Entfremdung und Gewalt

Zur negativen Ästhetik von Windkraftanlagen

gesaeuse
In dieser Umgebung erhole ich mich von meinem von Windstromanlagen umzingelten Dorf.

Der folgende Beitrag ist auf Anregung von René Sternke und meiner Webmasterin entstanden. Beide haben mich ungefähr gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Behauptung einer landschaftszerstörenden Wirkung von Windkraftanlagen einer genaueren Begründung bedarf.
Der Hintergrund dieser Anregung ist, dass die Betreiber von Windkraftanlagen und ihre politischen Helfershelfer immer wieder behaupten, der Eindruck einer entsprechenden negativen Wirkung von Windkraftanlagen sei rein subjektiv. Mit der Zeit werde man sich an den Anblick von Windkraftanlagen ebenso gewöhnen wie an alle anderen Eingriffe in die Natur, die der Mensch in der Vergangenheit vorgenommen habe. Welche Argumente lassen sich dem entgegensetzen?

Entfremdung und Gewalt- Zur negativen Ästhetik von Windkraftanlagen.pdf

Inhalt

Die Ästhetik der Autobahnbrücke
Zwei Kategorien von Eingriffen in die Natur
Die Industrialisierung der Landschaft
Entsprechung von subjektivem Eindruck und objektiver Realität
Die Ästhetik der Geistlosigkeit
Windkraftanlagen als kulturelle Selbstzerstörung
Eine monotone Gitterästhetik

Die Ästhetik der Autobahnbrücke

Windkraftanlagen sind über hundert Meter hohe Stahlbetontürme, an deren oberem Ende sich riesige Rotorblätter drehen. Wenn man hier überhaupt von Ästhetik sprechen kann, so haben wir es mit der Ästhetik von Autobahnbrücken zu tun.
Zwar gibt es durchaus technische Bauwerke, die über eine besondere Ästhetik verfügen. Man denke nur an die Golden Gate Bridge von San Francisco oder an den Eiffelturm. Der Unterschied zu Autobahnbrücken und Windkraftanlagen ist jedoch, dass es sich hier um singuläre Bauwerke handelt, die eben aufgrund ihrer ganz eigenen, neuartigen Konstruktionsweise neue Maßstäbe gesetzt haben.
Bei Autobahnbrücken handelt es sich dagegen um Bauwerke, die man im Interesse einer verbesserten Mobilität für notwendig gehalten hat. Niemand wäre je auf die Idee gekommen, ihnen eine besondere Ästhetik zuzusprechen und die Kritik an ihren naturzerstörerischen Auswirkungen damit zu relativieren.
Dies ist bei Windkraftanlagen anders. Der Grund dafür ist, dass sie – anders als Autobahnbrücken – nicht vereinzelte Eingriffe in Natur und Landschaftsbilder darstellen, sondern diese komplett verändern und dominieren. Dies macht es notwendig, die faktische Landschafts- und Naturzerstörung mit einer propagandistischen Ästhetik-Kampagne zu relativieren. Implizit ist jedoch gerade dies ein Eingeständnis dessen,
was die Propaganda zu verschleiern versucht. Denn sonst wäre mit demselben Pathos auch die Ästhetik der Autobahnbrücke gefeiert worden.

Zwei Kategorien von Eingriffen in die Natur

Ein beliebtes Argument gegen die Kritik an der landschaftsverändernden Wirkung von Windkraftanlagen ist, dass Menschen schon immer die Landschaft verändert hätten. Windkraftanlagen seien also nur die moderne Variante eines seit Menschengedenken waltenden Handlungsprinzips.
Unterschlagen wird dabei, dass das Natur und Landschaft verändernde Handeln der Menschen verschiedene Qualitäten aufweist. Es kann zum einen einen so starken Eingriff darstellen, dass das Menschengemachte dabei vollständig an die Stelle des Naturgegebenen tritt. Dies ist etwa bei Städten oder auch bei größeren Industrieanlagen und Anlagen zur Förderung von Rohstoffen der Fall.
Zum anderen können menschliche Eingriffe in die Natur aber auch eine Form von Landschaft durch eine andere ersetzen. Dies ist etwa bei Weinbergen oder Olivenhainen der Fall. Hier bleibt die Natur in gezähmter Form vorhanden. Bei bestimmten Monokulturen – wie etwa bei überdimensionierten Weizen- oder Maisfeldern – stoßen freilich auch diese Eingriffe an eine Grenze, wo die Zähmung der Natur mit massiver Naturzerstörung einhergeht.
Windkraftanlagen entsprechen in der Art des Eingriffs in die Natur, der mit ihnen einhergeht, der ersten Kategorie von Landschaftsveränderung. Sie zähmen die Natur nicht, sondern ersetzen Natur durch Anlagen zur Stromerzeugung. Wenn Betreiber von Windkraftanlagen das Argument anführen, Menschen hätten schon immer die Landschaft verändert, bewegen sie sich jedoch unausgesprochen auf der zweiten, harmloseren Ebene von Eingriffen in die Natur.
Selbst wenn zugestanden wird, dass Windkraftanlagen Natur nicht durch Natur ersetzen, sondern etwas anderes an ihre Stelle setzen, wird auf holländische Windmühlen oder römische Aquädukte verwiesen. Beide sind jedoch nicht mit Windkraftanlagen zu vergleichen. Römische Aquädukte sind aus Natursteinen gebaut und fügen sich deshalb in die Landschaft ein. Wie Windmühlen überwölben sie die Landschaft nicht, sondern verändern sie lediglich in einer Weise, die ihr ihre ursprüngliche Charakteristik belässt.

Die Industrialisierung der Landschaft

Bei allen früheren Formen von Eingriffen in die Natur waren die beiden Kategorien naturverändernden Handelns klar voneinander geschieden. Es gab zum einen jene Bereiche, in denen die Natur vollständig durch menschengemachte Artefakte ersetzt wurde, und zum anderen jene Bereiche, in denen die Natur entweder nur moderat verändert („gezähmt“) wurde oder weitgehend unangetastet blieb.
Auf diese Weise war es selbst bei einem vollständig von der Natur abgeschnittenen Leben, wie es in den Städten der Normalfall ist, möglich, die eigene, nicht oder nur mäßig vom Menschen veränderte Formenvielfalt der Natur zu erfahren. Von dieser Möglichkeit haben Menschen regelmäßig Gebrauch gemacht, seit der Verstädterungsprozess in der Neuzeit so weit fortgeschritten war, dass die Natur in den Städten nicht mehr erlebbar war. Die Wochenendausflüge nach „jwd“ (janz weit draußen) waren und sind nicht nur in Berlin ein Teil der städtischen Kultur.
Die Windkraftanlagen heben diese Trennung zwischen die Natur vollständig ersetzenden Eingriffen und die Natur moderat verändernden Eingriffen auf. Sie bewirken, dass auch außerhalb der Städte überall die immer gleiche, monotone „Ästhetik“ von Industrieanlagen herrscht. Selbst wenn man unterstellt, dass Windkraftanlagen einen ästhetischen Reiz haben könnten, ergibt sich hieraus doch eine gewaltige ästhetische Verarmung.

Entsprechung von subjektivem Eindruck und objektiver Realität

Das Argument, Menschen hätten schon immer die Landschaft verändert, soll dazu dienen, den ersten, subjektiven Eindruck von Windkraftanlagen zu entkräften. Es wird suggeriert, dass diejenigen, die Windkraftanlagen als landschaftszerstörend empfinden, einfach nicht auf der Höhe der Zeit seien.
Der subjektive Eindruck, der Windkraftanlagen als etwas der Natur Fremdes und die Landschaft industrieförmig Überwölbendes wahrnimmt, entspricht jedoch der objektiven Realität: Windkraftanlagen zerstören die Natur und vernichten die Artenvielfalt. Sie führen zu Bodenverdichtung, Waldzerstörung und zur Tötung Tausender von Fledermäusen und Vögeln. Auf dem Meer führen ihre Infraschallemissionen zur Orientierungslosigkeit von Walen, die dadurch qualvoll verenden.
Das als „rein subjektiv“ diskreditierte Empfinden erweist sich damit als exaktes Korrelat der Tatsachen: Windkraftanlagen werden nicht als hässlich empfunden, weil man die Ästhetik des Windstromzeitalters nicht verinnerlicht hätte. Diese Empfindung beruht vielmehr auf der Wahrnehmungsweise von Menschen, die sich noch nicht vollständig von der Natur entfremdet haben.
Das Ersetzen von Natur und Landschaft durch Windkraftanlagen spiegelt so auf der objektiven Ebene die vollendete Entfremdung des Menschen von der Natur wider. Auf der subjektiven Ebene erschwert dies den Erhalt oder Aufbau einer lebendigen Beziehung zur Natur. So befördert die objektive die subjektive Entfremdung von der Natur, was in einem sich selbst verstärkenden Kreislauf die weitere Zerstörung der Natur befördert.

Die Ästhetik der Geistlosigkeit

Die eigene, im Wortsinn „unverstellte“ Ästhetik der Natur erleben zu können, trägt zum einen seinen Sinn in sich selbst. Indem der Mensch die Sprache der Natur in all der Vielfalt ihrer Gestalten auf sich wirken lässt, findet er zugleich zu sich selbst. Denn auch er selbst ist ja nichts anderes als Natur. Naturerfahrung ist damit immer auch Selbsterfahrung.
Insofern das Eintauchen in die Natur stets auch eine Form des Zu-sich-selbst-Kommens ist, handelt es sich dabei aber zum anderen auch um eine Art von Meditation. Dies ist der tiefere Grund all der Studien, die eine beruhigende Auswirkung von Naturgeräuschen auf den menschlichen Organismus belegen. In der Natur tritt all das, was im städtischen Alltag von überragender Bedeutung zu sein scheint, in den Hintergrund. Stattdessen gelingt es dem Geist hier, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Eine derartige kontemplative Begegnung mit der Natur ist sicher auch in japanischen Zen-Gärten möglich. Auch sie sind künstlich, auch sie zeigen die Natur nicht so, wie sie uns in der Wildnis begegnet. Die Veränderung der Natur erfolgt hier jedoch nach den Prinzipien einer Ästhetik, die es dem menschlichen Geist erleichtert, die Natur als Hilfe für seine Versenkung in sich selbst wahrzunehmen.
Windkraftanlagen bewirken hingegen das Gegenteil. Ihre monströse Größe, ihr zuckender Schattenwurf und das hektische Pulsieren ihrer Rotoren machen es unmöglich, sich in ihrer Nähe in die Natur zu versenken. Indem sie aber mit der Versenkung in die Natur zugleich das Zu-sich-selbst-Finden des in der Natur wurzelnden Menschen erschweren, erweitern sie nicht nur die Hektik der Stadt auf den zuvor naturbelassenen außerstädtischen Bereich. Vielmehr fördern sie so auch eine allgemeine Seinsvergessenheit. Die Ästhetik von Windkraftanlagen ist damit eine Ästhetik der Geistlosigkeit.

Windkraftanlagen als kulturelle Selbstzerstörung

Die Art, wie Menschen der Natur begegnen, ist kulturell geprägt. In Deutschland ist hierfür die Kunst und Literatur der Romantik von zentraler Bedeutung. Nicht zufällig ist im Rahmen der Diskussion um die landschaftsverändernde Auswirkung von Windkraftanlagen immer wieder die Frage aufgeworfen worden, ob und wie Joseph von Eichendorff oder Caspar David Friedrich ihre von inniger Naturverbundenheit zeugenden Werke im Windstromzeitalter hätten erschaffen können.
Natürlich lässt sich auch dagegen wieder ins Feld führen, dass das eben Werke und Naturkonzeptionen der Vergangenheit seien, die für heutige Menschen keine Bedeutung mehr hätten. Mit demselben Argument müsste man dann aber auch den Denkmalschutz einstellen und sämtliche Altstadtsanierungen augenblicklich beenden.
Es ist eben ein Zeichen von Kultur, dass es bestimmte Kontinuitätslinien gibt. Wie ein Mensch sich nicht in jedem Augenblick seines Lebens neu erfinden kann, ohne sich selbst zu verlieren, entsteht auch kulturelle Identität nur dadurch, dass Veränderungen sich innerhalb eines kulturellen Kontinuums vollziehen. Der abrupte Bruch mit den tradierten Sehgewohnheiten ist deshalb auch eine Form der kulturellen Selbstzerstörung.
Dieser Kulturverlust wiegt umso schwerer, als ja auch die Romantik bereits eine Gegenbewegung gegen das aufkommende Industriezeitalter war. In der Sehnsucht nach freier Natur und Freiheit in der Natur spiegelte sich bereits die Abwehr gegen jenes Zurechtstutzen von Natur und Mensch wider, das in der Phase der Hochindustrialisierung zum alles bestimmenden Merkmal der Kultur werden sollte.
Die Sehnsucht nach einem harmonischen Miteinander mit der Natur, das die Romantik in unserer Kultur verankert hat, hat so jahrzehntelang als Gegengift gegen eine vollständige Naturzerstörung gewirkt. Indem die Betreiber und politischen Förderer von Windkraftanlagen sich dagegen als immun erweisen, zerstören sie die letzte Hemmschwelle, die bislang einer kompletten industriellen Überformung der Natur im Wege stand.

Eine monotone Gitterästhetik

Dies alles bedeutet nicht, dass es unmöglich wäre, Menschen an Windkraftanlagen zu gewöhnen. Man benötigt dafür nur die nötige Propaganda – und die Skrupellosigkeit, sie in die Tat umzusetzen.
Wie wirkmächtig großflächige Indoktrinierungskampagnen sein können, zeigt sich an totalitären Staaten, in denen ein Großteil der Menschen die eigene Unterdrückung als fürsorgliche Schutzmaßnahme von „Vater Staat“ wahrnimmt. In ähnlicher Weise lässt sich auch Windkraftanlagen eine Ästhetik vermeintlicher Sauberkeit und Fortschrittlichkeit andichten.
Die Frage ist nur, ob das wünschenswert ist. Auch die Ästhetik der Plattenbausiedlungen ist anfangs als Ästhetik einer neuen Gemeinschaft verherrlicht worden – bis sich zeigte, dass die Eintönigkeit und Gleichförmigkeit der Bauten die Menschen aggressiv machte und zu Verwahrlosung führte.
In ihrer monotonen Gitterästhetik sind die Windkraftanlagen aber mit den Plattenbausiedlungen vergleichbar. Selbst wenn man die Welt der Stahlbetontürme so lange als  neue, schöne Heimat feiert, bis am Ende alle daran glauben, bleibt die Wirkung der Stahlbeton-Monotonie doch dieselbe. Der Unterschied ist nur, dass diese geisttötende und aggressiv machende Wirkung dann nicht nur in vereinzelten städtischen Vierteln, sondern flächendeckend im ganzen Land auftritt. Keine sehr angenehme Vorstellung …

Links zum Thema finden sich im Windstromkartell unter dem Stichwort „Schönreden von Landschaftszerstörung“

 

Bilder: Ilka Hoffmann: Reichenstein, Hochtorgruppe (Gesäuse)

27 Kommentare

    1. Es wird natürlich viel Merkwürdiges und Sinnloses als Kunst verkauft, wenn das Marketing stimmt. Aber: Egal wie dilettantisch und lächerlich die betreffenden Objekte sein mögen, es sind Unikate eines Schöpfers. WKA sind Industrieanlagen, die in Massenproduktion hergestellt werden und haben genauso viel mit Kunst zu tun wie eine Schiffsturbine oder eine Klospülung. Diese ästhetische Verklärung von Industrieanlagen erinnert an die Fortschrittsideologie des Stalinismus als völlig verblendetes Stalinisten ihre Kinder Lux, Watt oder Traktor genannt haben. Vielleicht werden bald die ersten Säuglinge auf den Namen „Windkraft“ oder „Ökostromer“ getauft??? Ich sehe in diesen „Verklärungen“ ein trotziges und fanatisches Abwehren der negativen Gefühle, die jeden halbwegs naturverbundenen und ästhetisch empfindenen Menschen beim Anblick dieser gigantischen Betonpfeiler in der Natur befällt. Irgendwann wird es die Menschen depressiv und krank machen, wenn sie sich selbst so in die Tasche lügen.

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  1. Wir führen jetzt eine ziemlich harte Diskussion darüber, ob und wie die Schäden, die die Windkraft den Menschen und der Landschaft zufügt, kommunizierbar sind. Da gibt es sowohl moralische als auch mediale Hindernisse. Vgl. den Kommentarteil zu https://sternkekandidatkreistagvg.wordpress.com/2019/08/06/darf-man-eine-bereits-vollzogene-entwertung-des-landlichen-raums-als-lebensraum-beim-namen-nennen-und-bildet-sie-die-ursache-des-gegenwartigen-rechtsrucks/

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      1. Nein, es findet eine Umordnung der Kategorien statt, d.h. die Energielandschaft soll eine Form der Kulturlandschaft sein, die der landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich dominierten Kulturlandschaft äquivalent ist. Diese Denkungsart findet sich auch in einem Artikel der TAZ (https://taz.de/Streit-um-die-Windkraft/!5644700/): „Der Boom der erneuerbaren Energien mit ihren technischen Einrichtungen, so besagen wissenschaftliche Studien, führt wesentlich rascher zu Landschaftsveränderungen als Jahrhunderte landwirtschaftlicher Nutzung – und als der Klimawandel selbst. Die historische Dialektik macht auch vor dem Verhältnis von Naturbewahrung und Naturzerstörung nicht halt.“ Der Beitrag stellt die vorhergehenden Landschaftstransformationen fest und sieht den einzigen Unterschied zu ihnen in der Akzeleration. Die Autorin stellt dabei die Naturzerstörung durch den Tourismus in ein helles Licht, um zu zeigen, dass der ästhetische Konsum der Landschaft bereits eine Entfremdung der Landschaft ihrer selbst und die Vorstufe der gegenwärtigen Prozesse ist. Tatsächlich geht es diesen Deutern, die ökonomisch determinierte Prozesse philosophisch rechtfertigen wollen, um eine historische Überwindung der Differenz von Kulturlandschaft und Industriegebiet, wie wir sie machen. So wie wir die Natur in der Kulturlandschaft suchen und finden, sollen wir die Kulturlandschaft in der Industrielandschaft suchen und finden. Vgl. die Abb. und die Unterschrift in diesem Beitrag: https://sternkekandidatkreistagvg.wordpress.com/2019/10/07/windkraftphilosophie-auf-arte-geld-als-einziger-wert/

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  2. Letztlich läuft es auf die Frage hinaus, ob wir einem essentialistischen Weltbild verhaftet sind. Wenn ‚Landschaften‘ nur Konzepte oder Diskurse sind, werden radikale Transformationen möglich. Dabei werden diese Transformationen zuerst vorgenommen und dann erst in einem zweiten Schritt denkbar gemacht und legitimiert. Wir hatten 2013 mit der Deutschen Stiftung Kulturlandschaft zu tun, die zu einer Lobbyorganisation der Windkraft mutiert war und die Windkraftprojekte durchzusetzen versuchte, indem sie sie kulturell begleitete. Auf der Seite dieser Stiftung findet man dann Polemik gegen eine Segregation von Landschaften (Schutz-, Nutz- und Vorzeigelandschaften oder so ähnlich) und einen Kampf für ihre Gleichberechtigung, die darin bestehen sollte, dass man überall alles machen kann. Diese Aufhebung der Differenzen findet im Klimabegriff gegenwärtig seine höchste Ausprägung, da in Bezug auf dieses Klima, das aus der Gegenwart herausgehoben wird, alle übrigen Werte, die sich auf Gegenwärtiges und Vergängliches beziehen, entwertet und gleichgültig werden. Alles wird im Klima aufgehoben, so wie u.a. die SPD die Arten schützen will, indem sie die Individuen töten lässt und das Klima schützt (https://sternkekandidatkreistagvg.wordpress.com/2019/12/09/die-spd-lasst-den-artenschutz-fallen/).
    Na ja, hier sind wieder Fragen für einen Essai.

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      1. Es ist ein ethischer und ästhetischer Relativismus, der alle Widerrede als essentialistisch abwehren kann. Paradoxerweise bedienen sich dieselben Akteure gleichzeitig eines plumpen Gut-böse-Schemas.

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  3. Ich habe ausgehend von neuen Bildern von Robert Niebach und den Äußerungen von zwei Wissenschaftlern, die Landschaften mit Windrädern im Wesentlichen wie Bilder und Symbole behandeln, noch etwas geschrieben und bin dabei auch auf den Begriff „Romantik“, der in dieser Diskussion immer wieder auftaucht, eingegangen: https://sternkekandidatkreistagvg.wordpress.com/2019/12/18/windrader-und-romantik-bild-und-wirklichkeit/
    Mir ist da nichts anderes eingefallen, als auf die Sinne und den Körper zu verweisen, um einer Auffassung, die alles in Konzepte auflöst und damit verschwinden lässt oder zumindest bagatellisiert, entgegentreten zu können. Vielleicht fällt dem Rothen Baron da noch etwas Besseres ein.

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  4. Ich komme immer wieder auf diese Seite zurück, da es ja inzwischen Professoren gibt, die gegen hohe Bezahlung die Auffassung vertreten, dass Windkraftanlagen den ästhetischen Wert einer Landschaft heben können. Anstoß zu der folgenden Fragestellung war eine Stelle in „Überdreht“ von Rothilda von Rotortod, an der es um kreisförmige Strukturen geht und bei der ich mir nicht sicher bin, ob die dort getroffene Aussage in dieser Allgemeinheit gültig ist. Hier also die neue Frage: https://sternkekandidatkreistagvg.wordpress.com/2020/07/13/entsprechen-windrader-dem-modernen-schonheitsideal-besser-als-pflanzen-und-tiere/

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  5. Natur ist eben roh, gewalttätig und brutal. Gerade Windkraftanlagen zeigen diese Aspekte und überhöhen sie. Alles andere ist eine weltferne, romantisierende Natursicht

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    1. Ich habe Ihren Kommentar gerne freigeschaltet, weil er die Weltsicht der WKA-Anhänger*innen so schön exemplarisch deutlich macht. Er zeigt, wie wenig Berührung zur Natur und zur Ökologie besteht. Biolog*innen, die sich näher mit dem perfekten und erstaunlichen Zusammenwirken verschiedenartiger Organismen beschäftigen, empfinden immer so etwas wie Ehrfurcht. Natur einfach nur als „roh und brutal“ zu empfinden und von Landschaften, Vogelgezwitscher, Schmetterlingen und dem erhabenen Flug eines Milans oder Bussards nicht angerührt zu sein, ist ein sehr bedauerlicher Zustand. Man hat das Gefühl, da fließt Beton oder Gigabytes durch die Adern anstatt von Blut. Natur zu achten und ihre Industrialisierung als unschön zu empfinden hat nichts mit „romantisierend“ zu tun, sondern mit Achtung vor der Natur. Eine in Massen produzierte, gesichts- und geschichtslose Industrieanlage als etwas zu sehen, was den Charakter der Natur besonders zum Ausdruck bringt, zeugt von extremer ökologischer Unkenntnis. Es zeigt die Selbstüberhöhung des Menschen, die genau zu dem Klimawandel und zu der Zerstörung geführt haben, mit der wir heute umgehen müssen. Die Argumentation der WKA-Jünger ist in ihrer tiefen Verachtung gegenüber der Natur haargenau die gleiche wie die der Ölbarone, die den Regenwald abholzen, um seine Ressourcen auszubeuten. Auch diese finden den Hinweis auf die einmalige biologische Vielfalt „rückständig und romantisierend“. Ihre Argumentation kann auch wunderbar auf Plattenbauten bezogen werden: „Der Mensch ist ein gesichtsloses Massenwesen ohne Individualität, Der graue Plattenbau bringt dies besonders gut zum Ausdruck. Jede andere Bauweise oder die Freude an Fachwerkhäusern ist kitschig und romantisiernd.“- Also meine Welt besteht aus alten Eichen, Vogelgesang, Schmetterlingswiesen und dem Leben in seiner Buntheit und auch allen geschichtlichen Bezügen. Was wir in der WKA-Bewegung haben, ist eine geschichts- und naturvergessene Technokratie. Wer will ernsthaft so leben? Da kann die Buntheit nur noch aus dem Smartphone kommen …

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    2. Ich lese diesen Kommentar etwas anders als der Rothe Baron. Die Windkraftverfechter geben nicht zu, dass die Anlagen roh, gewalttätig und brutal sind. Diese Eigenschaften besitzt die Natur durchaus auch. Doch gelingt es der Natur immer wieder ein Gleichgewicht herzustellen. Das ist von der Windindustrie nicht zu erwarten. Sie folgt den Gesetzen des Kapitals und ist auf ein grenzenloses Wachstum ausgerichtet.

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    3. Indem wir die Natur als roh, gewalttätig und brutal ansehen, personifizieren wir sie romantisierend. Diejenigen, die die Natur mittels Windkraft zerstören, handeln auf andere Weise roh, gewalttätig und brutal als die Natur, denn sie handeln bewusst. Sie handeln obendrein verfassungswidrig, denn sie verstoßen im Gegensatz zur Natur gegen Artikel 20a GG, der gebietet, die Tiere und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen.

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