Fachkräfte-Ernte im Ausland

Zum kolonialen Gestus bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte

Saarländische SPD-Regierung mit CDU-Gesicht, Teil 4

Anstatt die heimischen Ausbildungskapazitäten zu erweitern, werden derzeit verstärkt ausländische Fachkräfte rekrutiert. Dies hat in den Entsendeländern einen teils dramatischen Brain Drain zur Folge.

CDU-Lob für Anwerbung ausländischer Fachkräfte

Ein Schwerpunkt im Wahlprogramm der saarländischen CDU für die Landtagswahlen 2022 war die Anwerbung ausländischer Fachkräfte. Die Partei spricht sich dabei für eine „bedarfsgerecht gesteuerte Zuwanderung internationaler Fachkräfte“ aus und lobt sich für die führende Rolle, die der damalige Ministerpräsident Tobias Hans bei der Ansiedlung der Bundeseinrichtung Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (DeFa) im Saarland gespielt habe [1].

Die DeFa habe, so heißt es im selben Kontext, „eine wichtige Vorbild- und Schrittmacherfunktion“, indem sie die „privaten Anwerbeagenturen durch eine schnelle Bearbeitung der Anwerbeverfahren“ unterstütze. Daraus ergab sich die Forderung, „dass die DeFa ihr Angebot auch auf Mangelberufe außerhalb der Gesundheits- und Pflegewirtschaft ausdehnt“ [2].

Medizinische Unterversorgung als Folge deutscher Anwerbepolitik

Die CDU folgt hier allerdings einseitig der deutschen Perspektive. Betrachtet man die Anwerbeverfahren aus Sicht der Entsendeländer, so erscheinen sie in einem ganz anderen Licht.

Gerade in den Gesundheits- und Pflegeberufen reißen die Anwerbungen aus dem Ausland oft eine Lücke, die für die Bevölkerung verheerende Folgen haben kann. So kann ein Land wie Albanien mit dem Lohnniveau in Deutschland schlicht nicht konkurrieren. Die Abwanderung medizinischer Fachkräfte hat deshalb dort bereits so dramatische Ausmaße angenommen, dass die Regierung ein sofortiges Engagement im Ausland nach einem Medizinstudium zu unterbinden versucht.

Die Argumentation der albanischen Regierung ist dabei durchaus nachvollziehbar. Wer auf Kosten des albanischen Staates in Albanien studiert, soll danach wenigstens für einen begrenzten Zeitraum dem eigenen Land dienen. Andernfalls wird gefordert, die Kosten für das Studium zurückzuerstatten [3].

Natürlich handelt es sich bei dem Vorhaben um eine Verzweiflungstat, die kaum in der geplanten Form umzusetzen sein wird. Dennoch – oder gerade deswegen – verdeutlicht sie die fatalen Konsequenzen der deutschen Anwerbepolitik für die Menschen in den betreffenden Ländern. Um in Deutschland genug medizinisches Personal zu haben, steht Menschen in anderen Ländern nur noch eine eingeschränkte medizinische Versorgung zur Verfügung. Dahinter verbirgt sich letztlich ein koloniales Zwei-Klassen-Denken.

Unterstützung der Anwerbepolitik durch die SPD

So müsste man von einer sozialdemokratischen Regierung eigentlich erwarten können, dass sie die unsozialen Aspekte der deutschen Anwerbepolitik stärker in ihrer Politik berücksichtigt. Stattdessen unterstreicht auch der aktuelle saarländische Arbeits- und Gesundheitsminister Magnus Jung die Bedeutung der „Personalgewinnung internationaler Fachkräfte“ für die „Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Alten- und Krankenpflege“, wie sie durch die  Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe umgesetzt werde [4].

Zwar wird dabei auch betont, die Anwerbung dürfe „nicht zu Lasten der Versorgungsqualität in den Herkunftsländern gehen“. Wie diese Vorgabe umgesetzt werden soll, wird jedoch nicht erwähnt. So lässt der stolze Zungenschlag, mit dem im selben Atemzug auf die hohe Anzahl der bereits angeworbenen Fachkräfte hingewiesen wird, die Rücksichtnahme auf die Entsendeländer als reines Lippenbekenntnis erscheinen [5].

Statt durch Programme zum Abwerben von Fachkräften im Ausland zu einem Brain Drain in anderen Ländern beizutragen, würde es einer sozialdemokratischen Regierung gut zu Gesicht stehen, sich für die Erweiterung der Kapazitäten an Universitäten und Fachschulen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Gesundheits- und Pflegeberufen – insbesondere an Krankenhäusern – einzusetzen. In Verbindung mit einer Herabsetzung des Numerus clausus für das Medizinstudium könnte der Fachkräftemangel in den Gesundheits- und Pflegeberufen dann auch aus eigener Kraft behoben werden.

Nachweise

[1]    Programm der CDU Saar für die Landtagswahl 2022: Der Mensch im Mittelpunkt (PDF), S. 12.

[2]    Ebd.

[3]    Hahne, Silke: Albanien: Bleibepflicht für Ärztinnen und Ärzte. Deutschlandfunk, 20. Juli 2023.

[4]    Ministerium für Arbeit, Soziales Frauen und Gesundheit: Neue Instrumente für die Personalgewinnung im Ausland vorgestellt. Medieninfo vom 6. Oktober 2022.

[5]    Ebd.

Bild: Pete Lewis: Äthiopische Krankenschwester mit Masern-Impfstoff (Wikimedia commons)

3 Kommentare

    1. Sozialkompetenzen und Sprachkenntnisse sind die wichtigsten Dinge … alles andere kann man beim Arbeiten tatsächlich erlernen. (Merke ich immer wieder!)

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