Entfesselte Gewalt: Der Konflikt um die äthiopische Region Tigray

Im Norden Äthiopiens tobt derzeit ein Krieg, bei dem auch noch die letzten Zäune der Humanität eingerissen werden. Ähnliche Tendenzen waren auch bei anderen kriegerischen Auseinandersetzungen der jüngeren Vergangenheit zu beobachten.

Hintergründe des Konflikts

Auslöser des Krieges

Ausweitung des Konflikts

Gezielte Gewalt gegen die Zivilbevölkerung

Sexualisierte Gewalt

Die Konstruktion ethnischer Grenzen

Krieg hinter verschlossenen Türen

Pervertierung der Friedensnobelpreis-Idee

Fazit

Nachweise

Eine neue Qualität des Krieges

Während wir uns im kuscheligen Deutschland noch immer unserer Corona-Trance hingeben und darüber debattieren, wer von unseren 20-Prozent-Polit-Homunculi sich demnächst zum Führerlein aufschwingen darf, geschehen anderswo auf der Welt Verbrechen, die die Vorstellungskraft von uns Wohlstandskindern bei weitem übersteigen.
Ich rede hier nicht von den gewöhnlichen Verbrechen, von fehlgeleiteten oder skrupellosen Einzeltätern, die es natürlich auch bei uns gibt. Nein, worum es mir geht, ist die systematische, staatlich organisierte Gewalt im Krieg. Diese nimmt in letzter Zeit immer brutalere, immer entfesseltere Formen an. Ein Beispiel dafür ist der gegenwärtige Krieg im Norden Äthiopiens.
Um es gleich zu Beginn ganz deutlich zu sagen: Ich behaupte hier keineswegs, dass die Menschen in Äthiopien gewalttätiger sind als anderswo auf der Welt. Der Krieg in Tigray und angrenzenden Regionen ist für mich lediglich ein Beleg dafür, dass Kriege überall auf der Welt derzeit dazu tendieren, immer maßloser zu werden in den Formen der Gewaltanwendung. Dies möchte ich im Folgenden – im Anschluss an eine kurze Skizzierung der Konfliktlinien – anhand einiger besonders augenfälliger Aspekte deutlich machen.

Hintergründe des Konflikts

Nach dem Sturz von Kaiser Haile Selassie im Jahr 1974 herrschte in Äthiopien eine marxistisch orientierte Militärregierung. Diese wurde wiederum 1991 von der Befreiungsbewegung EPRDF gestürzt. Innerhalb dieser „Revolutionären Demokratischen Front der Äthiopischen Völker“ hatte die TPLF, die tigrinische Volksbefreiungsfront, die Führung inne (1).
Dadurch kam dem Volk der Tigray auch im neuen Staat eine Führungsrolle zu, obwohl es nur ca. 6 Prozent der Einwohner des äthiopischen Vielvölkerstaates repräsentiert. Seit der Machtübernahme durch Abiy Ahmed im Jahr 2018 hat sich dies geändert. Der neue Ministerpräsident ist Sohn einer amharischen Mutter und eines zum Volk der Oromo gehörenden Vaters.
Durch den neuen starken Mann im Land sind somit zum einen die früheren Machtverhältnisse wiederhergestellt worden: Das Volk der Amhara, dem rund ein Viertel der Äthiopier angehört, war bis 1991 jahrzehntelang die bestimmende Kraft im Staat. Zum anderen konnten durch die väterliche Seite des neuen Ministerpräsidenten aber auch die Oromo darauf hoffen, mehr Einfluss auf die Geschicke des Staates zu erhalten.
Die Oromo stellen zwar rund ein Drittel der Einwohner Äthiopiens, wurden aber in der Vergangenheit häufig diskriminiert – was auch damit zusammenhängt, dass sie mehrheitlich muslimischen Glaubens sind. Die Amharen und die Tigrayer sind dagegen größtenteils äthiopisch-orthodoxe Christen.

Yan Boechat/VOA:  Eine Flüchtlingsfamilie kocht  Injera, ein traditionelles Gericht, auf einem Schulhof, der in ein Flüchtlingscamp umgewandelt wurde. Mekelle, Äthiopien, 3. Juni, 2021. (Wikimedia)

Auslöser des Krieges

Durch die neuen Machtverhältnisse ergab sich für die Tigrayer die Gefahr einer zunehmenden Minorisierung im Staat. Dies ist die eigentliche Ursache des gegenwärtigen Krieges in Tigray. Der Auslöser war die Tatsache, dass Abiy Achmed die für August 2020 angesetzten Parlaments- und Regionalwahlen mit Blick auf die Corona-Pandemie absagte. Diese Entscheidung akzeptierte die Regierung in Tigray nicht und ließ in ihrer Provinz gegen die Anordnung des Präsidenten Wahlen abhalten.
In der Folge bezichtigten sich beide Seiten der Illegitimität: In Tigray sprach man Abiy Achmed die Legitimität ab, weil er ohne Wahlen weiterhin im Amt blieb. Von Seiten der Zentralregierung warf man der Regierung in Tigray fehlende Legitimität vor, weil sie sich mit den Wahlen über die Anordnung der äthiopischen Zentralregierung hinweggesetzt hatte.
Nachdem TPLF-Kräfte Militärbasen in der Region besetzt hatten, entsandte die Zentralregierung die Armee, um die Armeestützpunkte zurückzuerobern. Anfang November 2020 wurde vom äthiopischen Parlament dann die Absetzung der tigrayischen Regierung beschlossen. Seitdem tobt ein Krieg, dem mittlerweile Tausende Menschen zum Opfer gefallen sind und der bereits über eine halbe Million Menschen in die Flucht getrieben hat.

Ausweitung des Konflikts

Inzwischen hat sich der Krieg ausgeweitet. Auch das angrenzende Eritrea beteiligt sich mittlerweile an den Kämpfen in Tigray. Damit droht auch der gerade erst beigelegte Grenzkonflikt mit Äthiopien wieder aufzuflammen. Hintergrund der eritreischen Einmischung ist wohl die Tatsache, dass die äthiopische Zentralregierung während des Krieges mit Eritrea von der TPLF dominiert war.
Die Ende Juni 2021 begonnene Gegenoffensive der TPLF hat den Krieg auch in angrenzende Provinzen getragen, insbesondere in die südlich von Tigray gelegene Amhara-Region. Dass dies mit Racheakten verbunden sein würde, legen u.a. die Massaker an in Tigray lebenden Amharen nahe, zu denen es schon Ende letzten Jahres gekommen war (2). In der Tat gibt es auch bereits Berichte über spiegelbildliche Gewaltakte gegenüber der amharischen Bevölkerung (3).
Vermittlungsversuche der Afrikanischen Union sind bislang erfolglos geblieben. Stattdessen ist von der äthiopischen Zentralregierung die Generalmobilmachung gegen Tigray ausgerufen worden. Dieser folgen aber bei weitem nicht alle Bevölkerungsgruppen. Manche – darunter die größte äthiopische Gruppe, die Oromo – scheinen sich eher auf die Seite der TPLF zu schlagen. Dadurch droht dem Land ein Bürgerkrieg, in dem es in letzter Konsequenz auseinanderbrechen könnte – mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Region (4).

Gezielte Gewalt gegen die Zivilbevölkerung

Die äthiopische Armee hat sich in Tigray nicht darauf beschränkt, die Armee des Gegners zu bekämpfen. Stattdessen hat sie gezielt Gewalt gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt, um ihre Kriegsziele zu erreichen. So wurden nicht nur Felder zerstört und Bewässerungskanäle unbrauchbar gemacht. Zusätzlich wurde den Landwirten auch explizit die Arbeit auf den Feldern verboten. Die Folge ist, dass laut Angaben der Vereinten Nationen mittlerweile 350.000 Menschen in Tigray akut vom Hungertod bedroht sind (5).
In Tigray aktive Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen und die Norwegische Flüchtlingshilfe sind von der äthiopischen Regierung angewiesen worden, ihre Arbeit einzustellen. Drei Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen sind bereits getötet worden. Hilfsgüterlieferungen sind zudem blockiert oder geplündert worden (6).
All diese Entwicklungen sind nicht neu. Der Krieg war noch nie eine Feier der Humanität. Man denke nur an den Dreißigjährigen Krieg, als marodierende Söldnerheere, die plündernd, brandschatzend und mordend durch die Lande zogen, vielerorts eine alltägliche Erscheinung waren.
Eben um diese Auswüchse des Krieges einzudämmen, hat sich die Völkergemeinschaft vor 120 Jahren auf die Haager Landkriegsordnung geeinigt (7). Der Schutz der Zivilbevölkerung ist darin ein zentrales Anliegen. Gezielte Angriffe auf sie sollen vermieden werden, militärische Gewalt, die die Zivilbevölkerung unverhältnismäßig in Mitleidenschaft zieht, ebenso.
Schon durch den zunehmenden Einsatz der Luftwaffe, die größtmögliche Zerstörungskraft am Boden bei verringertem Einsatz eigener Soldaten verspricht, sind die humanitären Ziele der Haager Landkriegsordnung konterkariert worden. Luftschläge haben sich in der Vergangenheit immer auch gegen die Zivilbevölkerung gerichtet. Und selbst Drohnen sind bei weitem nicht so präzise, dass bei ihrem Einsatz nur „feindliche Kombattanten“ getötet würden (8).
Grundsätzlich wurde jedoch noch bis vor kurzem die Grenzziehung zwischen unmittelbar an den Kämpfen beteiligten Soldaten und unbeteiligter Zivilbevölkerung nicht in Frage gestellt. Das Rote Kreuz war sakrosankt, ein Angriff auf unter seinem Schutz stehende Helfer und Hilfskonvois ein Sakrileg.
In letzter Zeit wird die Grenze zwischen Armee und Zivilbevölkerung jedoch immer weiter aufgeweicht. Schon im Syrienkrieg waren Angriffe auf Krankenhäuser kein Tabu mehr (9). Immer häufiger wird die Zerstörung ziviler Infrastruktur ganz gezielt als Kriegswaffe eingesetzt. Es geht nicht mehr darum, ein Gebiet erst zu erobern und den Menschen dort anschließend die eigenen Bedingungen aufzuzwingen. Stattdessen erleichtert man sich schon während des Krieges die spätere Herrschaft, indem so viele Angehörige der feindlichen Bevölkerung wie möglich getötet oder ihrer Lebensgrundlagen beraubt und in die Flucht getrieben werden.
Mit anderen Worten: Das einzelne Menschenleben zählt nichts mehr. Wir nähern uns wieder der Barbarei des Dreißigjährigen Krieges, dem wahl- und zügellosen Töten um des Tötens willen.

Sexualisierte Gewalt

Laut Amnesty International setzen die äthiopische Armee und ihre Verbündeten auch sexualisierte Gewalt gezielt als Mittel der Kriegsführung ein. Tigrayische Frauen werden vergewaltigt und im Genitalbereich verstümmelt, versklavt und entführt. Die Opfer berichten zudem von zusätzlichen Demütigungen, indem etwa Familienangehörige den Vergewaltigungen beiwohnen müssten und die Gewaltakte mit rassistischen Beschimpfungen verbunden würden (10). Nach dem Eindringen der TPLF in die Region Amhara gibt es von dort Berichte über ähnliche Gewaltakte (11).
Auch hier gilt: Das ist nichts Neues. Man muss sich aber darüber bewusst sein, dass Menschen selbst im Krieg kaum tiefer sinken können, als es bei der Anwendung sexualisierter Gewalt der Fall ist. Etwas Abstoßenderes ist kaum vorstellbar.
Dies liegt nicht nur daran, dass dabei stets wehrlose Zivilisten – in aller Regel Frauen – die Opfer sind. Die besondere Widerwärtigkeit sexualisierter Gewalt besteht vielmehr auch darin, dass die Täter hier ganz offen ihre Lust an der Qual der Opfer zeigen und ausleben. Mit diesem ungehemmten Sadismus reißen sie auch noch die letzten Reste von Menschlichkeit ein und begeben sich vollständig auf das Terrain der Bestialität.

Yan Boechat/VOA: Letay Girmay, 50, erzählt, dass sie und andere Bewohnerinnen des Dorfes die Leichen vieler Zivilisten des Dorfes nach einem Angriff begraben haben. Hawzen,  Äthiopien 6. Juni 2021

Die Konstruktion ethnischer Grenzen

Nach der Machtübernahme der EPRDF 1991 kam es zu einer grundlegenden Neuorganisation des äthiopischen Staates. Zentrale Idee war dabei ein ethnischer Föderalismus, also eine Einteilung der Provinzen entlang ethnischer Grenzen (12).
Volksgruppen wie die bislang benachteiligten Oromo profitierten von dem neuen System, das ihnen mehr Autonomie und Selbstbestimmung ermöglichte. Für die kleineren der insgesamt über 80 ethnischen Gruppen brachte es jedoch eher Nachteile mit sich, da sie in den nun ethnisch definierten Provinzen ihre Minderheitenposition noch stärker zu spüren bekamen. Außerdem sind die Siedlungsgebiete der einzelnen Ethnien keineswegs so einheitlich, wie die ethnisch definierte Gebietseinteilung glauben machen wollte.
Vor allem aber führte die Staatsreform dazu, dass das ethnische Selbstverständnis eine größere Bedeutung bekam als zuvor. So standen bei Tigrayern und Amharen früher eher die Gemeinsamkeiten im Vordergrund, die sich etwa aus der gemeinsamen religiösen Orientierung (überwiegend äthiopisch-orthodox) und der Zugehörigkeit ihrer Idiome zur selben äthiosemitischen Sprachfamilie ergaben.
Die Wucht des derzeitigen Konflikts könnte ihre Ursache demnach auch in dem neuen, stärker auf die eigene Volksgruppe bezogenen Selbstverständnis vieler Menschen in Äthiopien haben. Wohin das führen kann, hat nicht zuletzt der Völkermord in Ruanda gezeigt. Der Unterschied zwischen Hutu und Tutsi war dort ursprünglich nur ein sozialer – nämlich der zwischen armen Ackerbauern und reichen Viehbesitzern. Erst die Umdefinition der sozialen in eine ethnische Differenz durch die deutschen sowie später die belgischen Kolonialherren und die Festschreibung des vorgeblichen ethnischen Status in offiziellen Dokumenten bereitete den Boden für den späteren Völkermord an den Tutsi (13).
Auch sexualisierte Gewalt nimmt an Schärfe zu, wenn eine ethnische Komponente hinzukommt: Die Täter treibt dann auch das wahnhafte Bestreben an, die „Reinheit“ der fremden Ethnie zu zerstören, indem sie ihre Gene gewaltsam in diese einbringen.

Krieg hinter verschlossenen Türen

Das Erste, was im Krieg stirbt, ist die Wahrheit – so sagte man früher. Heute müsste es heißen: Das Erste, was im Krieg stirbt, ist die Wirklichkeit.
Kriegspropaganda, der Versuch, die Meinungshoheit über die Kriegsberichterstattung zu gewinnen, die Beeinflussung von Kriegsreportern – das alles gibt es nicht mehr. Heute steht der Versuch im Vordergrund, das Morden ganz zu verschweigen, also den Krieg gewissermaßen hinter verschlossenen Türen stattfinden zu lassen.
Im Zeitalter von Satelliten, Internet und Handyvideos erscheint das absurd. Und doch ist genau das die Strategie, die das Vorgehen Chinas gegenüber den Uiguren in Xinjiang oder das des birmanischen Militärs gegenüber den Rohingya kennzeichnet. Eine neutrale Kriegsberichterstattung war und ist in beiden Fällen nicht möglich. Stattdessen werden einfach ein paar alternative Fakten in die Welt gesetzt, mit denen man den Diskurs zu bestimmen versucht. Aus Internierungslagern werden dann Ausbildungszentren, aus Oppositionellen Terroristen.
Dies kennzeichnet auch den aktuellen Konflikt um Tigray. An neutrale Berichte aus dem Kriegsgebiet ist nicht zu denken. Amnesty International ist für die Dokumentierung der Menschenrechtsverletzungen auf Interviews mit Geflüchteten und Gespräche über verschlüsselte Telefonverbindungen angewiesen (14). Derartige Berichte lassen sich aber leicht anzweifeln, da sie notgedrungen von der Opferperspektive bestimmt sind.

Pervertierung der Friedensnobelpreis-Idee

Abiy Ahmed ist sicher nicht der alleinige Verantwortliche für den Krieg in Tigray und die dort begangenen Menschenrechtsverletzungen. Als äthiopischer Ministerpräsident war er jedoch an allen maßgeblichen Entscheidungsprozessen beteiligt und ist somit zumindest mitschuldig an der Zuspitzung des Konflikts.
Setzt sich die Eskalation fort, so darf sich das Nobelpreiskomitee rühmen, einem späteren Völkermörder den Friedensnobelpreis verliehen zu haben. Sicher, man wird dort sagen, dies sei nicht vorherzusehen gewesen, als man Abiy Ahmed für die Aussöhnung mit dem jahrelangen Kriegsgegner Eritrea ehrte.
Allerdings – selbst dies lässt sich geflissentlich bezweifeln. Immerhin war der heutige Ministerpräsident zwischen 2007 und 2010 stellvertretender Direktor der äthiopischen Information Network Security Agency. Hinter dem schicken Namen verbirgt sich nichts anderes als ein Apparat zur umfassenden Überwachung der elektronischen Kommunikation. Auch war Abiy Ahmed Mitglied der Vorgängerregierung, die nicht gerade für einen besonders friedfertigen Umgang mit Oppositionellen bekannt war.
Vor allem aber ist Abiy Ahmed ja nicht der erste Fehlgriff des Nobelpreiskomitees. Barack Obama intensivierte nach der Verleihung des Friedensnobelpreises den Drohnenkrieg gegen angebliche Terroristen, dem unzählige Zivilisten zum Opfer fielen (15). Und Aung San Suu Kyi, die Lichtgestalt der birmanischen Demokratiebewegung, verharmloste den Völkermord an den Rohingya (16).
Dies stellt nicht nur die Vergabekriterien des Nobelpreiskomitees in Frage. Die Fehlgriffe der Vergangenheit lassen vielmehr auch grundsätzlich die Sehnsucht nach Friedensheroen fragwürdig erscheinen. Sinnvoller erschiene es, nur noch Organisationen zu fördern, an deren Engagement für den Frieden keinerlei Zweifel bestehen kann – wie dies etwa 1999 im Fall von Ärzte ohne Grenzen geschehen ist.
Unzählige andere Nichtregierungsorganisationen, die sich seit Jahren unter schwersten Bedingungen für den Schutz des Lebens und die Menschenrechte engagieren, hätten den Friedensnobelpreis ebenso verdient. Bei ihnen würden auch die ungeheuren Summen, über die das Nobelpreiskomitee verfügt, weit eher eine konkrete Friedensdividende erbringen.

Fazit

So what, könnte man sagen. Homo homini lupus, der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, Menschen sind grausam, das ist nun einmal so.
Allerdings frage ich mich, warum das Wort „Humanität“ dann einen so positiven Beiklang für uns hat. Offenbar sehen wir uns eben doch nicht in erster Linie als Bestien, die Lust daraus ziehen, andere zu Tode zu quälen. „Human“ zu sein, bedeutet für uns vielmehr, derartige Triebe gerade nicht auszuleben.
Angesichts unserer animalischen – oder sagen wir lieber, um die Tiere nicht zu beleidigen: bestialischen – Natur können wir uns dem Ideal der Humanität aber nur millimeterweise annähern. Genau deshalb ist es so wichtig, jede noch so kleine Maßnahme in Richtung eines humaneren Umgangs miteinander mit aller Macht zu verteidigen, anstatt zuzulassen, dass sie sang- und klanglos unter der nächsten Rollback-Welle begraben wird.

Katie Hunt: Frau vor dem Gheralta Massiv in Tigray
            28. Februar 2011 (Wikimedia)

Nachweise

  1. Ausführliche Informationen zu Geschichte, Kultur und ethnischer Vielfalt Äthiopiens finden sich in dem Sonderheft der Bundeszentrale für politische Bildung zu Äthiopien vom April 2020; zum Krieg in Tigray vgl. Deutschlandfunk: Hintergründe und Konfliktlinien: Eskalation in Äthiopiens Tigray-Region; 5. Juli 2021.
  2. Amnesty International UK: Ethiopia: Investigation confirms scores of civilians killed in Tigray state massacre; Pressemitteilung vom 12. November 2020.
  3. Vgl. Diekhans, Antje: Keine Lösung im Tigray-Konflikt in Sicht. Deutschlandfunk, 4. September 2021; über Plünderungen von Lagerhallen für Hilfsgüter durch die TPLF berichtet die Nachrichtenagentur APF: Ethiopia’s Tigray rebels looting aid supplies: US agency; 31. August 2021.
  4. Vgl. Kifle, Shuwa: Zerbricht Äthiopien im Bürgerkrieg? Telepolis, Heise online, 16. August 2021.
  5. UN News: UN agencies scale-up response to address looming famine ‚catastrophe‘ in Tigray; Humanitarian Aid, 10. Juni 2021; Schaap, Fritz: Krieg in Äthiopien: Wie die Regierung Hunger als Waffe einsetzt. Der Spiegel, 4. August 2021.
  6. Al-Dschasira (Aljazeera): Three MSF workers ‚brutally murdered‘ in Ethiopia’s Tigray. 25. Juni 2021.
  7. Die Haager Landkriegsordnung wurde 1899 beschlossen und 1907 überarbeitet. Sie gilt seitdem als einer der Grundpfeiler des Völkerrechts.
  8. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen hat etwa der US-Drohnenkrieg gegen so genannte „feindliche Kombattanten“ allein in Pakistan 400 Zivilisten das Leben gekostet. Dies dokumentierte im Jahr 2013 ein UN-Bericht, über den u.a. die Zeit berichtet hat (vgl. Zeit online: US-Drohnen töteten in Pakistan mindestens 400 Zivilisten; 19. Oktober 2013).
  9. Amnesty International: Syrien: Gezielte Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen; 11. Mai 2020.
  10. Amnesty International: Äthiopien: Frauen und Mädchen im Tigray-Konflikt entführt und vergewaltigt. Pressemitteilung vom 11. August 2021.
  11. Vgl. (3).
  12. Vgl. hierzu den Beitrag von Zemelak Ayele und Julia Günther in dem oben zitierten Sonderheft der Bundeszentrale für politische Bildung zu Äthiopien: Ethnischer Föderalismus in Äthiopien.
  13. Vgl. Heeger, Carsten: Die Erfindung der Ethnien in der Kolonialzeit: „Am Anfang stand das Wort“. In: Harding, Leonhard (Hg.): Ruanda – der Weg zum Völkermord. Vorgeschichte – Verlauf – Deutung, S. 21 – 36. Hamburg 1998: LIT.
  14. Vgl. (10).
  15. Vgl. Feroz, Emran: Drohnenkrieg: Obamas tödliches Erbe. Deutschlandfunk Kultur, 19. Januar 2017.
  16. Vgl. Zeit online: Aung San Suu Kyi: Friedensnobelpreisträgerin verteidigt Rohingya-Vertreibung; 10. Dezember 2019.

Titelbild: Yan Boechat/VOA: Eine Frau in einem Klassenzimmer einer Schule, die zum Flüchtlingscamp umgebaut wurde. Mekelle, 4. Juni, 2021. (Wikimedia)

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