Wie der Mangel an systemischem Denken echten Naturschutz verhindert
Themen des Jahres/5
Gefährdete Arten haben die Ehre, auf eine Rote Liste aufgenommen zu werden. Dort bleiben sie, bis sie ausgestorben sind. Wirksame Maßnahmen für ihren Erhalt scheitern dagegen an einem Mangel an systemischem Denken.
Was hat der Igel vom Eintrag in die Rote Liste?
Der Igel hat es geschafft: Er ist auf die Rote Liste bedrohter Arten aufgenommen worden.
Aber was bedeutet das jetzt für den Igel? Soll er sich geehrt fühlen? Oder ist die Auszeichnung eher ein Grund zur Angst für ihn?
Konkret gefragt: Werden jetzt endlich die Laubbläser verboten, die (nicht nur) dem Igel den Garaus machen? Wird der Einsatz von Pesitiziden eingeschränkt, die seine Nahrung vergiften? Werden Parkettboden-Rasenflächen verboten, die ihm den Lebensraum nehmen? Wird der Straßenverkehr stärker reguliert, um ihn, der sich bei Gefahr ängstlich zusammenrollt und so allzu leicht überrollt wird, besser zu schützen?
Nein, nichts von alledem passiert. Ein Tier auf die Rote Liste zu setzen, ist ein weitgehend symbolischer Akt. Konkrete Schutzmaßnahmen sind damit nicht oder allenfalls indirekt – durch eine erhöhte Aufmerksamkeit für die betreffende Art – verbunden.
Mangelndes systemisches Denken
So ist der Igel ein trauriges Beispiel dafür, wie Naturschutz auch heute noch betrieben wird. Oft handelt es sich dabei um reine Symbolpolitik. An einzelnen Orten werden Schutzgebiete ausgerufen, einzelne Arten werden auf den Schutz-Schild gehoben, in einzelnen Bereichen werden einzelne Maßnahmen ergriffen.
Was fehlt, sind systemische Ansätze. Diese sind gleich in doppelter Hinsicht notwendig. Sie betreffen zum einen die Ökosysteme. Diese lassen sich eben nicht durch isolierte Maßnahmen, sondern nur durch eine Betrachtung des Gesamtsystems und der Gefährdungen, denen es ausgesetzt ist, schützen.
Zum anderen sind systemische Ansätze aber auch in Bezug auf die Einstellung gegenüber den Gefährdungslagen notwendig. Eine Sensibilisierung für einzelne Arten und deren Bedrohung ist eben nicht ausreichend. Notwendig ist stattdessen eine andere Haltung gegenüber der Natur, die diese nicht als Objekt menschlicher Macht- und Ausbeutungsinteressen, sondern als eigenständiges System wahrnimmt.
Breitbandansätze: auch in der Klimapolitik notwendig
Aus einer solchen veränderten Einstellung ergäbe sich ganz von selbst ein Umgang mit der Natur, der gar nicht erst zur Gefährdung oder Ausrottung ganzer Tierarten führen würde. Gleiches gilt auch für etwas, dessen Name durch den mangelhaften Umgang damit mittlerweile schon Überdruss verursacht: den Klimaschutz.
Auch hier richten sich die Ge- und Verbote stets nur auf einzelne Aspekte, anstatt einen Breitbandansatz zu verfolgen. Dieser würde bedeuten: Alles, was die Klimaerwärmung fördert, kommt auf den Tisch und wird – wo es verzichtbar ist – umgehend aus dem Weg geräumt.
Gleichzeitig würde ein systemischer Klimaschutz auch stärker auf der Einstellungsebene ansetzen. Er würde nicht nur mit Reglementierungen in isolierten Bereichen arbeiten, sondern ein klimasensibles Verhalten fördern, also ein unmittelbares Bewusstsein dafür, welches Verhalten die Klimaerwärmung vorantreibt.
Ausführliche Beiträge zum Thema:
Anachronistische Gartenkrieger. Warum unsere Art der Gartenarbeit nicht mehr zeitgemäß ist; 15. Juli 2022
Der blinde Ritt des grünen Cowboys. Über Glaubwürdigkeitsdefizite in der Energie- und Umweltpolitik. 3. Juni 2023
Bild: AI generiert
stimme allem zu, aber ein AI -generiertes Bild sollte gleich auch auf die Liste der überflüssigen Umweltzerstörer gesetzt werden. AI ist ein Energieräuber ersten Ranges.
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Vielen Dank! Man kann nicht oft genug, darauf hinweisen, wie wichtig und wenig beachtet der Artenschutz ist. Die Fokussierung des Umweltschutzes auf eine bestimmte technokratische Form des „Klimaschutzes“ hat der Natur bisher mehr geschadet als genützt. Mit einem geretteten Igel oder einer anderen Tierart kann man keinen großen populistischen Wirbel entfalten. Mit weithin sichtbaren Betonpfeilern und sich drehenden Rotoren kann man Tätigkeit und Fortschritt symbolisch darstellen. Zudem bekommt man eher Parteispenden von Firmen als von einem Igel, einem Baum, einem Storch … Und dann will man ja auch keine „Verbotspartei“ sein. Deshalb geht es gar nicht um einen systematischen Natur- und Klimaschutz, sondern um Einzelmaßnahmen, die nicht groß wehtun und der Wachstumsideologie keinen Abbruch tun. Am Schluss hat man nur neue Produkte in den Markt gedrückt ohne dem „Klima“ oder der Natur genützt zu haben. Das ist das, was passiert. Und ich stelle die Frage: Ist Klimaschutz im umfassenden Sinne und im Verbund mit dem Natur- und Artenschutz überhaupt politisch gewollt? – Wird „systemisches“ Denken nicht deshalb nicht angewandt, weil man eigentlich nur Symbolpolitik betreiben will?
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