Der Faschismus im Spiegel

Faktencheck zur russischen Invasion der Ukraine/5

Die Behauptung des Kremls, mit dem Krieg gegen die Ukraine den westlichen Faschismus zu bekämpfen, ist letztlich ein Blick in den Spiegel des eigenen Faschismus.

Faschistoide Feier des Sieges über den Faschismus

Jahrzehntelang wurde in der Sowjetunion und später in Russland am 9. Mai, dem „Tag des Sieges“, der Triumph der Roten Armee über den Faschismus gefeiert.

Die Erinnerungskultur hat sich dabei über die Jahre immer mehr zu einer martialischen Feier militärischer Stärke und des Russentums entwickelt. Die Folge ist, dass der Stolz des Sieges über den Faschismus allmählich selbst faschistoide Züge angenommen hat.

Guernica 1937, Butscha 2022: Zwei Formen faschistoider Kriegsführung

Deutlich wird dies, wenn man Sprache und Struktur der russischen Kriegspropaganda und der des nationalsozialistischen Regimes einander gegenüberstellt. Vergleicht man Strategie und Propaganda beim Überfall der deutschen Luftwaffe auf Guernica 1937 mit dem aktuellen russischen Vorgehen in der Ukraine, so fallen etwa folgende Parallelen ins Auge:

  • der gezielte Einsatz von Terror, um durch die Einschüchterung der Bevölkerung die Kriegsziele zu erreichen;
  • die Vermischung des Kampfs gegen eine andere nationale Identität mit dem Kampf gegen eine demokratische Organisation des Staatswesens;
  • die propagandistische Strategie der Vorwurfsumkehr, bei der den Opfern selbst die Schuld für die an ihnen begangenen Verbrechen zugeschoben wird.

Parallelen zwischen den 1930er Jahren und der Gegenwart

Ein Krieg, wie die russische Armee ihn derzeit gegen die Ukraine führt, richtet sich immer „auch unmittelbar gegen die Völker. Das ist die unerbittliche und eindeutige Wirklichkeit, und alle nur erdenklichen Kriegsmittel werden in den Dienst dieser Wirklichkeit gestellt.“ Klingt nach einer Floskel aus den putinschen Drohtiraden gegen den Westen – es ist jedoch ein Auszug aus Ernst Ludendorffs Schrift über den „totalen Krieg“ aus dem Jahr 1935.

Ebenso aktuell sind die mahnenden Äußerungen des damaligen britischen Außenministers Anthony Eden. Die Vermutung, dass sich hinter dem Verhalten der deutschen Kampfpiloten das Muster einer künftigen Kriegsführung verbergen könnte, veranlasste ihn zu einer düsteren, aber leider nur allzu berechtigten Prophezeiung: Sollten sich derartige Angriffe „in einem größeren Maßstab“  wiederholen, so würde das „eine schreckliche Zukunft für Europa bedeuten“.

Zitatenachweis:

Ernst Ludendorff: zit. nach Kellerhoff, Sven Felix: Wer den Begriff „Totaler Krieg“ erfunden hat; welt.de, 3. August 2011.

Anthony Eden: zit. nach Piper, Gerhard: Guernica – Geschichte eines Luftangriffs. In: antimilitarismus information 7-8/2003, S. 68 – 83; Beitrag abrufbar auf ag-friedensforschung.de.

Dornblüth, Gesine: Militarismus in Russland: Zweijährige Rotar­misten und tanzende Panzer. Deutschlandfunk, 9. Au­gust 2015.

Karl, Lars: „Den Verteidigern der russischen Erde … „. Poklon­naja Gora: Erinnerungskultur im postkommunistischen Russland. In: Zeitgeschichte-online, 1. Mai 2005.

RB: Guernica 1937, Butscha 2022. Warum fällt es uns so schwer, aus der Geschichte zu lernen?

Bilder: Militärparade zum Tag des Sieges (9. Mai) auf dem Moskauer Roten Platz (2010); Presidential Press and Information Office / Wikimedia commons; „Mutter-Heimat ruft!“ 85 Meter hohe Statue in Wolgograd von Jewgeni Wiktorowitsch Wutschetitsch (1908 – 1974), errichtet 1967

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