Guter und böser Klima-Bulle

Sommerloch-Sensation: Die CSU entdeckt den Klimaschutz

Enrique Mesenguer landscape-3128819_1920
Mit der Bahn gegen den Klimawandel?

Bayrische Sonnenkönige als Klimaretter?

Die CO2-Steuer basiert auf der Idee, Menschen für klimaschädliches Verhalten zu bestrafen. Der Vorschlag des bayrischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden, Bahnfahren durch den Wegfall der Mehrwertsteuer auf Bahntickets billiger zu machen, scheint in die entgegengesetzte Richtung zu weisen. An die Stelle einer Bestrafung für Klimasünder tritt eine Belohnung für jene, die sich klimafreundlich verhalten.

Dennoch – auch wenn manch einer in Bayern das anders sehen wird: Auch dieser Vorschlag wird das Klima nicht retten. Denn auch er verliert sich zu sehr im Fragmentarischen, indem er nur den Teilbereich eines Teilbereichs reformieren will. So ist von niemand anderem als unserem Bundesverkehrsminister (ja, auch der ist CSU-Mitglied) erst kürzlich die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen, das ein direkter Beitrag zum Klimaschutz wäre, als eine Maßnahme „gegen jeden Menschenverstand“ zurückgewiesen worden.

Kein ganzheitliches Konzept

Die Gedankenspiele aus der Münchner Staatskanzlei kranken damit an derselben Fokussierung auf einzelne Bereiche, die auch die Diskussion um die CO2-Steuer bestimmt. Diese konzentriert sich außer auf den Verkehr auch auf das Heizen. Sie soll dabei jene treffen, die sich unmittelbar als Kohlendioxidsünder identifizieren lassen, also Menschen, die mit Öl und Gas heizen oder Autos ohne Elektroantrieb fahren.

Die Emission klimaschädlicher Gase wird jedoch auch durch andere Verhaltensweisen gefördert, etwa den Fleischkonsum oder das Streamen, für das immer leistungsstärkere Server benötigt werden, die eine immer aufwändigere Kühlung erfordern. Das Argument, das hierfür ja Öko-Strom verwendet werden könne, zieht nicht, da die Server auch in Ländern stehen können, die auf eine konventionelle Stromproduktion setzen.

So müssten, soll es gerecht zugehen, auch Fleischpreise und Streaminggebühren von der CO2-Steuer erfasst werden. Ansonsten läuft diese darauf hinaus, dass die arme Rentnerin auf dem Land mit der Strafsteuer auf ihre Ölheizung die nicht minder CO2-intensive Lebensweise der jungen urbanen Elite finanziert.

Wer die Idee einer Strafgebühr auf klimaschädliches Verhalten weiterdenkt, wird zudem noch etliche weitere Einnahmequellen für die Finanzämter entdecken: Benzinbetriebene Gartengeräte, Silvesterböller, alte Kühlschränke, Grillgeräte … Eifrige Steuerfahnder werden die Liste sicher gerne erweitern und dann auch gleich bei der Einrichtung einer Klimapolizei helfen, die von Haus zu Haus geht, um das Verhalten der schuldbeladenen Bürger zu kontrollieren und unbarmherzig zu ahnden.

Soziale Unausgewogenheit

Die Frage ist nur: Wollen wir wirklich eine solche Klima-Scharia einführen? Und: Warum muss der Staat eigentlich immer als strafender Rachegott auftreten? Würde zu einem demokratischen Gemeinwesen nicht viel eher das Bild eines helfenden, unterstützenden, ausgleichenden Staates passen?

Ein solcher Staat würde auf Bürger mit unliebsamen Verhaltensformen nicht mit dem Steuerknüttel einschlagen, sondern sie dabei unterstützen, ihr Verhalten zu ändern. Im Bereich der CO2-Emissionen bedeutet das vor allem: Es müssen Gelder bereitgestellt werden, durch die alle sich die teuren Umrüstungsmaßnahmen leisten können.

Mit ein paar Steuererleichterungen an anderer Stelle ist es da nicht getan. Vielmehr sind hierfür kostendeckende Darlehen erforderlich. In einem solidarischen Staatswesen müssten diese durch eine zusätzliche Abgabe auf höhere Einkommen finanziert werden. Das derzeit geplante Strafgebührenmodell läuft dagegen darauf hinaus, dass vermögendere Zeitgenossen sich etwas leisten können, das Menschen mit geringerem Einkommen verwehrt wird.

Mehrwertsteur-Bonbon mit fadem Beigeschmack

Genau dies gilt nun aber auch für den Sommerloch-Vorschlag der CSU, die Mehrwertsteuer auf Bahntickets abzuschaffen und das Bahnfahren so gegenüber innerdeutschen Flugreisen attraktiver zu machen. Auch hier gilt: Wer es sich leisten kann, wird sich von ein paar Cent mehr oder weniger nicht vom Fliegen abhalten lassen. Andere werden sich als Frühbucher auf Schnäppchenjagd begeben.

So wird bei einem Wegfall der Mehrwertsteuer auf Bahntickets in der Summe kein nennenswerter Umstieg auf die Bahn bewirkt werden. Die für die Bahn gefährlichere – und ebenfalls nicht gerade klimafreundliche – Konkurrenz dürften auf lange Sicht ohnehin die innerdeutschen Busverbindungen sein. Diesen verhilft die Bahn schon seit Jahren durch die Preisschraube, die sie in nervtötender Regelmäßigkeit anzieht, zu einem stetigen Aufschwung.

Um die Attraktivität der Bahn gegenüber Flugreisen im Inland zu erhöhen, muss das Bahnfahren vor allem deutlich bequemer werden. Genau dies wird jedoch durch das – übrigens nicht erst seit gestern CSU-geführte – Bundesverkehrsministerium verhindert, das den Auto- gegenüber dem Schienenverkehr bevorzugt. Hinzu kommt noch das bahninterne Kosteneffizienz-Gebot, das dazu führt, dass die Züge regelmäßig bis auf den letzten Platz ausgebucht sind und ein Reisefeeling wie in einer überfüllten Sardinenbüchse bieten.

Notwendigkeit EU-weiter Regelungen

Nicht zuletzt krankt auch der bayrische Mehrwertsteuer-Bonbon wieder an der Beschränkung auf die nationale Ebene. Viel wirkungsvoller wäre eine Übereinkunft auf europäischer Ebene. Dabei könnte etwa festgelegt werden, dass Flugreisen nur dann angeboten werden dürfen, wenn es keine zumutbare, zeitlich vergleichbare Alternative mit der Bahn gibt. Wer Wattestäbchen verbieten kann, müsste doch eigentlich auch im Verkehrsbereich klimaschützende Regelungen erlassen können.

Auf diese Weise würden zahlreiche Kurzstreckenflüge automatisch entfallen. Denn wenn es um die reine Zeit geht, ist die Bahn dem Flugzeug auf Kurzstrecken heute schon oft überlegen oder hat die Zeitersparnis, die sich früher durch das Fliegen ergeben hat, zumindest ausgeglichen. Schließlich müssen zu der reinen Flugzeit ja stets auch die Anfahrt zum Flughafen, die Kontrollen vor dem Flug und die anschließende Weiterfahrt zum Zielort hinzugerechnet werden.

Fazit: München ist nicht Brüssel. Es ist zwar lobenswert, dass man auch am Hof von König Markus allmählich beginnt, sich mit dem Klimawandel zu beschäftigen. Der große Wurf ist von dort aber nicht zu erwarten.

 

Bild: Enrique Mesenguer: Landschaft (pixabay)

 

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