Lechts und rinks

Kann man sie wirklich nicht velwechsern?

Die zunehmende Erosion der alten Parteienlandschaft lässt auch die Unterschiede zwischen Rechts und Links in der Politik mehr und mehr verschwimmen. So ist auch in manch linkem Projekt mehr rechtes Denken enthalten, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.

manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht
velwechsern.
werch ein illtum!

Ernst Jandl (aus: Laut und Luise, 1966)

Ausführlicher Text als PDF

Inhalt:

Was ist politisch „links“, was „rechts“?

Abtreibung

„Mein Bauch gehört mir!“

Ab wann ist ein Mensch ein Mensch?

Stärkung der gesellschaftlichen Verantwortung für das werdende Leben

Erleichterung von Abtreibung in den ersten Schwangerschaftswochen

Gendergerechte Sprache

Auflösung der Geschlechtergrenzen

Überlastung der Sprache

Fehlender Diskurs

Grüne Energie

Trügerische Terminologie

Windkraft: Stahlbetontürme als grüne Hoffnung?

Raubbau an der Natur für Smartphones und E-Mobilität

Notwendigkeit einer nachhaltigeren Wirtschafts -und Lebensweise

Gesamtschulen

Bildungspolitisches Lieblingskind der Linken

Schwächen der Gesamtschulidee

Neue Lern- und Schulmodelle

Militär und Polizei

Linker Pazifismus

Ambivalente Haltung gegenüber der Polizei

Linke Weltpolizei?

Prostitution

Love and peace and prostitution

Diskriminierung von Frauen durch Prostitution

Hetären statt Prostituierte

Russland/Putin

Linke und rechte Putin-Versteher

Soziale Schieflagen im Realsozialismus

Putin und die Sowjetunion

Das Gefängnis linker Dogmen

Links und Anmerkungen

Was ist politisch „links“, was „rechts“?

Fotolia

Ernst Jandls kleines Epigramm lichtung galt mir lange als reine Unsinnspoesie. Erst in letzter Zeit habe ich angefangen, die Verse auf die sich „lichtenden“ Gegensätze zwischen rechtem und linkem politischem Lager zu beziehen.
Bis heute lösen die Bezeichnungen „politisch links“ und „politisch rechts“ ganz bestimmte, klar voneinander abgegrenzte Assoziationen aus. Eine „linke“ politische Haltung bringt man eher mit geistiger Avantgarde, libertären Positionen oder auch der stärkeren Betonung von Aspekten wie sozialer Gerechtigkeit und Teilhabe oder Multikulturalität in Verbindung. Eine „rechte“ politische Gesinnung wird dagegen eher mit konservativ-bewahrenden Positionen, mit strikteren Moralvorstellungen, Law-and-Order-Denken, wirtschaftsliberalen Überzeugungen sowie dem Ideal einer kulturell homogenen Gesellschaft assoziiert.
In der Tat bietet eine solche Einteilung auch noch immer einen groben Orientierungsrahmen. Allerdings gibt es auch einige Themenbereiche, bei denen scheinbar eindeutig „linke“ Positionen durch ihre Verabsolutierung eine dem eigenen avantgardistischen Anspruch zuwiderlaufende Stoßrichtung erhalten. Wer auf unserem Planeten lange genug nach links marschiert, landet eben irgendwann auf der rechten Seite. Dazu an dieser Stelle ein paar Beispiele.

Abtreibung

„Mein Bauch gehört mir!“

Spätestens seit sich 1971 im Magazin Stern mehrere Frauen dazu bekannten, abgetrieben zu haben, und dadurch eine breite Debatte über weibliche Selbstbestimmung auslösten, gilt die Befürwortung des freien Rechts auf Abtreibung als selbstverständlicher Bestandteil eines aufgeklärt-freiheitlichen Denkens. Wenn wir uns die damalige Situation vor Augen halten, in der Frauen einen Schwangerschaftsabbruch nur heimlich und zuweilen unter Lebensgefahr im Ausland vornehmen lassen konnten, ist das auch nur allzu verständlich. Die Liberalisierung des Abtreibungsrechts, zu der die Kampagne maßgeblich beigetragen hat, ist so in der Tat als wichtiger Fortschritt für abtreibungswillige Frauen zu werten.
Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass schon die damalige Kampagne eine Kehrseite aufwies. „Mein Bauch gehört mir!“ – das implizierte eben auch die alleinige Verantwortung der Frau für das werdende Leben. Der Mann konnte sich so stets darauf berufen, dass die Frau ja hätte abtreiben können, wenn sie die ungewollte Nebenwirkung des sexuellen Amüsements hätte vermeiden wollen, er also auch nicht für diese aufkommen müsse.
Dieser unbeabsichtigten Schlussfolgerung aus dem frauenbewegten Schlachtruf ist zwar vom Gesetzgeber durch entsprechende Unterhaltsregeln ein Riegel vorgeschoben worden. Es gibt jedoch noch einen anderen Kontext, in dem die Verklärung der Abtreibung zu einem Akt der Befreiung den humanitären Anspruch eines sich als „links“ einstufenden Menschen konterkariert.

Ab wann ist ein Mensch ein Mensch?

Wer sich politisch „links“ einordnet, ist natürlich strikt gegen eugenische Auslese und Euthanasie. Beides wird jedoch bei einer bedingungslosen Befürwortung von Abtreibungen ungewollt gefördert. Denn bei Spätabtreibungen werden auch überlebensfähige Föten aus dem Mutterleib „entsorgt“, wenn zu erwarten steht, dass sie mit einer Behinderung auf die Welt kommen würden. Früher ließ man die überlebenden Föten nach der Geburt schlicht verhungern, heute wird der Tod vor der Abtreibung herbeigeführt, indem den Föten noch im Mutterleib Kaliumchlorid gespritzt oder die Nabelschnur durchtrennt wird.
Die Problematisierung dieser Praxis bedeutet allerdings keineswegs, dass Abtreibung allgemein zu verurteilen wäre. Die fundamentalistisch-klerikale Deutung, wonach der Mensch nicht trennen dürfe, was Gott zusammengefügt habe, mit der Vermählung von Samen und Eizelle also auch schon ein neuer Seelenfunke im mütterlichen Bauch gezündet werde, ist natürlich auch keine Alternative. Allerdings müsste gerade dann, wenn diese Position verworfen wird, auch aus einer nicht-religiösen, weltanschaulich neutralen Position der Zeitpunkt, ab dem von der Existenz menschlichen Lebens im Mutterleib gesprochen werden kann, klarer bestimmt werden.
Es ist durchaus nicht leicht zu sagen, wann genau diese kritische Schwelle erreicht wird. Klar ist jedoch: Je früher der Abbruch erfolgt, desto weniger hat sich entwickelt, und desto geringer ist die körperliche und psychische Belastung für die Frau.

Erleichterung von Abtreibung in den ersten Schwangerschaftswochen

Gerade Konservativen, die sich von metaphysischen Begründungsmustern freimachen, müsste vor diesem Hintergrund daran gelegen sein, die entsprechenden Maßnahmen und Medikamente leichter zugänglich zu machen. Dies betrifft nicht nur die „Pille danach“, die ja mittlerweile rezeptfrei in der Apotheke erhältlich ist, sondern auch den ungehinderten und raschen Zugang zu Beratungsterminen in Arztpraxen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen – ohne den Zwang zu einem vorgeschalteten inquisitorischen Gespräch bei nicht-medizinischen Beratungsstellen.
Die logistische und finanzielle Erleichterung von Schwangerschaftsabbrüchen sollte dann allerdings auch nur für die ersten Schwangerschaftswochen gelten. Ein wichtiger Orientierungspunkt ist dabei der 63. Tag nach der letzten Regelblutung, als letzter Termin, zu dem noch ein medikamentös herbeigeführter Abbruch möglich ist.

Stärkung der gesellschaftlichen Verantwortung für das werdende Leben

Bei Frauen, die sich mit der Entscheidung über eine etwaige Abtreibung mehr Zeit lassen, kann wohl mit Recht von Zweifeln und Unsicherheit ausgegangen werden, denen sich mit einer ausführlichen Beratung sinnvoll begegnen ließe. Dabei könnte eventuell auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, das Kind zwar auf die Welt zu bringen, es anschließend aber zur Adoption freizugeben – an adoptionswilligen Paaren besteht hierzulande schließlich kein Mangel.
Hilfreich wäre es allerdings, hierfür die strikten Adoptionsregeln, durch die ein adoptiertes Kind de facto in den Besitz der neuen Eltern übergeht, zu überarbeiten. Davon könnten vor allem solche Schwangere profitieren, die ihr Kind zwar bekommen wollen, aber die alleinige Verantwortung für dessen Erziehung scheuen. In einem solchen Fall könnte die werdende Mutter schon während der Schwangerschaft mit potenziellen Adoptiveltern zusammengebracht werden, so dass sich ein Vertrauensverhältnis und eine darauf aufbauende gemeinsame Verantwortung für das Kind entwickeln ließen.
Auch an die Stelle von Spätabtreibungen sollte die gemeinsame Verantwortung der Gesellschaft für das entstehende Leben treten. Diese müsste begleitet sein von der kritischen Auseinandersetzung mit einem Menschenbild, das von den Optimierungsversprechen der Reproduktionsmedizin wie auch der kosmetischen Chirurgie bestimmt ist und jede Abweichung von der Norm als krankhafte, auszumerzende Erscheinung einstuft.

Gendergerechte Sprache

Ilka Hoffmann: *-Collage

Auflösung der Geschlechtergrenzen

„Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.“ So hieß es einst bei den 68ern. Heute wird dieser Spruch zu Recht als Ausdruck eines machohaften Denkens zurückgewiesen. Er belegt überdeutlich die im Kern bourgeoise Attitüde männlicher Studentenführer, die ihre Freiheit auf Kosten des weiblichen Teils der Revoltierenden ausleben wollten.
Heute erscheint der Spruch jedoch noch aus einem anderen Grund als überholt. Wer seine Freiheit über die Sexualität ausleben möchte, würde dies heute nicht mehr in erster Linie an der Vielzahl der Sexualkontakte festmachen. Wichtiger erscheint vielmehr die Vielfalt der Sexualpartner. Das passende Äquivalent zu dem alten 68er-Spruch wäre daher heutzutage vielleicht: „Wer nicht mit seinesgleichen pennt, gehört schon zum Establishment.“
Wer heute auf der Höhe der Zeit sein möchte, ist irgendwie queer und regenbogenfarben. Klare Geschlechtergrenzen gibt es in Zeiten des Gender-Denkens nicht mehr, an die Stelle zweier Geschlechterpole tritt eine Vielzahl geschlechtlicher Identitäten.

Überlastung der Sprache

So weit, so befreiend. Problematisch wird es, wenn für diese neue Sicht des Geschlechterverhältnisses – oder besser der Geschlechterverhältnisse – nach neuen sprachlichen Ausdrucksformen gesucht wird. An die Stelle des ursprünglichen Bemühens um neutrale und additive Ausdrucksformen (Studierende / Studentinnen und Studenten) ist dabei mittlerweile das Bestreben getreten, neue Begriffe zu kreieren, in denen männliche und weibliche Form zu einem neuen Ausdruck verschmelzen (Student:innen).
Der durchaus inklusive Anspruch dieses Ansatzes wird dadurch konterkariert, dass er sich nur auf einen eng umgrenzten Bereich des sozialen Lebens bezieht: den der geschlechtlichen bzw. sexuellen Abweichung von der vermeintlichen Norm.
Diese Problematik wird dadurch verschärft, dass die Einlösung des Diversitätsgedankens unmittelbar an der sprachlichen Ebene ansetzt, anstatt dass sprachliche Veränderung aus gesellschaftsveränderndem Handeln abgeleitet wird oder zumindest Hand in Hand mit diesem geht. Dadurch besteht die Gefahr, die Veränderung der äußeren Form an die Stelle des inneren, handlungsbestimmenden Denkens zu setzen.

Fehlender Diskurs

Eine kritische Auseinandersetzung mit der angeblich gendergerechten Sprache ist jedoch von denen, die diese vertreten und im öffentlichen Diskurs durchsetzen, nicht erwünscht. Stattdessen werden die neuen sprachlichen Formen mit einer Kompromisslosigkeit durchgesetzt und überwacht, die jeden Polizeistaat vor Neid erblassen lassen würden.
So verschwindet das im Kern linke, progressive Projekt mehr und mehr hinter der Fahne einer Ideologie, die lediglich das Gefühl vermittelt, auf der „richtigen Seite“ zu stehen. Diese hat damit eine ähnliche Funktion wie früher der sonntägliche Gang zum Gottesdienst und der zu Worthülsen erstarrte Katechismus von Glaubenslehren aller Art.

Grüne Energie

Ilka Hoffmann: Anbetung des heiligen Windrads

Trügerische Terminologie

Natürlich gehören unter Linken die Sympathien nicht der Atomlobby oder des Kohlekartells. Das Ideal ist dort – na klar – die „grüne Energie“.
Aber was ist das eigentlich – „grüne Energie“? Der Begriff lässt an fröhliche Hippies denken, die über sonnenbetupfte Wiesen tanzen, in jeder Hand einen Jutebeutel, um jenes unsichtbare Etwas zu ernten, das dann daheim unsere Kühlschränke und in den Fabriken die Förderbänder antreibt. Das Problem ist nur: Eben dieses idyllische Bild wird bald für niemanden mehr vorstellbar sein, weil die Natur zunehmend hinter den monströsen Betonpfeilern, auf denen die „grüne“ Energie ruht, verschwindet.
Die entscheidende Frage ist daher: Wie grün ist die grüne Energie wirklich? Wie effizient ist sie? Erfüllt sie die Erwartungen, die wir in sie setzen?

Windkraft: Stahlbetontürme als grüne Hoffnung?

Wer einmal eine Windkraftanlage auf sich wirken lässt und sich näher mit der Windenergie beschäftigt, wird in der Tat aus dem Staunen nicht herauskommen – dem Staunen darüber, dass es der Windkraft-Lobby noch immer gelingt, ihre Stahlbetonmonstren als „grün“ zu verkaufen.
Unabhängige, nicht von der Windkraft-Lobby gesponserte Untersuchungen sprechen jedenfalls eine eindeutige Sprache: Die Windkraft bedeutet einen massiven Eingriff in die Umwelt, sie bedingt ein Massensterben bei Vögeln und Fledermäusen, weist eine fragwürdige Energiebilanz auf, setzt die Verwendung von Materialien voraus, deren Abbau umwelt- und klimaschädlich ist und deren Entsorgung ungeklärt ist, und sie bringt auch für Menschen durch den emittierten Infraschall und die Schlaglichtwirkung unmittelbare physische und psychische Schäden mit sich (1). Indem wir all das unter den Tisch fallen lassen und die Windenergie wie die Erlösung von dem Bösen anpreisen, folgen wir der Logik eben jener Wachstumsökonomie, die uns erst in die jetzige Klima- und Umweltkrise geführt hat.

Raubbau an der Natur für Smartphones und E-Mobilität

Dies gilt analog auch für den Abbau der Ressourcen, die für die Akkus von Elektroautos benötigt werden. Insbesondere der Abbau von Lithium (2) und Kobalt geht mit einer ähnlichen Rücksichtslosigkeit gegenüber Mensch und Natur einher, wie er auch für die Kohle- und Erdölförderung charakteristisch ist (3).
Alles andere als „grün“ ist es zudem, wenn Monokulturen zum Anbau von Rohstoffen für „Bio-Diesel“ angelegt werden. Dies gilt erst recht, wenn dafür auch noch der für den Klimaschutz unerlässliche Regenwald gerodet wird (4).

Notwendigkeit einer nachhaltigeren Wirtschafts -und Lebensweise

Wer wirklich „grün“ handeln möchte, kommt um konsequente Energiesparmaßnahmen und eine nachhaltige Neuausrichtung unserer Lebensweise nicht herum. Dies muss übrigens gar nicht so schmerzhaft sein, wie es für manche vielleicht klingen mag. Vielmehr kann eine solche Umorientierung – wie etwa im Falle eines Tempolimits auf Autobahnen (5) oder der Förderung der veganen Ernährung (6) – sogar mit positiven, lebensverlängernden Nebeneffekten für Mensch und Tier verbunden sein.
Wer diesen Weg nicht geht und stattdessen der Industriepropaganda einer „Versöhnung von Ökonomie und Ökologie“ folgt, stärkt dagegen nur das, was mit dem Schlagwort der „grünen Energie“ doch eigentlich überwunden werden soll: eine Wachstumswirtschaft, in der die langfristigen Folgen unseres Umgangs mit der Natur keine Rolle spielen.

Gesamtschulen

Albert Anker (1831 – 1910):
Schreibunterricht (1865)
Privatsammlung (Wikimedia commons)

Bildungspolitisches Lieblingskind der Linken

Seit den späten 1960er Jahren des letzten Jahrhunderts ist die Gesamtschule das bildungspolitische Lieblingskind der Linken. Schon der Name verdeutlicht ja den Anspruch, das klassenspezifisch gegliederte Schulsystem der Bundesrepublik in ein gemeinsames Schulwesen für alle Kinder und Jugendlichen zu überführen.
Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass das Gesamtschulkonzept von Anfang an einige Schwachstellen aufwies. So verdienen additive bzw. kooperative Gesamtschulen, bei denen lediglich verschiedene Schulformen organisatorisch zusammengefasst sind und es nur in Teilbereichen zur Zusammenarbeit kommt, diesen Namen im Grunde gar nicht, weil sie den Anspruch einer strukturellen Reform schon vom Ansatz her nicht einlösen.

Schwächen der Gesamtschulidee

Auch integrierte Gesamtschulen sind häufig in ihrer internen Organisationsstruktur noch unverkennbar mit dem dreigliedrigen Schulwesen verbunden. Die Unterteilung der einzelnen Fächer in A-, B- und C-Kurse, welche die Schüler in Abhängigkeit von dem jeweiligen Leistungsvermögen besuchen, überträgt die Dreigliedrigkeit ja de facto lediglich auf den Bereich der Einzelkompetenzen.
Damit ist zwar der Übergang zwischen den einzelnen Leistungsstufen eher gewährleistet als bei der alten Unterteilung in Haupt-, Realschule und Gymnasium, und die pauschale Einteilung eines Schülers als gut, mittelmäßig oder schlecht entfällt. Für einen Schüler, der ausschließlich oder überwiegend C-Kurse besucht, ist der Stempel der Minderwertigkeit dafür aber noch deutlicher zu spüren als auf der Hauptschule, wo er immerhin der Beste unter den Schwachen sein kann.
Ihrer immanenten Leistungsorientierung entsprechend haben sich auch keineswegs alle Gesamtschulen adäquat mit dem Problem der Integration bzw. Inklusion von Kindern mit besonderem Förderbedarf auseinandergesetzt. Entgegen dem ursprünglichen Anspruch der Gesamtschulbewegung sind diese Kinder eben doch immer wieder auf Sonderschulen abgeschoben worden, anstatt von der Schulgemeinschaft mitgetragen und unterstützt zu werden. So haben hier andere Schulen innerhalb des dreigliedrigen Schulwesens zukunftsweisende Modelle entwickelt, während viele Gesamtschulen sich auf dem selbst gewundenen Lorbeerkranz als bildungspolitische Avantgarde ausgeruht haben.

Neue Lern- und Schulmodelle

In ihrer Gesamtheit haben all diese Einzelmodelle eine neue Reformbewegung angestoßen, aus der in letzter Zeit diverse neue Schulformen und pädagogische Konzepte hervorgegangen sind. Sie alle eint das Ideal, alle Kinder entsprechend ihren individuellen Voraussetzungen in ihrer geistigen Entwicklung zu fördern und in enger Verbindung damit auch dem sozialen Lernen einen größeren Stellenwert einzuräumen.
Dafür sind neue didaktische Modelle erarbeitet worden, die stärker an das Lernen in heterogenen Gruppen angepasst sind. Darüber hinaus sind aber auch die strukturellen Rahmenbedingungen geändert worden. So verschmelzen etwa an vielen Gemeinschaftsschulen Realschule und Gymnasium miteinander und bieten so gewissermaßen das Beste aus beiden Welten an: berufsorientierende „Real-„Bildung und existenzielle Geistesbildung.
Auf dieser Grundlage kristallisiert sich eine neue Zweigliedrigkeit heraus, die an die aus dem 19. Jahrhundert bekannte Zweiteilung in Realgymnasium und humanistisches Gymnasium im Sekundarbereich erinnert. Langfristig könnten die neuen Schulformen sich dem klassischen Gymnasium sogar als überlegen erweisen, da sie an die Stelle der stressreichen, wettbewerbsintensiven Selbstrekrutierung der bürgerlichen Elite ein entspannteres, sozialverträglicheres Lernen setzen, ohne dabei geringere gesellschaftliche Chancen zu bieten.

Militär und Polizei

Alexa: Polizei (Pixabay)

Linker Pazifismus

Als Linker bin ich grundsätzlich Pazifist und trete für eine gewaltfreie Lösung von Konflikten ein. Demzufolge halte ich allein schon die Existenz des Militärs und eine zu starke Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum für problematisch, weil beides die Bereitschaft zur gewaltsamen Konfliktlösung nicht nur signalisiert, sondern diese oft genug als naheliegendsten Ausweg erscheinen lässt.
Das Militär sehe ich dabei auch nicht als isolierte staatliche Institution an, sondern betrachte es als Teil eines militärisch-industriellen Komplexes, der die Notwendigkeit der Waffenanwendung schon allein deshalb propagieren muss, weil er die Waffenproduktion als profitables Geschäftsmodell betreibt. Ähnlich misstrauisch bin ich gegenüber den immer neuen Terrorwarnungen, in denen ich ein probates Mittel sehe, die gesellschaftliche Akzeptanz für polizeistaatliche Maßnahmen und die Steigerung der Militärausgaben zu erhöhen.
Das Selbstverständnis eines Militärbündnisses wie der NATO, nur der Selbstverteidigung zu dienen, wird vor diesem Hintergrund ebenso kritisch hinterfragt wie das der USA, als Weltpolizist die weltweite Einhaltung der Menschenrechte zu überwachen. Hier wie dort steht die Befürchtung im Raum, dass die moralischen Ziele in Wahrheit nur als Legitimation für die gewaltsame Durchsetzung ökonomischer und machtpolitischer Interessen fungieren.

Ambivalente Haltung gegenüber der Polizei

Dessen ungeachtet reagiere auch ich als Linker mit Erleichterung, wenn etwa eine Vergewaltigung durch eine zufällig anwesende Polizeistreife in letzter Minute verhindert werden kann. Eine erhöhte Polizeipräsenz bei Demonstrationen empfinde ich zwar als Provokation und damit als gewaltfördernd. Wenn aber Neonazis auf diese Weise bei ihren Aufmärschen an Übergriffen auf ihre Gegner gehindert werden, befürworte ich das natürlich. Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass die Polizei mitunter selbst einen geeigneten Nährboden für Rassismus und Rechtsextremismus bietet – wie racial profiling und rechtsextremistische Netzwerke bei der Polizei zeigen.
Wenn ich nun diese zwiespältige Haltung gegenüber der Polizei auf internationale Konflikte übertrage – müsste ich dann nicht ebenso erleichtert sein, wenn eine Art polizeiliche Eingreiftruppe dem Blutvergießen bei internationalen Konflikten, Bürgerkriegen und staatsterroristischen Übergriffen diktatorischer Regime auf die eigene Bevölkerung ein Ende bereiten würde? Wenn es also eine Art Weltpolizei gäbe, die bei schweren Menschenrechtsverletzungen automatisch eingreifen würde, unabhängig von den Beschlüssen internationaler Gremien?

Linke Weltpolizei?

Ich weiß – „Weltpolizei“ klingt nach „Weltherrschaft“, nach einem unterdrückerischen Regime, das die ganze Welt unter die Knute seiner Polizeigewalt zwingt. Aber müsste es wirklich so sein? Müsste eine Weltpolizei notwendigerweise diktatorischen Zielen dienen? Könnte sie nicht – ebenso wie auf nationaler Ebene – auf die Aufgabe der allgemeinen, möglichst präventiven Konfliktlösung beschränkt bleiben? Ist es wirklich undenkbar, dass die Völker der Erde sich auf eine solche internationale Konfliktlösungsinstanz einigen?
Ja – vielleicht ist das wirklich undenkbar. Wahrscheinlich würde eine Weltpolizei nicht anders funktionieren können denn als Büttel einer dominanten Supermacht, die mit der Konfliktlösung stets eigene Interessen verbinden würde. Wahrscheinlich wäre auch die Einschränkung der nationalen Souveränität, die eine Weltpolizei mit sich brächte, nicht hinnehmbar.
Vielleicht ist die Menschheit aber auch einfach noch nicht reif für eine solche Übertragung nationaler Ordnungsprinzipien auf die internationale Ebene. Auch die Vereinten Nationen waren anfangs ja eine Utopie. Und wenn sie heute auch oft an ihrem eigenen Stimmengewirr ersticken, so sind sie doch fraglos ein wichtiges Podium für den internationalen Austausch.
Zumindest als Projekt für die Zukunft sollte man daher die Weltpolizei im Auge behalten. Denn klar ist: Solange Menschen die bedauerliche Tendenz haben, einander die Köpfe einzuschlagen, benötigen wir auch irgendeinen Mechanismus, um dem Einhalt zu gebieten.

Prostitution

Love and peace and prostitution

Auch bei der Prostitution überwiegt im linken Lager eine libertäre Haltung. Auch die käufliche Liebe wird irgendwie mit „love and peace“ assoziiert. Außerdem setzt sich, wer Prostitution offen akzeptiert, damit auch von dem Pharisäer ab, der die Prostitution verdammenswert findet, die Dienste der konkreten Prostituierten aber doch gerne in Anspruch nimmt.
Das weibliche Geschlecht träumt hier vielleicht von dem reichen Geschäftsmann, der sich spätabends nach getaner Arbeit noch ein wenig beim Sex entspannen will, aber zu müde ist, um sich noch der Mühe des Anbandelns in überfüllten Bars zu unterziehen. Wenn man respektive frau sich mit so jemandem vergnügt und dabei noch ein paar hundert Euro verdienen kann – was ist dagegen schon einzuwenden?

Diskriminierung von Frauen durch Prostitution

Nun haben allerdings solche Vorstellungen wenig mit dem Alltag einer Prostituierten zu tun. Dabei geht es häufig eher um Betrunkene, die kurz vor dem Erbrechen noch etwas rammeln möchten.
Viel schwerer wiegt allerdings die Tatsache, dass die Prostitution stets auch ein Tummelplatz für Frauenhändler ist. Wie nicht zuletzt die Erfahrungen mit der rot-grünen Gesetzgebung in der Sache aus dem Jahr 2002 gezeigt haben (7), bereiten eine allzu laxe Einstellung gegenüber der Prostitution und eine entsprechend nachlässige Kontrolle der Bordelle den Boden für die sexuelle Ausbeutung von Frauen.
Hinzu kommt, dass die Prostitution die Frau grundsätzlich zur Ware herabwürdigt. Selbst wenn die einzelne Prostituierte ihrer Arbeit freiwillig nachgeht, unterstützt die Prostitution als solche damit doch ein Bild der Frau, in dem diese auf ein Objekt der männlichen Begierde reduziert wird, und untergräbt so das gesellschaftliche Ziel der weiblichen Gleichberechtigung.

Hetären statt Prostituierte

Dennoch ist es wohl illusorisch, das „älteste Gewerbe der Welt“ verbieten zu wollen. Die Abdrängung der Frauen in die Illegalität würde letztlich bloß die Kontrolle der Prostitution erschweren und die Betroffenen nur noch stärker der Willkür von Zuhältern und Frauenhändlern ausliefern.
Wichtig erscheint es stattdessen, die Schutzbestimmungen für Prostituierte so zu verbessern, dass diesen bei ihrer Arbeit wenigstens ein Rest von Würde bleibt. An erster Stelle ist dabei ein absolutes Verbot der Zuhälterei zu nennen, das dann auch entsprechend durchgesetzt werden müsste: Prostitution dürfte nur als selbständige Tätigkeit legal sein.
Darüber hinaus ist hier aber auch an hygienische Vorschriften, klare Tarifvorgaben – etwa einen Mindestlohn für bestimmte Dienste – und ein Verbot erniedrigender sexueller Praktiken zu denken. Diese Regeln zu überwachen, wäre zwar schwierig bis unmöglich. Sie könnten jedoch Standards für einen respektvolleren Umgang mit den Prostituierten setzen und so deren Position gegenüber den Freiern auf lange Sicht womöglich doch verbessern.
Auf diese Weise könnten wir uns vielleicht sogar dem Ideal der antiken griechischen Hetären annähern, die nicht nur als erotische Gespielinnen, sondern auch als geistreiche Gesprächspartnerinnen geschätzt und entsprechend geachtet waren. Am Ende würden die Prostituierten dann vielleicht nicht mehr als Objekte zur schnellen Triebabfuhr betrachtet werden, sondern als Hohepriesterinnen der Erotik, die andere in die Feinheiten der körperlichen Kommunikation zwischen Menschen einweihen.

Russland/Putin

Viktoria Borodinova: Putin (Pixabay)

Linke und rechte Putin-Versteher

Zu den Grundelementen eines linken Selbstverständnisses gehört es bei manchen auch noch immer, irgendwie „für Russland“ zu sein. Bei der Besetzung der Ostukraine und der Annexion der Krim werden dann etwa die propagandistischen Worthülsen der Kreml-Administration übernommen, denen zufolge Russland sich auf der Krim nur nimmt, was ihm gehört, und in der Ostukraine Freiheitskämpfer am Werk sind, die Russland aus reiner Großmut unterstützt.
Wer sich von seiner sentimentalen Russlandbegeisterung zu einer Unterstützung des Putinismus verleiten lässt, muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass er damit einem Führerstaat seinen Segen erteilt, der von rechtsextremen Parteien in ganz Europa als zukunftsweisendes Modell gefeiert wird (8). So erweist sich die Assoziationskette „Putin-Russland-Sowjetunion-Kommunismus-Antikapitalismus“ auch an mehreren Stellen als brüchig.

Soziale Schieflagen im Realsozialismus

Zunächst einmal sind die realsozialistischen Staaten des ehemaligen Ostblocks einst ja gerade daran gescheitert, dass es ihnen eben nicht gelungen ist, sich dem kommunistischen Ideal anzunähern.
An die Stelle einer Diktatur des Proletariats setzten sie die Diktatur einer Funktionärsriege, der es vor allem um den eigenen Machterhalt ging. Wer es wagte, die Kluft zwischen kommunistischer Utopie und realsozialistischem Alltag offen anzusprechen, bekam einen ausgiebigen Gulag-Aufenthalt spendiert, bei dem er lernen durfte, wie die Staatspartei „Kommunismus“ buchstabiert.
Zwar existierten in den realsozialistischen Gesellschaften – etwa im Bildungsbereich – durchaus Ansätze für eine sozial gerechtere, humanere Gesellschaft. Diese Ansätze wurden jedoch dadurch ad absurdum geführt, dass die allseits gebildete Persönlichkeit, die im Bildungswesen angestrebt wurde, sich in ihrem konkreten Denken nie über die eng gezogenen Grenzen der marxistisch-leninistischen Staatsdoktrin hinausbewegen durfte, also auf geistige Beschränkung verpflichtet wurde.

Putin und die Sowjetunion

Was Putin anbelangt, so nimmt dieser zwar stets wohlwollend auf die ehemalige Sowjetunion Bezug. Dabei geht es ihm jedoch nicht um kommunistische Ideale, sondern um die imperiale Größe, die er mit der Sowjetunion assoziiert.
So stützt er seine Macht auch keineswegs auf die kommunistische Partei, sondern auf ein mafiaähnliches Oligopol aus im russischen Raubtierkapitalismus der 1990er Jahre reich gewordenen Unternehmern und monopolistischen Staatsbetrieben, dem die orthodoxe Kirche die höheren Weihen verleiht. Die konkrete Absicherung seiner Herrschaft erfolgt über Geheimdienstmethoden, wie sie Putin während seiner langjährigen Tätigkeit im Dienst des KGB verinnerlicht hat.
Die Politik Putins impliziert folglich nach innen hin eine subtile Diffamierung von Oppositionellen, Andersdenkenden und Minderheiten, die nicht ins slawozentrisch-klerikale Weltbild passen. Nach außen hin wird an das sowjetische Imperium anzuknüpfen versucht, indem auf jedes Fleckchen Erde, auf das ein Russe im Zuge des sowjetischen Expansionsdrangs seinen Fuß gesetzt hat, Anspruch erhoben wird – der dann mit der hybriden Kriegsführung der Geheimdienste durchzusetzen versucht wird.

Das Gefängnis linker Dogmen

Allen genannten Punkten ist gemein, dass jeweils eine bestimmte Sichtweise auf ein Problem verabsolutiert und jede andere Perspektive tabuisiert wird. Wenn an Überzeugungen aber nur dadurch festgehalten werden kann, dass differenzierte Betrachtungsweisen unter den Generalverdacht des Revanchismus gestellt werden, verkommen sie zu Dogmen, die von geistiger Avantgarde ähnlich weit entfernt sind wie der Marxismus-Leninismus-Unterricht in den Staaten des ehemaligen Ostblocks.
Die entsprechenden Fixpunkte des Denkens sind dann nur noch eine Art Code, durch den ihrem Selbstverständnis nach „linke“ Personen einander erkennen und sich gegenseitig in ihrem geistigen Überlegenheitsanspruch bestärken – ein imaginärer „Held-des-Geistes-„Sticker, der die Beteiligten im Käfig eines erstarrten geistigen Koordinatensystems einsperrt und jeden produktiven Selbstzweifel im Keim erstickt.

  1. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Problematik der Windkraft findet sich in dem Glossar Das Windstromkartell; rotherbaron.com, aktualisierte Fassung vom 9. August 2019; mit zahlreichen Links.
  2. Vgl. Boddenberg, Sophia: Lithiumabbau für E-Autos raubt Dörfern in Chile das Wasser. Deutsche Welle, 27. Januar 2020; Faget, Jochen: Lithium-Krieg in Portugal. Elektroautos und die Folgen. Deutschlandfunk Kultur, 27. Januar 2020.
  3. Vgl. Staude, Linda: Kobaltabbau im Kongo. Der hohe Preis für Elektroautos und Smartphones. Deutschlandfunk, Hintergrund, 25. Juli 2019.
  4. Vgl. Umwelthelden e.V.: Biodiesel und E10 – Was macht Regenwald im Autotank? Abenteuer-Regenwald.de, aktualisierte Fassung vom 30. August 2021; Altemeier, Inge / Buchen,  Stefan: Biodiesel: Umweltvernichtung fürs Klima. ARD, Panorama, 5. März 2020.
  5. Deutschland ist das einzige Flächenland in Europa, in dem es kein generelles Tempolimit auf Autobahnen gibt (vgl. die Übersicht auf wikipedia.de: Zulässige Höchstgeschwindigkeit, 1.2.1: Übersicht). Indem wir uns hier an die Gepflogenheiten von Inselstaaten wie den Färöern anpassen, machen wir uns zwangsläufig zum europäischen Raser-El-Dorado. – Eine ausführliche Begründung für ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen findet sich auf der Website des Verkehrsclubs Deutschland: Tempolimit auf Autobahnen. Für mehr Verkehrssicherheit und Klimaschutz.
  6. Der Umstieg auf eine vegane oder zumindest vegetarische Ernährung hätte eine unmittelbar klimaschonende Wirkung. So führt der Anbau von Soja für die Futtermittelindustrie zur vermehrten Abholzung des für den Klimaschutz so bedeutenden Regenwaldes. Klimaschädliche Gase entstehen zudem sowohl durch die Verdauung der Kühe – die mit dem Ausstoß von Methan einhergeht – als auch durch die Düngung der Felder mit dem Kot der Tiere (vgl. Umweltbundesamt: Lachgas und Methan).
  7. Vgl. Meinecke, Stefanie: Nicht die Huren profitieren. Zehn Jahre deutsches Prostitutionsgesetz. Deutschlandfunk, Hintergrund, 11. Januar 2012. Das Gesetz ist 2016 von der Großen Koalition reformiert worden. Vgl. hierzu: Haufe Online Redaktion: Umstrittenes neues Prostitutionsgesetz ist in Kraft. Haufe.de, 12. Juli 2017. Eine aufschlussreiche Übersicht zum Umgang mit der Prostitution in verschiedenen europäischen Ländern findet sich auf wikipedia.de: Prostitution nach Ländern.
  8. Vgl. Bidder, Benjamin: Vereint gegen liberale Werte: Wie Russland den rechten Rand in Europa inspiriert und fördert. Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier Rechtsextremismus, 24. Juli 2017.

5 Kommentare

  1. Mir wurde vor ca. 3 Jahren von einem Vertreter der SPD vermittelt: Wer den Begriff „Heimat“ in seinem Wortschatz verwende, sei eindeutig rechtsorientiert, nein, ein Rechter. (Schon wenig später gab es das „Heimatministerium“ in Blauweiß.) Ich vermittelte dem Sozialdemokraten, dass ich, solange ich mit Kindern und Jugendlichen arbeite, „Heimatprojekte“ mit Kindern und Jugendlichen realisiert habe. So gab es z.B. vor bereits 10 Jahren ein Kitaprojekt „Detektive des Vertrauten – Ich sehe was, was Du nicht siehst“, bezogen auf die vertraute Umgebung. Jedes Kind erhielt eine Camera, und sie fotografierten in ihrer „Heimatstadt“ Pasewalk: Volle Aschenbecher am Straßenrand und in Parks, Leute vor dem Kiosk mit Bierflaschen, Unkraut zwischen Gehwegplatten, die letzten verdreckten Kaugummiautomaten, Möpse hinter Spitzengardinen, eine Kloschüssel im Vorgarten, ein Abrißhotel etc. Ich vergrößerte die Fotos und durfte sie im örtlichen Kaufhaus in den Schaufenstern von Woolworth ausstellen, mit vielfältiger, erstaunlich positiver Resonanz. Auch in Schulprojekten fotografierten und malten andere Kinder später zumeist kritisch und unpathetisch ihre unmittelbare Umgebung und interviewten Anwohner. Es gibt keinen deckungsgleichen Begriff – was die Bedeutung angeht – für Heimat. Die Politiker aller Collör verwenden den Begriff heute und besonders vor den Wahlen populistisch, anbiedernd, für meine Begriffe unangenehm floskelhaft, so hier im ländlichen Raum – ja, peinlich vollmundig. Den Wenigsten des „Wahlvolkes“ können sie zum Glück damit etwas vor-machen. Ich finde es bereits reaktionär, wenn das Wahlvolk als form-und manipulierbar vorausgesetzt wird, da ihm die entsprechende „Bidlung“, das große Ganze zu überblicken, angeblich fehlt. Wahlwerbung ist gänzlich überflüssig, nötigend und ehrlich gesagt: Ekelhaft.

    Die toten, die tödlichen Gesichter

    Großflächig,

    unbehaust,

    regional unverschoben,

    in Großfaltungen neu

    geglättet, lächelnde

    Drainagen.

    Regungen, die wie

    Bewegungen abgebraust

    Haltungen, Lagen, Verbittern

    treusagend an- und wieder

    verzogen.

    Gesprächig

    wirst du, bis du

    für eigne Verwaltungen

    sie sächelst und

    staust.

    Wir loben,

    was tragend uns

    graust.

    Angelika Janz

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  2. „Die entsprechenden Fixpunkte des Denkens sind dann nur noch eine Art Code, durch den sich ihrem Selbstverständnis nach „linke“ Personen einander erkennen…“ Sehr richtig! Leider gilt das besonders für meine Generation (ich bin 25). Da ersetzen Sprachmuster und ein entsprechendes Lebensgefühl das Denken. Ich bin seit meiner Kindheit im Naturschutz unterwegs und bin völlig entsetzt über Teile der „Klimabewegung“, die jeden, der die Windkraft kritisiert und für Naturschutz eintritt in die Nähe der Blut-und-Boden-Ideologie rückt. Auch die Forcierung eines Generationenkonflikts in den Medien und in Teilen der so genannten Klimabewegung ist besorgniserregend („meine Oma ist eine Umweltsau“…u.ä.). Meine Oma ist 65 Jahre alt, fährt aus Prinzip kein Auto, ist seit ihrer Kindheit Vegetarierin und ist noch nie in Urlaub geflogen. Ihr ökologischer Fußabdruck dürfte halb so groß sein wie der der meisten Klimaktiven. Ich finde alle Unterpunkte deines Textes höchst bedenkenswert. Das mit den Spätabtreibungen war mir gar nicht so bewusst z.B.. „Diversity“ in den Mund nehmen, die Sprache mit allerlei Sternchen „schmücken“ und Menschen, die nicht der Norm entsprechen, das Lebensrecht absprechen. Mehr Verlogenheit und Ersatzhandlung für echte Toleranz geht nicht! Danke für die vielen Anregungen!!!!!

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