Auf zu neuen Ufern! – Musikalische Sommerreise 2021, Teil 8
Der französische Chansonnier Yves Jamait war in seinem Leben nicht immer auf Rosen gebettet. Umso enthusiastischer feiert er in seinen Chansons die oft unscheinbaren Glückshäppchen, die das Leben für die Wanderer nach Utopistan bereithält.
Yves Jamait gehört nicht zu denen, die mit 18 in irgendeinem Wettbewerb zum neuen Superstar ausgerufen worden sind und auf der Welle dieses Erfolgs in den Musikbetrieb gespült worden sind. Der 1961 in Dijon geborene Chansonnier hat seinen Lebensunterhalt vielmehr zunächst als Koch, Bauarbeiter, Tierpfleger und Infografiker verdient. Erst mit 37 Jahren hat er eine eigene Band gegründet, erst mit 42 Jahren sein erstes Album herausgebracht.
Auch in seiner Kindheit war Jamait nicht gerade auf Rosen gebettet: Sein Vater hat die Familie verlassen, als er gerade einmal 9 Monate alt war.
So verwundert es nicht, dass die Chansons dieses Sängers immer wieder eine melancholische Schlagseite aufweisen. Einsamkeit, das harte Los des Arbeiteralltags oder auch der Alkoholismus sind wiederkehrende Themen seiner Lieder.
Gleichzeitig gelingt es Jamait allerdings auch immer wieder, das Poetische im Alltäglichen zu entdecken und in Musik zu gießen. Seine Verwurzelung im „vie de tous les jours“ verhilft dem überzeugten Schirmmützenträger dabei zu einer Authentizität, die ihn zu einem Alltagspoeten im besten Sinne des Wortes macht.
Dies gilt auch für das Chanson J’en veux encore (Ich möchte mehr davon). Das Lied handelt von der Schönheit des Lebens, die gerade in den kleinen, unscheinbaren Dingen des Alltags zu entdecken ist. Zwar verschweigt es nicht die Fallstricke der Alltagsroutine und der Versuchung, die Langeweile der immer gleichen Tage im Alkohol zu ertränken. Genau dies macht die lebensbejahende Haltung, die das Chanson ausstrahlt, aber besonders glaubwürdig: Es ist ihm anzumerken, dass seine Euphorie keine oberflächliche Laune ist, sondern die Frucht einer reflektierten Lebenserfahrung.
Mit seinen mittlerweile sieben Alben ist Yves Jamait längst zu einem erfolgreichen Chansonnier avanciert, dessen Fangemeinde regelmäßig auch größere Konzertsäle füllt.
Yves Jamait: J’en veux encore; aus: Je me souviens (2015)
Lied (Videoclip mit Konzert-Ausschnitten)
Übersetzung:
Ich möchte mehr davon!
Morgenstunden, die erwachen
in dem Himmel deiner Augen,
deine lichtbefleckten Haare,
deine Röcke, angehoben
vom Blick der Sonne,
und die Gouachemalerei der Blumen
unter den Bienenwolken,
übermütige Morgenstunden,
die den Winter überwinden,
Sommertage, die mit ihren brennenden Armen
das Gelächter ersticken, das erstirbt,
um sich den Tränen
der herbstlichen Melancholie zu überlassen.
Mehr davon,
ich möchte mehr davon
und niemals nachlassen,
es in meinen Adern zu spüren,
dieses pulsierende Leben,
das ebenso schön wie vergeblich ist.
Mehr davon,
ich möchte mehr davon,
ich rufe es heraus ohne Wut,
inmitten des Trubels
werde ich mein Glas leeren
bis auf die letzte Träne.
Abenddämmerungen,
die bis zur Morgenröte glimmen,
Augenblicke, in denen der Tag
und die Nacht einander umschmeicheln,
Alkohol, der sich darüber ärgert,
nichts erschaffen zu können,
Musik, die mein Herz aus dem Takt bringt,
Hände, die sich in meinen Schlaf stehlen,
das Verlangen, das so viel mehr ist
als die Befriedigung der Grundbedürfnisse,
Horizonte,
die von der Abenddämmerung verschlossen werden,
Sonnentropfen,
die in meinem Mund zusammenfließen.
Mehr davon, …
Mauern, hinter deren Rissen
sich neue Ideen zeigen,
Worte, die sich wie Funken verbreiten,
Abende, die etwas länger werden
mit jedem Tag,
das ewige Ich liebe dich, Ich warte auf dich,
Guten Abend, Guten Tag,
Kinder, die mich umarmen
und Papa zu mir sagen,
Freunde, die mich aufnehmen
im Nest ihrer Arme,
der Rausch, der sich nährt
von deinen roten Küssen,
mein Körper, der nie satt wird von dir.
Mehr davon …
Morgenstunden, die erwachen
in dem Himmel deiner Augen,
deine lichtbefleckten Haare,
Gelächter, das erstirbt,
um sich den Tränen
der herbstlichen Melancholie zu überlassen.
Bild: Sogard: Blumen( Pixabay)