Phoenix BSC

Zum unerwarteten Hertha-Happy End in der Fußball-Bundesliga

Hertha BSC hat den Fans des Vereins doch noch ein unerwartetes Happy End beschert. Bei aller Freude sollte die knappe Rettung aber auch Anlass für etwas sein, das man bei Hertha sonst eher weniger schätzt: Selbstkritik.

Grusel-Schocker mit glücklichem Ausgang

Nein, damit hatte am Ende kaum noch jemand gerechnet: Im wirklich allerletzten Moment hat Hertha BSC sich als Phönix BSC aus der Asche erhoben und die Horror-Geschichte dieser Saison doch noch mit einem Happy End veredelt.
Im Rückblick gleicht diese Saison damit einem dieser Grusel-Schocker mit unzähligen abstrusen Wendungen, die am Ende in dem erwarteten glücklichen Ausgang der Geschichte zusammenfließen.
Genau darin liegt aber auch der Unterschied zum Fußball: In dem Grusel-Schocker können wir uns darauf verlassen, dass sich alles Bibbern und angstvolle Wegsehen zu guter Letzt doch in einem erleichterten Stoßseufzer auflöst. Der Abgrund ist nahe, wir fühlen seinen kalten Moder-Atem, aber wir wissen doch, dass die schöne Hauptdarstellerin und der toughe Held nicht darin versinken werden.
Im Fußball dagegen gibt es keine Garantie auf das Happy End. Oder vielmehr: Für irgendwen gibt es immer ein Happy End. Du kannst nur nie wissen, ob du auf der Seite derer stehen wirst, denen ein Happy End beschieden ist.
Manchmal reichen, wie beim HSV, sechs Siege am Stück zum Saisonabschluss eben nicht zum Happy End – und manchmal bricht in fast schon kitschiger Weise über dem Dauer-Pechvogel die Sonne durch die Wolken und zieht ihn im letzten Moment auf die Sonnenseite des Lebens.

Fußball-Lehren

Gerade die Tatsache, dass das Happy End beim Fußball nicht im Eintrittspreis inbegriffen ist, macht es allerdings umso schöner, wenn es sich dann doch ereignet. Es ist eben kein fiktives, sondern ein echtes Happy End, und deshalb können wir es auch eher mit unserem Leben in Verbindung bringen.
Das Happy End im Fußball bedeutet immer: Ein Sieg ist bis zur letzten Sekunde möglich. Wenn du nicht aufgibst und nicht aufhörst, an dich zu glauben, kannst du das Ruder herumreißen, selbst wenn dein kümmerliches Floß scheinbar unaufhaltsam auf den tödlichen Wasserfall zutreibt.
Was der Fußball darüber hinaus noch erzählt: Allein kannst du es nicht schaffen. Du brauchst immer auch andere, auf die du dich verlassen kannst, wie sie sich auch auf dich bedingungslos verlassen können. Nur das perfekte Zusammenspiel unterschiedlicher Kräfte, das Zusammenfließen all der Einzelkräfte zu dem einen großen, alle mitreißenden Strom kann am Ende den glücklichen Ausgang der Geschichte erringen.

Traumfabriken: Fußball und Filmgeschäft

Wahr ist freilich auch: All das sind nur Projektionen, Bilder, die wir in das Millionengeschäft Fußball hineinsehen, in dem dessen Betreiber weit eher eine perfekte Geldvermehrungsmaschine sehen.
Dies allerdings ist bei einem Spielfilm nicht anders. Der Grusel-Schocker aus der Hollywood-Fabrik ist sogar noch viel genauer auf unsere emotionalen Bedürfnisse abgestimmt. Musik, Beleuchtung, Identifikationsangebote durch die verschiedenen Rollentypen – im Grunde ist jeder Film ein Anschlag auf unsere emotionale Autonomie. Trotzdem lassen wir uns gerne in das Land der Film-Träume entführen bzw. dortselbst zu emotionalen Achterbahnfahrten verführen.
Auch das haben Fußball und Filmgeschäft gemein: In beiden Fällen verdienen andere an unseren emotionalen Bedürfnissen, an dem Bedürfnis nach Drama, nach Identifikation, nach Projektion unserer Gefühle auf die große Leinwand des Schein-Lebens. Wobei „verdienen“ eigentlich eine maßlose Untertreibung ist. Sowohl die Gesichtsmuskelgymnastik der Schauspielerei als auch die Fußmuskelgymnastik der Ballschieberei bringen Millionengagen ein, die in keinem Verhältnis zu der tatsächlichen Leistung stehen.
Und was tun wir? Sehen großzügig darüber hinweg, solange die emotionalen Achterbahnfahrten ein glückliches Ende nehmen. So sind wir halt: leidenschaftliche Irrationalisten, allen gegenteiligen Überzeugungen zum Trotz.

Ein Brief an die Alte Dame

Moment mal – was labert der da eigentlich? Richtig, eigentlich wollte ich ja was ganz anderes sagen. Nämlich: Herzlichen Glückwunsch, Hertha, in der Nachspielzeit der Nachspielzeit hast du dann doch noch dein altes Damenherz in die Hand genommen und dir wie all deinen Fans das ersehnte Happy End beschert!
Nachdem der Glücksrausch verflogen ist, solltest du, werte Dame, dich allerdings auch fragen, warum du erst in allerletzter Sekunde zu dir selbst gefunden hast.
Könnte es sein, dass dir vielleicht doch all die teuren Geschenke deiner neureichen Investorenfreunde zu Kopfe gestiegen sind? Hast du womöglich gedacht, du hättest, als alter Bundesliga-Adel, ein quasi monarchisches Anrecht auf die Logenplätze der Liga und müsstest nichts weiter dafür tun, als dir mit all dem vielen Geld deinen Thron zu polstern?
Ohne dir zu nahe treten zu wollen, hoch verehrte Dame, würde ich dir daher auch und gerade in der Stunde eines deiner größten Triumphe raten wollen: Verstrick dich nicht in den alten Zeiten! Mit den vergilbten Fotos aus dem Familienalbum kannst du dir keine Zukunft aufbauen.

Untertänigste Mahnung an Madame Großmaul

Andererseits müssten dir, hoch geschätzte Hertha, die vergangenen Jahre aber auch gezeigt haben: Selbst mit den atemberaubendsten Zahlen auf deinen Geschäftskonten kannst du dir keine Zukunft zusammenkaufen. Je schwindelerregender die Zahlen werden, desto mehr benebeln sie den Verstand. Wie oft schon hast du dich deswegen als Königin von Deutschland gesehen, obwohl du in Wahrheit nur eine reich beschenkte Bettlerin warst!
Die Lehre daraus müsste für dich sein, wieder mehr auf deinen eigenen Hofstaat zu schauen, auf all die Eigengewächse aus dem Garten deiner Jugendabteilungen, die deinem Namen gerade sehr viel Ehre bereiten. Trau dich ruhig, dich wieder mehr auf deine eigenen Kinder zu konzentrieren, statt dich um immer neue, immer teurere Adoptivkinder zu bemühen.
Nebenbei gesagt: Mit Sebastian Hoeneß wäre da auch gerade ein Trainer zu haben, der für eben solche Aufbauarbeit und fußballerische Gartenpflege steht. Mit der U23 von Bayern München hat er die Meisterschaft in der Dritten Liga eingefahren, er bringt Bundesligaerfahrung mit, und er war lange Jahre als Spieler an deinem Hofe tätig. Dass er der Sohn eines deiner langjährigsten und erfolgreichsten Diener ist, verleiht ihm noch zusätzlich Stallgeruch.
Wie auch immer du dich entscheidest: Versuch doch – wenn ich das untertänigst anmerken dürfte – in Zukunft etwas weniger die Madame Großmaul zu geben. Denn wenn diese Saison eins gezeigt hat, so ist es eben dies: dass große Ziele nicht mit einem großen Maul erreicht werden – sondern eher mit einem großen Herzen. Und die größte Zier eines großen Herzens ist eben nicht Großmannssucht, sondern Demut.

Bild: : Gerd Altmann: Stadion-Jubel (Pixabay)

Schreibe einen Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s