ergreift die Entscheidung für das Meer –
es ist das Meer, das den Menschen ergreift.
Mich hat das Meer genommen,
wie man ein Taxi nimmt.
Ich werde um die Welt reisen
und bei jedem Landgang schauen,
ob mich überall auf der Welt
die Leute in Ruhe lassen.
In alle vier Himmelsrichtungen werde ich reisen,
mich hier und da im Puff austoben und dafür sorgen,
dass die Ozeane niemals
meinen Vornamen vergessen werden.

Sobald der Wind sich erhebt …

Ho, ho, ho, hisst die Segel, ho, ho, ho …

Nicht der Mensch ergreift die Entscheidung für das Meer –
es ist das Meer, das den Menschen ergreift.
Mich hat das Meer zu sich genommen
genauso wie mein Boot.
Stolz ist es, mein Schiff,
ein prächtiger Kahn,
ein herrlicher Dreimaster,
flink wie ein Vogel. (Hisst die Segel!)
[Typen wie] Tabarly, Pajot,
Kersauson oder Riguidel*
segeln nicht in Obstkisten
oder Mülltonnen über das Meer.

Sobald der Wind sich erhebt …

Nicht der Mensch ergreift die Entscheidung für das Meer –
es ist das Meer, das den Menschen ergreift.
Mich hat das Meer, wenn ich mich recht erinnere,
an einem Freitag zu sich genommen.
Weine nicht mehr, Mutter,
dein Sohn ist jetzt Matrose.
Weine nicht mehr, Vater,
ich lebe im Strom der Gezeiten.
Schaut auf euer Kind,
es fährt jetzt zur See.
Ich weiß, ihr findet das nicht sonderlich lustig,
aber es war nun einmal mein Schicksal.

Sobald der Wind sich erhebt …

*    [Éric] Tabarly, [Fountaine] Pajot, [Olivier de] Kersauson, [Eugène] Riguidel: Namen bekannter Segler

Bild: Das lustige Kleeblatt. Ansichtskarte von 1908

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