Putin

Putintrump (2)

Abends, wenn du nach Hause kommst, schlüpfst du in deine Pantoffeln und schlenderst entspannt in deinen ganz privaten Kontrollraum. Dort genehmigst du dir ein kleines Wodkachen, legst die Pokerface-Maske ab und lachst erst einmal herzlich über all die Streiche, die dir an diesem Tag wieder gelungen sind. Dann greifst du nach der Fernbedienung und schaltest die Kontrollmonitore ein.

Dein Lieblingsprogramm ist natürlich die Daily Soap aus den USA. Die schmalzlockige Realsatire, der du dort zu höchsten Ehren verholfen hast, empfindest du – so viel Eigenlob muss sein – als dein Meisterstück. Nirgends wird deine Handschrift deutlicher als hier. Der Homunkulus auf der anderen Seite der Weltbühne ist ganz dein Werk, du hast ihn nach deinem Bilde geformt – als Zerrbild deiner selbst. Wo du virtuos mit der Wahrheit spielst, sie in Varianten zerlegst, mit denen du so lange jonglierst, bis eine neue, dir genehme Wirklichkeit entsteht, zieht der Zauberlehrling auf dem weißen Thron ganz einfach eine platte Lüge aus dem Hut, wenn ihm die Wahrheit nicht gefällt. Und wo du dich als Diener des Weltfriedens inszenierst, wenn du deinen Interessen dienst, ist für deinen Ziehsohn der Dienst an ihm selbst das Höchste, was ein Mensch erreichen kann.

Der freie Westen? Der Geist der Aufklärung? – Worthülsen, die du ein für allemal beerdigt hast! Du bringst jedes Mal einen Toast auf dich aus, wenn du an die teuflische Eleganz denkst, mit der du die Überheblichkeit deiner Gegner, ihre moralinsauren Belehrungen und ihr pharisäerhaftes Gehabe der Lächerlichkeit preisgegeben hast.

Rasch scannt dein Blick die Bilder auf den Monitoren: In einem deiner Mini-Bruderstaaten haben die „höflichen Helfer“, die du dorthin entsandt hast, wieder ein paar Hektar Land vom Nachbarstaat abgebissen. Gut so! Du wirst ihnen bei Gelegenheit ein paar diskrete Geheimdienstorden zukommen lassen.

Aber dort, auf dem Bildschirm ganz außen – was ist das denn? Deine Miene verdüstert sich. Da versucht doch schon wieder jemand, deine privaten Geschäfte in den Schmutz zu ziehen! Diese ewigen Nörgler und Neider! Die würden dir, der du so viel Gutes für dein Land getan und ihm wieder zu alter Größe verholfen hast, noch die Butter auf dem Brot missgönnen. Erst bei dem Gedanken an die Steuerfahnder, die du gleich morgen bei den Querulanten vorbeischicken wirst, entspannen sich deine Züge wieder.

Die Monitore in der unteren Reihe blinken. Der tägliche Rapport deiner Statthalter in aller Welt steht an. Der deutsche Ex-Kanzler, den du als Gasmann engagiert hast, entschuldigt sich wortreich für unerwartete Probleme bei den Projekten, mit denen er betraut ist. Zufrieden grinst du in dich hinein. Dir gefällt vor allem die devote Art, die dein deutscher Höfling dir gegenüber an den Tag legt. Die öffentlichen Unverwerfungsgesten sind, so findest du, mehr wert als alle Kontakte, die dieser Diener für dich nutzbar machen kann.

Aus Südeuropa berichtet der Mini-Duce, den du dort förderst, von einer neuen internationalen Nationalistenfront, mit der man sich Europa untertan machen wolle. Schön bekloppt, denkst du, bestärkst den Mann aber trotzdem in seinem Vorhaben. Wenn sie in Brüssel demnächst eine ähnliche Realsatire aufführen wie in Amerika, kann dir das nur recht sein.

Zum Schluss lässt noch der Blutonkel aus Syrien anfragen, was er nun mit dem Teufelszeug aus deiner Giftküche anfangen soll, das er angeblich nie eingesetzt hat. Aber du hast jetzt keine Lust, dich mit den Schattenseiten deiner Triumphzüge zu beschäftigen. So zappst du einfach weiter und erfreust dich lieber an dem Loblied, das irgendwo auf der Welt gerade ein Kommunistennostalgiker auf dich anstimmt. Du schmunzelst: In dein Pokerface kann eben jeder das hineinsehen, was er darin entdecken möchte …

Gähnend schaltest du schließlich die Monitore aus. Was stand morgen noch gleich auf dem Programm? Ach ja – die Enthüllung des Stalindenkmals vor der orthodoxen Kirche, die du deinem Patriarchenkumpel spendiert hast. Und während du langsam in den Schlaf hinüberdämmerst, siehst du für einen Augenblick dich selbst auf dem Sockel stehen, vor einer unüberschaubaren Menge von Gläubigen, die sich, rituelle Gebete murmelnd, andächtig vor dir verneigen.

 

Bild: Protestplakat einer Demonstration von Frauenrechtlerinnen am 20. Januar 2018 vor dem Lincoln-Denkmal in Washington.

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