Die Medien und das Windrad – Eine Entgegnung

Windradheiligcomic (2)

In ihrem Beitrag Der Bürger und das Windrad (gesendet am 19. August 2018 in Deutschlandradio Kultur) berichtet Uschi Götz am Beispiel einer baden-württembergischen Gemeinde, in der über den Bau von Windkraftanlagen diskutiert wird, über die Umsetzung der „Energiewende“ in dem Bundesland. Da der Bericht über den konkreten Fall hinaus bestimmte Probleme der Berichterstattung über die Windkraft vor Augen führt, gehe ich an dieser Stelle näher darauf ein. Ich konzentriere mich dabei auf einzelne Punkte, die exemplarisch die oft zu beobachtende Einseitigkeit der Berichterstattung verdeutlichen

1. Gleich die einleitenden Worte des Beitrags machen deutlich, auf welcher Seite die Autorin steht. Dort heißt es, man brauche in Deutschland „rund 40.000 Windräder“, damit die Energiewende gelinge. Diese Feststellung ist in doppelter Hinsicht problematisch: Schon die Behauptung, dass man die Windkraft für das Gelingen der „Energiewende“ benötige, bedürfte einer näheren Begründung. Insbesondere wäre aber zu erläutern, woher die Zahl 40.000 kommt: Wer hat das auf welche Weise errechnet, von welcher Art von Energiemix wird dabei ausgegangen und wie wird dieser begründet? Welche Annahmen über den Stromverbrauch und den Output der Windkraftanlagen liegen den Berechnungen zugrunde, inwieweit werden dabei mögliche Energieeinspareffekte berücksichtigt? Wie hoch ist der erwartete Zugewinn an Energie durch den Zubau von Windkraftanlagen, und in welchem Verhältnis steht dieser zu Effizienz und Flächenverbrauch von Windstromanlagen?

2. Im Zentrum des Beitrags steht der von der baden-württembergischen Landesregierung ins Leben gerufene „Energiedialog“. Dabei können von betroffenen Gemeinden Moderatoren angefordert werden, die dann vor Ort die Diskussionen über Energieprojekte – meistens den Bau von Windkraftanlagen – koordinieren.

Der Beitrag beschreibt sehr genau, wie dabei vorgegangen wird: In Bürgerversammlungen können interessierte Gemeindemitglieder ihre Meinungen und Bedenken äußern. Die Moderatoren fassen die Äußerungen unkommentiert auf Karten zusammen und ordnen diese auf einer Pinnwand an. Nachdem man sich gemeinsam auf Schwerpunkte für vertiefte Diskussionen geeinigt hat, werden Experten eingeladen, die dann die Einwände entkräften. Anschließend dürfen die „Bürgerinnen und Bürger“ den Mitgliedern des Gemeinderats bei der Zustimmung zu dem Projekt zuschauen.

De facto handelt es sich bei dem „Energiedialog“ also um einen Dialog zur Abwehr des Dialogs. Den Menschen vor Ort wird suggeriert, man nehme ihre Bedenken ernst, während diese de facto für den Entscheidungsprozess keine Rolle spielen. Weder haben die einzelnen Gemeindemitglieder Einfluss auf die gesetzlichen Bestimmungen zu Windkraftanlagen, die diese als „privilegierte Bauwerke“ einstufen und so zahlreiche Umweltschutzvorschriften aushebeln, noch können sie vor Ort über das Energieprojekt mitentscheiden. Der vorgetäuschte Dialog ist demnach nur eine (hinter-)listige Form jenes „Kommunizierens“, mit dem in der Politik schon seit einiger Zeit nicht mehr das Miteinanderreden, sondern die propagandistische Vermittlung dessen, was man selbst für richtig hält, verstanden wird.

Damit handelt es sich hier um ein Musterbeispiel jener Fassadendemokratie, zu der demokratische Mitbestimmung bei uns mehr und mehr verkommt. Gerade dort, wo dabei das alltägliche Leben der Menschen betroffen ist – wie es bei der Windkraft regelmäßig der Fall ist –, fördert dieses Zerrbild von Demokratie die Politik- und Staatsverdrossenheit.

Anstatt dies zu thematisieren, rückt der hier besprochene Beitrag die ModeratorInnen jedoch in ein ausgesprochen positives Licht. Sie werden als „schwungvoll“ und „humorvoll“ beschrieben, als diejenigen, die den lästigen Nörgel-Bürger „mitnehmen“ ins goldene Windstromzeitalter. Auch die Bildunterschriften unterstützen diese Berichttendenz. So heißt es unter einem Bild: „Im Norden geht es um Windparks, im Süden um einzelne Windräder.“ Auch dies lässt die KritikerInnen vor Ort als Egoisten erscheinen, die noch nicht einmal einen kleinen Beitrag zur angeblich unverzichtbaren Windenergiewende leisten wollen.

Das einleitende Bild zu dem Beitrag verharmlost darüber hinaus die Windkraft, indem es die pittoresken Windmühlen früherer Jahrhunderte mit den über hundert Meter hohen Betontürmen der Windenergie auf eine Stufe stellt. Eine weitere Bildunterschrift – „Was schadet der Gesundheit mehr: das Auto oder das Windrad?“ – ist ebenfalls suggestiv. Sie spielt mögliche Gesundheitsschäden durch die Windenergie mit dem Hinweis auf andere gesundheitsschädliche Aspekte des modernen Lebens herunter – ein Totschlagargument, mit dem sich Umwelt- und Gesundheitsgefährdungen aller Art trefflich herunterspielen lassen.

3. Eine der Expertinnen, die im Rahmen des „Energiedialogs“ zu Wort kommen, ist die Professorin Caroline Herr von der Universität München. Die Problematik des Infraschalls – also eines unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegenden Schalls – wird von ihr schlicht geleugnet. Schall werde erst dann „gesundheitlich relevant“, wenn er hörbar sei. Studien, die das Gegenteil belegten, existierten nicht.

Diese Behauptung ist schlicht falsch. Verwiesen werden kann hier etwa auf die Studien der Ärzte für Immissionsschutz, die ausdrücklich vor den Folgen des Infraschalls im Zusammenhang mit dem forcierten Bau von Windkraftanlagen warnen.

Interessanterweise sind die gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Infraschalls auch im Deutschlandfunk selbst erst vor Kurzem thematisiert worden. So wird in dem Beitrag Windkraft in der Kritik von Heinz-Jörg Graf (Deutschlandfunk Kultur, 19. April 2018) der langjährige Präsident und heutige Ehrenpräsident der niedersächsischen Ärztekammer, der Radiologe Heyo Eckel, mit den Worten zitiert: „Der Infraschall ist etwas, das im Grunde genommen Auswirkungen auf das Gehirn hat, Auswirkungen auf das Sehen hat und, ganz offensichtlich, auch Auswirkungen auf das vegetative Nervensystem hat. Erforscht ist das Ganze ursprünglich sogar im militärischen Bereich. Die Amerikaner haben Versuche unternommen, dass man mit Infraschall Truppen außer Gefecht setzen kann, weil sie nicht mehr agieren, nicht mehr kämpfen konnten.“

Die journalistische Redlichkeit hätte es vor diesem Hintergrund erfordert, zumindest darauf hinzuweisen, dass die so genannte „Expertin“ an dieser Stelle, vorsichtig ausgedrückt, unsauber argumentiert. Zumindest hätte man erwarten können, dass unter dem Beitrag auf die Sendung mit der differenzierteren Thematisierung der Infraschallproblematik verlinkt wird. Stattdessen werden dort jedoch nur Beiträge empfohlen, die die angeblich unleugbare Notwendigkeit der Windenergie und die „Handlebarkeit“ der mit ihr zusammenhängenden Probleme suggerieren.

4. Unkommentiert bleibt auch die Haltung des Bürgermeisters, der den Skeptikern halb beleidigt vorwirft, leichtfertig auf den Geldsegen zu verzichten, den die Windkraftanlagen der Gemeinde einbrächten. Hilfreich wäre hier ein Hinweis auf die hohen Entsorgungskosten von Windstromanlagen gewesen, die bei den üppigen Renditeversprechen der Windkraftprojektierer gerne verschwiegen werden (vgl. den Beitrag auf ruhrkultour.de vom 11. Januar 2017: Teure Hinterlassenschaften – Die Rückbaukosten von Windrädern).

5. Auch an anderer Stelle folgt der Beitrag ganz der Linie, die der thematisierte „Energiedialog“ vorgibt. Sorgen und Nöte der Betroffenen werden erwähnt, aber nicht weiter diskutiert: Du meinst, der Naturschutz könnte unter der Windkraft leiden? Du befürchtest einen Wertverlust deiner Immobilie, wenn wir eine Windkraftanlage danebenbauen? Dann schreib deine Sorgen doch einfach auf ein Kärtchen, und alles wird gut!

Bezeichnenderweise wird in dem Beitrag jenen, die sich kritisch mit der Windkraft auseinandersetzen, von den Windkraftbefürwortern genau das unterstellt, was sie selbst betreiben: eine Emotionalisierung des Diskurses. Es ist schon richtig: Bei der Diskussion um die Windkraft sollte es nicht um Meinungen und Gefühle, sondern um Fakten, Zahlen und empirische Belege gehen. Die Ergebnisse werden allerdings gerade jenen nicht gefallen, die heute noch an die Mär von der „sauberen“ Windenergie glauben. Denn die Nachweise für die problematischen Auswirkungen der Windkraft sind in vielen Fällen eindeutig nachgewiesen. Genau an diesen Forschungsergebnissen sollten sich die Diskussionen dann auch ausrichten. Für die Frage, ob die Erde eine Kugel oder eine Scheibe ist, lädt man ja auch nicht Experten ein, die das Pro und Contra der beiden Positionen gegeneinander abwägen.

Aber bei der Windkraft ist es mittlerweile ähnlich wie früher beim Nikotin. Wie man noch vor nicht allzu langer Zeit als Spaßbremse galt, wenn man auf die Gefahren des Rauchens hingewiesen hat, ist man heute ein finsterer Atomstromlobbyist und Kohleschmutzfink, wenn man die mit der Windenergie einhergehenden Probleme thematisiert. So erinnert das Vorgehen der Windkraftlobbyisten auch an die Methoden der Tabakindustrie, die den Menschen jahrelang mit Gefälligkeitsgutachten und dollarblinden Expertenfreunden Sand in die Augen gestreut hat.

6. Interessant ist schließlich auch die Art und Weise, wie in dem Beitrag das Thema „Energiesparen“ aufgegriffen wird. Es kommt nur an einer einzigen Stelle vor – und zwar als Rechtfertigung einer Gemeinderätin für den Bau von Windkraftanlagen. Die Menschen wollten eben keine Energie einsparen, also gebe es keine Alternative zur Windenergie.

Auch dieser Einwurf bleibt unkommentiert. Demzufolge wird auch nicht die Frage gestellt, ob nicht spätestens die Horrorvision eines vollständig in ein Kraftwerk zur Erzeugung von Windstrom verwandelten Landes die Menschen von der Notwendigkeit des Energiesparens überzeugen würde. Denn diese Vision, die sich der Realität immer weiter annähert, zeigt, dass die Windenergie mehr und mehr zum Selbstzweck wird. Die Frage ist nicht mehr: Wie viel Strom brauchen wir, um gut leben zu können, und wie erzeugen wir diesen Strom? Sondern: Wie viel Lebensqualität müssen wir opfern, um Windenergie zu bekommen? So wird der Mensch zu einem bloßen Anhängsel der Windstromindustrie.

Dieser Wandel ist zunächst mit den enormen finanziellen Gewinnen zu erklären, die die Subventionspolitik der Bundesregierung den Betreibern von Windkraftanlagen bislang ermöglicht hat. Hinzu kommt, dass die Windenergie speziell von den Grünen als eine Art Stromtabernakel verehrt wird, als Zauberstab, mit dem sich alle Klimasünden aus der Welt schaffen lassen. Anstatt unsere Lebensweise zu problematisieren und nach Möglichkeiten zu suchen, über energiebewusste Anpassungen Umwelt und Klima zu schonen, fungiert die Windkraft so wie eine Art Ablasshandel, der jede Fernreise entschuldbar macht.

Alles, was im Namen der Windenergie geschieht, erhält durch diese Betrachtungsweise eine Art Heiligenschein. Wenn etwa der Hambacher Forst für den Braunkohleabbau abgeholzt werden soll, wird dies von Reiner Priggen, dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag und jetzigen Vorsitzenden des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (vgl. zu diesem Seitenwechsel den Beitrag Gute und böse Lobbyisten), scharf kritisiert (vgl. das Interview im Deutschlandfunk vom 23. August 2018). Dass täglich überall in der Republik Wald für den Bau von Windkraftanlagen gerodet wird und in Hessen gar Wälder mit mehrere hundert Jahre alten Eichen für den Bau von Windkraftanlagen freigegeben werden (vgl. die Linksammlung auf gegenwind-vogelsberg.de), erscheint dagegen als unproblematisch.

Diese Sichtweise teilt auch der Großteil der Medien – was man nicht zuletzt daran sieht, dass kaum ein Journalist auf die Idee käme, einen grünen Interviewpartner auf diese fast schon schizophrene Haltung aufmerksam zu machen. Unwidersprochen dürfen die Grünen die Zerstörung des Waldes im Namen der Windenergie vorantreiben und gegen dieselbe Zerstörung zu Felde ziehen, wenn sie von  der sinistren Kohlelobby zu verantworten ist. Unwidersprochen dürfen sie den zunehmenden Flächenverbrauch beklagen und ihn im Interesse der Windstromlobby fördern. Unwidersprochen dürfen sie sich für das Tierwohl einsetzen und gleichzeitig die Vernichtung unzähliger Lebewesen und Ökosysteme durch die Windkraft als notwendiges Opfer für den Klimaschutz hinstellen.

Von einem verantwortungsvollen Journalismus würde ich erwarten, dass er diese Widersprüche nicht ausblendet, sondern sie in all ihren Facetten und Folgen thematisiert. Wer sich heute mit Halbwahrheiten begnügt und der Windstromlobby unkritisch auf ihren Propagandafeldzügen folgt, macht sich mitschuldig an der Zerstörung der letzten Reste von Natur und Landschaft, die uns in diesem Land noch geblieben sind.

Weitere Links und Literaturhinweise sowie eine detailliertere Auseinandersetzung mit den Problemen der Windenergie finden sich in:

Das Windstromkartell – Kleines ABC seiner Durchsetzungsstrategien

Anti-Windkraft-Power. Kleine kommentierte Netzlese

 

Bild: Anbetung des heiligen Windrads. Collage  © rotherbaron

6 Kommentare

  1. Mit den so trefflich beschriebenen Umständen, nämlich dem politischen Wollen im Kontrast zur wissenschaftlichen Evidenz und zum tatsächlichen Gemeinwohlinteresse sollten sich alsbald auch die korrektiven Rechtsstaatsorgane befassen. Dringend.

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  2. Ein sehr guter Artikel, auch das Bild ist sehr treffend. Schade nur, dass man solch eine Sichtweise nur sehr selten antrifft. Viele sind einfach zu faul oder dessinteressiert, um wichtige Dinge zu hinterfragen, sie lassen sich lieber mit seichten Themen ablenken.

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  3. Zitat aus dem DLF-Artikel:
    „Beide Windräder decken etwa den Strombedarf von 3.000 Menschen im Jahr.“
    Das ist gelogen!!!
    Weder 2 noch 40.000 noch 100.000 Windräder können auch nur einen einzigen Haushalt mit Strom versorgen!!!
    Begründung:
    Wenn kein Wind weht, dann auch kein Strom!!! (0 x 0 = 0)

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