Populismus und Autoritarismus, Teil 3
Links- und Rechtspopulismus unterscheiden sich in ihren wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen. Beide weisen jedoch gleichermaßen autoritaristische Tendenzen auf.
Idealtypische Unterscheidung
Die Trennlinien zwischen Links- und Rechtspopulismus sind nicht immer leicht zu ziehen. Idealtypisch gesprochen, ist bei Rechtspopulisten der Aspekt der Fremdenfeindlichkeit stärker ausgeprägt, wohingegen Linkspopulisten den Akzent tendenziell eher auf inklusive Ansätze und das Empowerment sozial Benachteiligter legen.
Während Rechtspopulisten eher für eine libertäre Wirtschaftspolitik und das freie Spiel der Marktkräfte eintreten, neigen Linkspopulisten dirigistischen Wirtschaftsformen zu. Bei osteuropäischen Parteien kann dies auch mit einer Form von Ostblock-Nostalgie einhergehen, die dann zuweilen auf eine entsprechend positive Einstellung gegenüber dem aktuellen totalitären Regime in Russland abstrahlt. Darin treffen sich linkspopulistische wiederum mit rechtspopulistischen Bewegungen, die ohnehin einen starken Hang zum Führerkult haben.
Verschwimmende Grenzen
Dass sich Links- und Rechtspopulismus näher sind, als es zunächst den Anschein hat, zeigt sich auch bei einem Blick auf die populistischen Parteien in Europa. So gilt das im Januar 2024 gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht zwar als linkspopulistisch, zündelt mit dem Eintreten für eine Begrenzung der Zuwanderung aber auch in der fremdenfeindlichen Ecke.
Gleiches gilt für Robert Fico, der in der Slowakei mit seiner Smer-Partei im Oktober 2023 an die Macht zurückgekehrt ist. Vielen muss dies wie ein böser Traum erscheinen. Denn Fico hatte 2018 zurücktreten müssen, nachdem der Investigativjournalist Ján Kuciak Verbindungen der kalabrischen Mafia-Organisation ‚Ndrangheta zu slowakischen Geschäftsleuten und Regierungskreisen aufgedeckt hatte und daraufhin zusammen mit seiner Verlobten Martina Kušnírová ermordet worden war.
Als im März 2019 mit Zuzana Čaputová eine Außenseiterin zur Präsidentin gewählt wurde, die sich als Rechtsanwältin seit Jahren gegen Korruption und für Minderheitenrechte eingesetzt hatte, sah alles nach einem hoffnungsvollen Neuanfang aus. Nun aber hat Fico sich mit seinen populistischen Parolen die wirtschaftlichen Probleme des Landes infolge von Coronakrise und Ukrainekrieg zunutze gemacht und das Rad der Zeit zurückgedreht. Kaum an die Macht zurückgekehrt, haben er und seine Leue erneut damit begonnen, kritische Medien unter Druck zu setzen.
Wie Wagenknecht relativiert Fico den russischen Angriffskrieg und tritt für einen Abbau der Militärhilfe für die Ukraine ein. Gleichzeitig bedient er mit fremdenfeindlichen Äußerungen und der Verweigerung gegenüber Quoten für die Aufnahme von Flüchtlingen in EU-Ländern xenophobe Ressentiments.
Putinfreundlich ist auch die Haltung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, dessen Politik allerdings als „rechtspopulistisch“ eingestuft wird. Dieses Etikett teilt er sich mit der im Oktober 2023 abgewählten polnischen PiS-Partei, die indessen aufgrund ihrer Wurzeln in der Solidarność-Bewegung strikt anti-putinistisch eingestellt ist. Beide treffen sich wiederum in einer Politik der sozialen Wohltaten, durch welche die Unterstützung der breiten Bevölkerung für den autoritären Regierungskurs sichergestellt werden soll.
Gefährdung der Demokratie
Viele populistische Parteien – wie die deutsche AfD oder der französische Rassemblement National – sind in der Vergangenheit immer wieder durch ihre engen Kontakte zum Putin-Regime aufgefallen. Der Hang zum Autoritarismus und die daraus abgeleitete Bewunderung für autoritäre Führer, die bereits die Macht in ihrem Staat errungen haben, ist dabei für den Links- ebenso wie für den Rechtspopulismus konstitutiv.
Die Unterschiede zwischen links- und rechtspopulistischen Bewegungen sind so am Ende geringer als die Gemeinsamkeiten. Ob man soziale Wohltaten aus einem vulgärmarxistischen Verständnis oder aus purem Machtkalkül heraus verspricht oder verteilt, macht am Ende keinen Unterschied. In beiden Fällen wird daraus ein Pfeiler des Machterwerbs oder Machterhalts, indem so von den autoritären Tendenzen der eigenen Politik abgelenkt werden kann.
Auch andere politische Schwerpunkte betreffen links- wie rechtspopulistische Bewegungen gleichermaßen. Die Gleichschaltung von Justiz und Medien betreiben etwa polnische und ungarische Rechtspopulisten ebenso wie der slowakische Linkspopulist Fico.
Links- und Rechtspopulismus gefährden die Demokratie damit in formaler ebenso wie in geistiger Hinsicht, indem sie zum einen die Strukturen einer funktionierenden Demokratie abbauen und zum anderen die geistigen Voraussetzungen für den freien demokratischen Diskurs und die unabhängige Meinungsbildung untergraben. Für den Linkspopulismus lässt sich dies insbesondere am Beispiel der politischen Entwicklungen in Lateinamerika ablesen. Dorthin wird sich der Blick daher im folgenden Beitrag dieser Reihe wenden.
Literatur
Allweis, Marianne: Slowakei: Druck der Fico-Regierung auf kritische Medien zeigt Wirkung. Deutschlandfunk, 12. März 2024.
Bidder, Benjamin: Vereint gegen liberale Werte: Wie Russland den rechten Rand in Europa inspiriert und fördert. Bundeszentrale für politische Bildung, 24. Juli 2017.
Decker, Frank: Vom Protestphänomen zur politischen Dauererscheinung: Rechts- und Linkspopulismus in Westeuropa. In: Backes, Uwe / Gallus, Alexander / Jesse, Eckhard (Hgg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie. 27 (2015), S. 57–72. Baden-Baden: Nomos. 2015.
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa. Infoportal östliches Europa [über die historische Entwicklung von Justizwesen und Freiheitsrechten der Zivilgesellschaft in Ländern Ostmitteleuropas bis Ende 2023].
ORF: Das russische Netzwerk in Europa [listet populistische und konservative Gruppierungen und Politiker auf, die in der Vergangenheit Kontakte zu Wladimir Putin und/oder zur Kreml-Partei Einiges Russland unterhielten]
Priester, Karin: Rechter und linker Populismus. Annäherung an ein Chamäleon. Frankfurt/Main 2012: Campus.
Reimon, Michel / Zelechowski, Eva: Putins rechte Freunde. Wie Europas Populisten ihre Nationen verkaufen. Wien 2017: Falter.
Sapper, Wolfgang / Weichsel, Volker (Hg.): Unterm Messer. Der illiberale Staat in Ungarn und Polen. Berlin 2018: BWV (Zeitschrift Osteuropa 3-5/2018) [online nur Abstracts und zwei Einzelbeiträge kostenfrei verfügbar].
Solty, Ingar / Werner, lban: Der indiskrete Charme des Linkspopulismus (PDF). In: Das Argument – Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften 316/2 (2016), S. 273 – 285. Academia.edu [Website bietet auch Links zu weiteren Artikeln und Interviews zum Thema].
Bild: Septimiu: Marionette (Pixabay)