Dieser Text gehört zu der neuen Reihe Politische Miniaturen. Darin geht es um verfremdende Blicke auf Alltägliches, das nicht alltäglich sein sollte.
Als man dich gefragt hat, ob du wieder in die herrschaftliche Villa deiner Urgroßeltern einziehen möchtest, konntest du nicht widerstehen. Du selbst kanntest die Villa zwar nur vom Hörensagen. Deine Großeltern aber haben noch darin gewohnt, und sie haben stets glänzende Augen bekommen, wenn sie von dem prunkvollen Leben in der Villa erzählten.
Natürlich habt ihr in der Familie viel über das Umzugsangebot diskutiert. Deine Kinder fanden die Villa total uncool und wollten lieber in ihren kosmopolitischen Blog-Hütten wohnen bleiben. Die Älteren meinten jedoch, dass es schon allein die Ehrfurcht vor den Urgroßeltern gebiete, den Glanz der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Niemand dürfe vergessen, wo seine Wurzeln liegen! Nur wenn ihr wieder in die Villa einziehen würdet, wäret ihr wieder die Herren über euer eigenes Schicksal.
So hast du dich schließlich für die Rückkehr in die alte Villa ausgesprochen.
Erst nachdem du deine Entscheidung gefällt hattest, durftest du dir die Villa ansehen. Und so konntest du auch erst dann feststellen, dass sie, seit Jahren unbewohnt, völlig verfallen war. Dort, wo früher die Fenster geleuchtet hatten, gähnten dich jetzt nur noch leere, dunkle Höhlen an. Von den Wänden der Festsäle bröckelte der Putz, und die verstaubten Kronleuchter, die hier und da noch von der Decke hingen, betonten nur die Verlassenheit all der Säle, die nach dem kalten Hauch der Gespenster der Vergangenheit rochen.
Umgehend hast du verkündet, dass du deine Entscheidung revidieren würdest. So hattest du dir das nicht vorgestellt! Nun aber hieß es: Entschieden ist entschieden, und: ein Wort ist ein Wort.
Konsterniert musst du zur Kenntnis nehmen, dass deine Entscheidung wie ein Gottesurteil betrachtet wird. Schon der Gedanke, hieran etwas zu verändern, erscheint blasphemisch. So bleibt dir nichts anderes übrig, als in die alte, verfallene Villa zurückzukehren, auch wenn du genau weißt, dass dies nicht mehr dein Zuhause ist und auch nie mehr dein Zuhause sein wird.
Längerer Artikel zum Brexit: Die undemokratische Demokratie
Gerne würde ich lachen, doch eigentlich ist das doch alles zum heulen … mein Gott, Brexit, wo irrst du bloß noch überall herum?!
Dankeschön für deine feine Allegorie …
Liebe Grüße zur Nacht vom Lu
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Dir auch liebe Grüße, du treuer Gast in meiner Bloghütte.😊
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Das bin ich sehr gerne, weil extrem lohnend 🙂
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