Auf Sand gebaute Subventionierung der Stahlindustrie

Wie die Saar-SPD am Luftschloss des „Green Steel“ baut

Saarländische SPD-Regierung mit CDU-Gesicht, Teil 2

Angesichts der Bedeutung der Stahlindustrie für die saarländische Wirtschaft hat die CDU die Formel „Kein Green Deal ohne Green Steel“ geprägt. Dies ist auch die Handlungsmaxime der aktuellen SPD-Regierung im Saarland.

Industriefreundliche Interpretation des Green Deal durch die CDU

Die Stahlindustrie ist eine tragende Säule der saarländischen Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund fordert die CDU Saar in ihrem Programm für die Landtagswahl 2022, es dürfe keinen „Green Deal ohne Green Steel“ und folglich „keine grüne Klimapolitik ohne grüne Industriepolitik“ geben. Dies setze eine „tragfähige staatliche Investitionsförderung“ voraus, durch welche die „technologische Transformation“ gemeistert werden könne [1].

Das Luftschloss des „Green Steel“

„Green Steel“ ist allerdings zunächst einmal ein wohlklingendes Label aus der PR-Abteilung der Stahlindustrie. Ob es ihn wirklich jemals geben kann, ist fraglich. So geht das Etikett von der Annahme aus, dass die so genannten „erneuerbaren Energien“ grundsätzlich klima- und umweltfreundlich und dazu noch effektiv genug sind, um die Stahlindustrie in der jetzigen Form am Laufen zu halten.

Am Beispiel der Windkraft lässt sich aber zeigen, dass diese Grundannahmen auf Sand gebaut sind. Die Windkraft richtet verheerende Schäden an der Natur an, schadet teilweise sogar dem Klima [2] und ist mit Sicherheit nicht effektiv genug, um als Basis für die Stahlproduktion zu dienen. Wollte man etwa die europäische Stahlproduktion mit Windkraft betreiben, so würden allein dafür drei Viertel der gesamten Windenergieproduktion der EU benötigt [3].

Hinzu kommt, dass bei der Nutzung von Windenergie für die Stahlproduktion auch von einer vorherigen Umwandlung der gewonnenen Energie in grünen Wasserstoff ausgegangen wird. Dafür werden jedoch nicht nur große Mengen an Wasser benötigt, was in Zeiten zunehmender Dürreperioden nicht unproblematisch ist. Der Umwandlungsprozess ist auch sehr energieaufwändig, verbraucht also einen großen Teil dessen, was durch ihn gewonnen werden soll [4].

Ausblendung des Ressourcenverbrauchs für die Stahlproduktion

Schließlich setzt die Nutzung von Windkraft für die Stahlproduktion auch den Bau unzähliger neuer Windkraftanlagen voraus. Da deren Türme aus Stahlbeton bestehen, würde dies jedoch die Stahlproduktion weiter anheizen, so dass man in einem sich selbst beschleunigenden Kreislauf der Ressourcenverschwendung gefangen wäre.

Überhaupt wird der Aspekt des Ressourcenverbrauchs bei der Verheißung des Green Steel viel zu wenig beachtet. Selbst wenn sich nämlich die Emissions- und Energiebilanz der Stahlproduktion signifikant verbessern ließe, bliebe immer noch die Problematik der klimaschädlichen Ressourcengewinnung bestehen.

Umwelt- und Gesundheitsschäden durch Eisenerzabbau

Die Gewinnung von Eisenerz – als dem zentralen Rohstoff für die Stahlproduktion – geht mit der Abholzung großer Waldflächen und einer Verseuchung des Grundwassers durch den beim Abbau entstehenden giftigen Schlamm einher. Das Ausheben der Gruben, der Transport des Rohstoffs sowie die Sprengungen für das Aufbrechen des Gesteins verursachen zudem in einem weiten Umkreis um die Abbaugebiete Atemwegsprobleme bei den dort lebenden Menschen [5].

Der Eisenerzabbau ist darüber hinaus sehr wasserintensiv und kann dadurch eine Absenkung des Grundwasserspiegels zur Folge haben. Dies kann gerade in ärmeren Abbauländern zu Nahrungsmittelknappheit führen. Schlimmstenfalls können sogar giftige Schlammlawinen entstehen und zu Umweltkatastrophen wie im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais führen, wo 2019 ein Dammbruch 186 Menschen das Leben kostete [6].

Weitere Umweltschäden entstehen, wenn der Stahl – wie in Windkraftanlagen – in Kombination mit Beton verbaut wird. Für dessen Herstellung wird zum einen Zement benötigt, das für fünf bis acht Prozent der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich ist [7]. Darüber hinaus benötigt man für die Betonherstellung auch große Mengen Sand und Kies, deren Abbau mancherorts bereits zu einem Rückgang der durch den Meeresanstieg bedrohten Küsten führt [8].

Milliardenschwere Umsetzung des Green-Steel-Konzepts durch die SPD

Vor diesem Hintergrund hätte man erwarten können, dass die SPD ihre absolute Mehrheit im Saarland dazu nutzt, beim Transformationsprozess der saarländischen Wirtschaft auf eine Verringerung der Abhängigkeit von der Stahlindustrie zu setzen.

Stattdessen hat die SPD-Regierung jedoch einen 3 Milliarden schweren Transformationsfonds eingerichtet, der passgenau den Bedürfnissen der saarländischen Stahlindustrie entspricht. Diese hatte kurz zuvor eine Berechnung vorgelegt, die einen Investitionsbedarf von 3,5 Milliarden Euro für den Umstieg auf „Green Steel“ vorsieht [9].

Die für die Einrichtung des Transformationsfonds nötige Kreditaufnahme war nur möglich, indem die SPD-Regierung im Landtag eine „außergewöhnliche Notsituation“ beschließen ließ und so die eigentlich geltende Schuldenbremse aushebelte.

Dies ging selbst der CDU zu weit. Allerdings kritisierte sie vor allem die Höhe der Kredite und forderte stattdessen eine stärkere Querfinanzierung der Transformation durch den Bund [10]. Die Art der Transformation stellt die CDU dagegen nicht in Frage – schließlich entspricht sie genau dem, was die Partei selbst in ihrem Wahlprogramm gefordert hat.

Nachweise

[1]    Programm der CDU Saar für die Landtagswahl 2022: Der Mensch im Mittelpunkt (PDF), S. 5.

[2]    Vgl. dieGlossare zum Thema auf rotherbaron:

Das Windstromkartell. Wie die Windkraftlobby zur Durchsetzung ihrer Ziele Natur, Gesundheit und Demokratie schädigt (als E-Book erhältlich unter dem Titel Kritik der Windkraft);

Kurzfassung: Das Heilige Windrad als Höllenmaschine. Natur- und klimaschädliche Auswirkungen der Windkraft.

[3]    Vgl. Niranjan, Ajit: Wie wird Stahl wirklich „grün“? Deutsche Welle, 10. Juni 2022.

[4]    Bei der Umwandlung der Primärenergie in grünen Wasserstroff gehen 20 bis 40 Prozent der gewonnenen Energie verloren, bei der für den Transport nötigen Umwandlung des grünen Wasserstoffs in einen flüssigen Aggregatzustand noch einmal 30 Prozent; vgl. Gärtner, Jenni / Rau, Nico: Herstellung von grünem Wasserstoff kostet viel Energie. Dlf Nova, 5. April 2022.

Beim Import von grünem Wasserstoff aus wind- und/oder sonnereichen Ländern wie Marokko kommt noch das Problem hinzu, dass die ohnehin knappe Ressource Wasser dort noch weiter verknappt wird und es so zu Ausfällen in der Nahrungsmittelproduktion kommen kann; vgl. Baumann, Bauke: Grüner Wasserstoff aus Marokko – keine Zauberformel für Europas Klimaneutralität. Heinrich Böll Stiftung, 20. Januar 2021.

[5]    Vgl. WWF:Mining: Die Folgen des weltweiten Rohstoffabbaus; 29. Mai 2019.

[6]    Vgl. ebd.; zu den Umwelt- und Gesundheitsschäden durch Eisenerzabbau in Brasilien allgemein: Lempp, Sarah: Der Bergbau ist ein Monster. Der Eisenerz-Abbau in Brasilien hat fatale Auswirkungen auf Mensch und Natur; nd-aktuell.de, 20. Oktober 2015.

[7]    Vgl.Pramer, Philip: Böser Beton: Warum Zement der ge­heime Klimakiller ist. In: Der Standard, 3. Mai 2019; Schneider, Judith (Autorin) / Angres, Volker (Sen­dungsleitung) / Kessler, Manfred / Wiedemann, Mi­chael (Redaktion): Zement – der heimliche Klimakil­ler; ZDF / planet e; 13. Mai 2018.

[8]    Vgl. Asendorp, Dirk Warum viele Strände schrumpfen: Der Sand wird knapp. Deutschlandfunk Kultur, 1. August 2019; Röhrlich, Dagmar: Sand – ein nur scheinbar unendlicher Rohstoff. Deutschlandfunk, Hintergrund, 5. Januar 2020.

[9]    Dpa: Schulden wie noch nie: Saarland schafft Transformationsfonds. Süddeutsche Zeitung, 7. Dezember 2022.

[10] Vgl. ebd.

Der nächste Beitrag zur Thematik erscheint am kommenden Freitag

Bild: Der Stahlhersteller Dillinger Hüttenwerke im Jahr 1933; Koblenz, Bundesarchiv (Wikimedia commons)

5 Kommentare

  1. Als langjähriges und überzeugtes SPD-Mitglied habe ich natürlich das Wahlprogramm meiner Partei vor der letzten Landtagswahl aufmerksam gelesen. Sie haben Recht: Kaum etwas unterscheidet sich vom Wahlprogramm der CDU. Ich glaube / hoffe mal einfach, dass Anke Rehlinger in der Lage ist, das gemeinsame Programm, besser und konsequenter umzusetzen. Ihre Punkte zu „Green Steal“ habe ich sehr aufmerksam gelesen, da mir diese Fakten so nicht bekannt waren. Unterschiede zwischen CDU und SPD ergeben sich beim Lesen beim Thema Inklusion – vor allem bei den Gebieten Bildung und Arbeitsmarkt. Auch das Thema „Zukunftsvermögen Bildung“ sticht heraus. In Verlautbarungen der Landesregierung, in Pressemeldungen und auch in Artikeln unserer saarländischen Monopolpresse ist es aber eigentümlich still um diese sozialdemokratischen Kernthemen. Wenn dies so bleibt, ist es genau so, wie sie schreiben: Wir haben eine SPD gewählt, die das CDU-Wahlprogramm konsequenter umsetzt als ein langweiliger Hans das gekonnt hätte. Aber wo ist da die Sozialdemokratie?- Bin gespannt auf Ihre weiteren Punkte!

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  2. „keine grüne Klimapolitik ohne grüne Industriepolitik“ – Diese Worte decken den Sinn der rot, grün, schwarz, gelb oder wie auch immer eingefärbten Klimapolitik auf. Es geht um die Interessen der Industrie und des Kapitals: Klimapolitik ist Industriepolitik, deren Umweltzerstörung durch ein höheres Ziel gerechtfertigt ist. Vgl. auch https://www.windwahn.com/2023/08/07/ausgewogene-und-differenzierte-vergiftung-der-buerger-durch-per-und-polyfluoralkylsubstanzen/

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  3. MP Rehlinger scheint erkannt zu haben, dass die saarländische Stahlindustrie nur durch die „grüne“ Wasserstoffversorgung welche durch das Atomkraftwerk Cattenom nach dem Bau der Blöcke 5+6 produziert wird, überleben kann!?

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    1. Ja, so sieht’s aus. Als die EDF im Nov. 2019 von einer Erweiterung um 2 ERP-Blöcke sprach, war klar, dass man dafür schon bestimmte Kunden im Auge hatte. Und: Dass man in Frankreich weiß, dass die „Deutsche Energiewende“ scheietern wird.

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