Die Mauern der Ideologien

Gastfreundschaft und Fremdenfeindlichkeit in Russland und den USATeil 1

Trump und Putin präsentieren sich derzeit mal wieder als denkbar schlechte Botschafter ihrer Länder. Trump bietet im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf ein Best-Of seiner rassistischen und sexistischen Parolen und der Schmähungen seiner politischen Gegner. Putin zeigt sich nach dem Giftanschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny mal wieder von seiner zynischsten Seite („Nawalny? Welcher Nawalny? Warum sollten wir so einen unbedeutenden Menschen vergiften wollen?“).
Dabei gibt es in den USA eine Vielzahl engagierter Gruppen, die der nicht minder zynischen Fremdenfeindlichkeit ihres Präsidenten mit aktiver Hilfe für Migranten entgegentreten. Und die russische Gastfreundschaft ist so legendär, dass Russland in der deutschen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts von vielen Dichtern – allen voran von Rainer Maria Rilke – als „Menschenheimat“ gepriesen wurde.
Wie ist dieses Nebeneinander von zynischer Inhumanität und tief empfundener Humanität, von Offenheit für das Fremde und offener Fremdenfeindlichkeit, von Gastfreundschaft und ostentativer Ungastlichkeit zu erklären? Dieser Frage ist eine siebenteilige Essay-Reihe auf rotherbaron gewidmet. Teil 1 beschäftigt sich mit den Mauern der Ideologien, die Menschen voneinander trennen können. In Teil 2 wird es am kommenden Mittwoch um die Gegensätze zwischen Hauptstadtpolitik und Alltagskultur gehen.

1. Die Mauern der Ideologien

Build this wall! – oder: Der Bau einer Sauna in der Wüste

Seit Donald Trump mit seinen Mauerplänen die Phantasien von einer abgeriegelten Insel der Seligen befeuert, nehmen auch die Berichte von der amerikanisch-mexikanischen Grenze zu. Die Frage ist dann immer: Wie denken die Menschen vor Ort über die Pläne? Wie passen sie zu ihrem konkreten Alltagsleben?
Zwar trifft man in diesen Berichten auch immer wieder auf selbst gestrickte „border patrols“, die das Grenzgebiet auf eigene Faust nach unbefugten Einreisenden durchkämmen. Häufiger sind allerdings Erzählungen von Menschen, auf die die Pläne ähnlich realitätsfremd wirken wie der Bau einer Sauna in der Wüste. Ihr Alltag ist oft von wirtschaftlichem Austausch und auch von persönlichen Beziehungen mit Menschen jenseits der Grenze geprägt. Hilfreich wäre für sie nicht eine Erweiterung, sondern ein Abbau der Grenzanlagen.
Wenn man derartige Berichte hört, lernt man die USA von einer ganz anderen Seite kennen. Denn die Tagesaktualität, die die Berichte in den Hauptnachrichten dominiert, ist bestimmt von der Polarität zwischen dem Trump-Lager und der linksliberalen Opposition. So entsteht der Eindruck, dass sich alles um das Brüllaffentum dieses Präsidenten und dessen lustvolle Übertretung aller Anstandsgrenzen dreht – interessanterweise existieren für ihn selbst nämlich die Grenzen nicht, die er für andere errichten möchte.

Die Fallstricke der political correctness

Als Gegenmittel gegen Trumps ostentative Schmähung anderer und sein Beharren auf rassistischen und sexistischen Stereotypen ist vom linken Lager ein enges Korsett von political correctness gestrickt worden. Trumps spalterischen Tendenzen soll ein konsequent inklusiver Ansatz gegenübergestellt werden.
Vor dem Hintergrund von Trumps Beleidigungsorgien ist das zwar verständlich. Allerdings weist die political correctness in ihrem Rigorismus mittlerweile selbst autoritäre Tendenzen auf. Wie und ob die Hautfarbe anderer, ihr Geschlecht, ihre sexuelle Orientierung oder ihre Herkunft sprachlich ausgedrückt werden kann, ist mittlerweile Gegenstand haarspalterischer Diskussionen. In Alltagsgesprächen führt das zu unzähligen Fallstricken, denen man nur um den Preis einer politisch korrekt verknoteten Zunge entgehen kann.

Noch eine Saunawahrheit

Diese Probleme haben Menschen, für die der Umgang mit Fremden den Alltag prägt, nicht. Für sie ist jeder andere zunächst einmal – ein Mensch. Sie sehen einander nicht durch die Brille wie auch immer gearteter politischer Ideologien, sondern begegnen einander mit einer natürlichen, fast kindlichen Neugier. Der Kontakt mit Fremden wird hier nicht in erster Linie als Bedrohung der eigenen Besitztümer oder des eigenen Weltbilds wahrgenommen, sondern als potenzielle Möglichkeit geistiger und emotionaler Bereicherung.
Die Voraussetzung dafür, dass diese Möglichkeit eingelöst werden kann, ist dabei gerade eine grundsätzliche Unvoreingenommenheit. Andere Menschen werden dann eben nicht zunächst als Angehörige einer bestimmten Nation oder Anhänger einer fremden Religion wahrgenommen, auf deren Befindlichkeiten in dieser oder jener Weise Rücksicht genommen werden muss – oder die umgekehrt an die eigenen Gepflogenheiten angepasst werden müssen. Eben dadurch fallen auch die Hemmungen weg, ihnen auf jener ganz fundamentalen Ebene zu begegnen, auf der alle Menschen einander ähneln wie die kleiderlosen Rötlinge in der Sauna.
Oder, um es mit Karl Valentin zu sagen:

Nur in der Fremde ist der Fremde ein Fremder.

Hörtipp

Rohrbach, Dirk: Trump und die USA: Supermacht in der Krise, Teil 5: 3000 Kilometer Grenze. Bayern 2, RadioFeature, 5. September 2020: Feature über eine Reise entlang der Grenze zwischen der USA und Mexiko. Der „Roadtrip voller Überraschungen“ führt das Alltagsleben an der Grenze anhand zahlreicher Begegnungen und Beobachtungen plastisch vor Augen (bzw. „vor Ohren“).

Bild: Gerd Altmann: Gesicht (Pixabay)

3 Kommentare

  1. Putin. Trump. Bolsonaro. Und wen oder was haben wir? Willkommenskultur – Schließung der Balkanroute – Türkeideal. The wall is built. Massenlager an beiden Meeresufern. Immerhin können die Gutmenschen ihre moralische Überlegenheit noch durch Sprachverhunzung und Gesinnungszwang erweisen.

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  2. Die USA mit ihrer Politik Nord Stream 2 zum Abbruch zu bewegen in Deutschland nicht viel Erfolg gehabt (siehe Sanktionen gegen die Betreiber des Ostseehafens und der Verlegeschiffe) Endlich hat mal Deutschland nicht klein bei gegeben.
    Ploetzlich gibt es nun ein Giftanschlag mit einem Gift, dass angeblich nur Russland in Besitz (hatte) und als Reaktion ist der Abbruch der Pipleline im Gespraech -> Was fuer ein Zufall…

    Warum sollte Russland in dieser Situation solche eindeutigen Faehrten legen… das macht kein Sinn.

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    1. Das macht ganz viel Sinn. Denn damit kann man allen Oppositionellen zeigen: Ihr seid nirgendwo sicher. Wir erwischen euch überall. Mit seiner Energiepolitik macht sich Deutschland ohnehin von Russlands gas oder dem us-amerikanischen Fracking abhängig. Und die Frage ist: Ist Russland von Nord-Stream abhängig?- Eher nicht. Putins Regentschaft begann mit dem Mord an dem kritischen Journalisten Listjew. Putin kommt vom KGB und was wir haben, ist die Regentschaft eines Geheimdienstes …

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