Das Virus des Totalitarismus

Risiken und Nebenwirkungen des Kampfs gegen das Coronavirus

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Zur Eindämmung des Coronavirus werden immer drastischere Maßnahmen ergriffen. Mittlerweile entwickeln sich allerdings diese Maßnahmen selbst zu einer schweren Hypothek für die Zukunft von Demokratie und sozialem Zusammenhalt.

INHALT:

Das Coronavirus, China und die WHO
Ohne Rücksicht auf Verluste: Autoritärer Anti-Virus-Krieg
Kriminelle Kriminalisierung menschlicher Nähe
Das Coronavirus und andere Mikroben
Nachweise

Das Coronavirus, China und die WHO

Vor ein paar Tagen zog Tedros Adhanom Ghebreyesus, Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), eine Bilanz der Eindämmung des Coronavirus durch die chinesische Regierung. Dabei stellte er dieser ein erstklassiges Zeugnis aus. Das Krisenmanagement sei „exzellent“ gewesen, die Informationspolitik von einer „totalen Offenheit“ gekennzeichnet (1).
Was der WHO-Chef nicht sagte: Der chinesische Arzt Li Wenliang, der als Erster auf die von dem Coronavirus ausgehenden Gefahren aufmerksam gemacht hatte, war umgehend einem polizeilichen Kreuzverhör unterzogen worden. Mittlerweile ist er unter ungeklärten Umständen verstorben (2). Ein Blogger, der Aufnahmen von der katastrophalen Unterversorgung Infizierter in chinesischen Krankenhäusern ins Netz gestellt hatte, war auf einmal spurlos verschwunden (3).
Mit anderen Worten: Die positive WHO-Bewertung des chinesischen Corona-Managements beruht auf einer totalitären Schaufensterpolitik. Ob der Umgang der chinesischen Regierung mit dem Virus wirklich so transparent ist, wie diese selbst und die WHO glauben machen wollen, muss zumindest angezweifelt werden. Der abenteuerliche Vorwurf, das Virus sei in Wahrheit vom US-amerikanischen Militär in China ausgesetzt worden (1), spricht jedenfalls nicht gerade für eine sachliche Berichtspraxis.
Wenn es um die Finanzierung geht, wahren viele Staaten gegenüber der WHO zwar vornehm Abstand. Dies hat dazu geführt, dass die Organisation stark von der Bill-Gates-Stiftung abhängt und eine dementsprechend fragwürdige Politik verfolgt (4). Die gesundheitspolitischen Einschätzungen der WHO gelten aber nach wie vor als wichtiger Orientierungspunkt für das Handeln der Regierungen.
So konnte China zum Vorbild für die Eindämmung der Coronakrise werden. Ein Land, das religiöse, ethnische und kulturelle Minderheiten rücksichtslos verfolgt. Ein Land, das Menschen für Nichtigkeiten zum Tode verurteilt. Ein Land, das mit den Organen Hingerichteter Handel treibt (5). Ein Land, das Menschen mit einem Sozialpunktesystem zu staatskonformem Handeln erziehen will (6). Ein Land, das Kritiker nicht nur mundtot, sondern gleich ganz tot macht

Ohne Rücksicht auf Verluste: Autoritärer Anti-Virus-Krieg

Zunehmende autoritäre Tendenzen gibt es nicht erst seit gestern. Weltweit nehmen sie schon seit Jahren zu und drängen demokratische Mitbestimmungsrechte und Umgangsformen zurück. Die Coronakrise wirkt nun aber als Katalysator, durch den diese autoritären Tendenzen verstärkt und möglicherweise zementiert werden.
Es ist erschreckend zu sehen, wie viele Staatenlenker (ich verzichte hier bewusst auf die weibliche Form) sich im Gestus des unnachgiebigen Landesvaters gefallen, der mit harter Hand durchgreift, um alle Unbill von seinen schutzlos-unmündigen Untertanen abzuwehren. Quasi über Nacht hat hier eine Eigendynamik eingesetzt, bei der ein Herrscher den anderen an grimmiger Entschlossenheit zu übertreffen versucht. In Spanien darf man nur noch mit triftigen Gründen vor die Tür? Gut, dann dürfen auch die Österreicher nicht mehr nach Lust und Laune spazieren gehen. Österreich schließt seine Grenzen? Gut, dann macht auch Deutschland die Grenzen dicht.
Es ist, als würde man in dem Virus einen Krieger sehen, der durch den todesmutigen Abwehrkampf der Landesväter vom Vormarsch abgehalten werden kann. Bayern ruft den Katastrophenfall aus? Da bekommt das Virus gleich Muffensausen und bleibt lieber in Österreich. Wer die härtesten Maßnahmen ergreift, beeindruckt – so die Logik – das Virus am meisten und wird so am ehesten von ihm verschont.
Diese Logik führt unmerklich zu einer neuen Sicht auf das Virus, die auch die zu seiner Eindämmung ergriffenen Maßnahmen teilweise ad absurdum führt. Denn wenn man davon ausgeht, dass das Virus sich von unnachsichtiger Härte beeindrucken lässt, wird man mehr und mehr denen, die von dem Virus befallen werden, die Schuld an ihrem Unglück geben. Italien hat die meisten Virustoten zu beklagen? Logisch, die haben ja auch nicht vorgesorgt! Der Nachbar ist am Virus erkrankt? Logisch, der ist ja auch spazieren gegangen! Letztlich folgt eine solche Logik einem abergläubisch-alttestamentarischen Denken: Gott führt die Sünder ihrer gerechten Strafe zu.
So wird aus dem Versuch, möglichst viele Menschen vor einer Ansteckung mit dem Virus zu bewahren, ein Kampf gegen diejenigen, die sich ihm durch ein scheinbar unvorsichtiges Verhalten aussetzen. „Unvorsichtig“ ist bei einem hoch ansteckenden Virus aber letztlich jede Bewegung außerhalb der eigenen vier Wände. Soll die komplett eingestellt werden, so benötigt man Techniken, über die wir nicht verfügen (und vielleicht auch gar nicht verfügen wollen): eine vollständig automatisierte Produktion von lebenswichtigen Gütern und eine Versorgung der Bevölkerung mit Hilfe von Drohnen. Und selbst die Bestückung der Drohnen mit den zu versendenden Produkten dürfte dann nur mit Handschuhen erfolgen – denn das Virus kann auch außerhalb des menschlichen Körpers auf bestimmten Oberflächen einige Tage lang (wenn auch in abnehmender Konzentration) überleben (7).
Solange unser Leben auf analogen Kontakten basiert, hat es deshalb keinen Sinn, auf die Gefahr von Sozialkontakten hinzuweisen und diese teilweise förmlich unter Strafe zu stellen. Dadurch wird am Ende ein solches Misstrauen gegeneinander gesät und das Fundament eines funktionsfähigen Staates so massiv untergraben, dass man mehr verliert, als man durch die vorübergehende Unterbindung zwischenmenschlicher Kontakte gewinnen kann. Bis zu einem gewissen Grad mögen die Schutzmaßnahmen ja sinnvoll sein. Ein Minimum an Vernunft im Umgang miteinander kann den geschätzten „Bürgerinnen und Bürgern“ aber ruhig zugetraut werden.

Kriminelle Kriminalisierung menschlicher Nähe

Natürlich kann man jetzt sagen: Dieses Virus stellt uns aber auch vor ganz besondere Herausforderungen! So etwas hat es seit der Spanischen Grippe nicht gegeben!
Hier muss ich zugeben: Auch ich fühle mich durch das Virus verunsichert. Ich frage mich aber, wie viel Verunsicherung durch die reale Gefahr verursacht wird und wie viel Verunsicherung durch die mediale Berichterstattung über das Virus erzeugt wird. Jeden Tag gibt es neue Horrormeldungen, die dann wieder zu noch drastischeren politischen Maßnahmen führen. Dies trägt nicht gerade zur Beruhigung der Bevölkerung bei. Niemand muss sich wundern, wenn vor dem Hintergrund einer solchen Eskalationsspirale Gerüchten über noch drastischere Maßnahmen Glauben geschenkt und ein Hamsterkauf nach dem anderen getätigt wird. Stellt man dann noch, wie es bereits verschiedentlich diskutiert wird, die Verbreitung von Gerüchten über das, was man am nächsten Tag verkündet, unter Strafe, so wird ganz nebenbei auch noch die Meinungsfreiheit unter Quarantäne gestellt.
Würde man über die ganz gewöhnliche Grippe Tag für Tag entsprechende Berichte veröffentlichen, so hätten wir schon lange aufgehört, uns zur Begrüßung die Hände zu geben. Auch die über 145.000 bestätigten Influenza-Fälle mit 20 Prozent schwerer Erkrankten und mittlerweile 247 bestätigten Todesfällen allein im Winterhalbjahr 2019/20 (8) würden dann ausreichen, um jede Menschenansammlung als Gefahr wahrzunehmen und das öffentliche Leben einzuschränken. Hier galt es aber lange Zeit noch als Zeichen einer vorbildlichen Arbeitseinstellung, sich auch mit sichtbaren Anzeichen der Krankheit ins Büro zu schleppen und dort andere anzustecken.
Mit anderen Worten: Es ist völlig richtig, die fiesen Mikroben im Blick zu behalten, die uns die Freude an menschlicher Nähe vermiesen können. Wer dabei übertreibt, gefährdet aber auch wieder sich und andere. Zu starke Desinfektionsmaßnahmen schwächen das Immunsystem, weil sie es der Objekte berauben, an denen es sich ausprägen kann. Zwischenmenschliche Kontakte unter Strafe zu stellen, ist daher auch keine Lösung – zumal die physische Nähe anderer ein wichtiger Aspekt der menschlichen Gesundheit ist. Nur zur Erinnerung: Säuglinge, denen die körperliche Berührung verweigert wird, sterben, selbst wenn sie ansonsten mit allem Nötigen versorgt werden (9).
Kontraproduktiv ist es aus diesem Grund auch, wenn man Menschen mit einem schweren Verlauf der Corona-Erkrankung den Kontakt mit ihren Angehörigen verweigert. Eine solche emotionale Grausamkeit fördert genau das, was man durch die Intensivbetreuung eigentlich verhindern möchte: einen raschen Tod. Wer sich selbst als Belastung für andere empfinden muss und vor dem physischen schon einmal dem sozialen Tod überantwortet wird, verliert auch die Kraft, um das eigene Leben zu kämpfen.
Natürlich dürften die Angehörigen den Erkrankten nur auf eigene Gefahr besuchen. Sie sollten Schutzmaßnahmen ergreifen, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, und sie müssten den Kontakt mit anderen als dem Erkrankten vermeiden. Aber wir können doch nicht einerseits vom Recht auf Freitod reden und Menschen andererseits das Recht verweigern, das Risiko einer tödlichen Infektion auf sich zu nehmen, wenn sie schwer kranken Angehörigen beistehen wollen!

Das Coronavirus und andere Mikroben

Täglich hören wir von neuen Corona-Infektionen, auch im eigenen Bekanntenkreis mehren sich die Fälle. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen: Das Coronavirus ist nicht Ebola. Wie bei der gewöhnlichen Influenza-Infektion kommt es nur in einem von fünf Fällen zu einem schweren Krankheitsverlauf (10). Durch die Plötzlichkeit und das gehäufte Auftreten neuer Krankheitsfälle ist das zwar auch eine schwere Hypothek für das Gesundheitssystem. Auch hier müssen wir uns jedoch vor Überreaktionen hüten. Wenn die Konzentration auf die neuartige Bedrohung dazu führt, dass andere, lebenswichtige Eingriffe zu lange aufgeschoben werden, ist am Ende auch nichts gewonnen. Vor allem wäre dies eine zynische – und im Übrigen auch verfassungswidrige – Aufrechnung des einen Lebens gegen das andere.
Das Beste, was uns passieren kann, wäre, dass das Virus zu einer nicht nur kurzfristigen, sondern nachhaltigen Verbesserung des Hygienemanagements in den kaputtgesparten Krankenhäusern führt. Denn auch hier lauert schon seit Langem ein unsichtbarer Feind, der sich ebenso wie das Coronavirus für Horrormeldungen in den Medien geeignet hätte: multiresistente Erreger.
Auch hier häufen sich schon seit Jahren die Fälle, auch hier kennt fast jeder jemanden aus seinem Bekanntenkreis, der an den durch nichts zu besiegenden, ausgerechnet in Gesundheitseinrichtungen vermehrt übertragenen Keimen leidet. Nur waren die Mikroben-Attacken hier eben nicht so plötzlich, nicht so spektakulär wie im Falle des Coronavirus. Wären die Zahlen – EU-weit 33.000 Tote pro Jahr (Stand 2015) durch multiresistente Keime (11) – medial entsprechend aufbereitet worden, hätte man jedoch leicht eine ähnliche Hysteriewelle auslösen können. Kernbotschaft: Im Krankenhaus lauert der Tod …

Nachweise

(1) Deuber, Lea: Coronavirus: WHO singt Lobeshymnen auf China. Süddeutsche Zeitung, 14. März 2020.
(2) Dpa: Anstieg der Virus-Nachweise in China etwas abgeschwächt. Merkur.de, 7. Februar 2020.
(3) Euronews/AP: Sorge um Coronavirus-Blogger: Wo ist Chen Qiushi (34)? 12. Februar 2020.
(4) Kruchem, Thomas: Die WHO am Bettelstab. Was gesund ist, bestimmt Bill Gates. SWR, 22. Januar 2019.
(5) Respinti, Marco: Bericht: China entnimmt weiterhin zwangsweise Organe von Menschen. NEX 24, 6. Juni 2019.
(6) Ryssel, John Maik: Sozialpunktesystem in China: Eine Welt ohne Datenschutz? Datenschutzbeauftragter-info.de, 5. März 2019.
(7) Robert Koch Institut: SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Abschnitt 21. Robert Koch Institut, 13. März 2020.
(8) Deutsches Ärzte-Blatt / dpa: Mehr als 200 Influenza-Tote in Deutschland. 5. März 2020; Morgenpost / dpa: Grippewelle rollt über Deutschland – mehr als 240 Todesfälle; 14. März 2020; Salzberger, Bernd (Beratung): Was kann man gegen eine Grippe tun? Apotheken-Umschau, 26. Februar 2020.
(9) Lexikon der Psychologie: Waisenkinderversuche. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2000. Die Friedrich II. zugeschriebenen Versuche sind in ihrer historischen Verbürgtheit umstritten. Dass mangelnder Körperkontakt von Kindern zu ihren Bezugspersonen zu schweren psychischen Störungen führen kann, ist jedoch unumstritten; vgl. Schneider, Reto U.: Dieser Versuch macht sprachlos. NZZ Folio, August 2014.
(10) Jeremy Farrar im Gespräch mit Ralf Krauter: Coronavirus: „Europa ist nun das Zentrum der Pandemie“. Deutschlandfunk, Wissenschaft im Brennpunkt, 15. März 2020.
(11) Grigat, Felix: Mehr Todesfälle durch multiresistente Keime. Forschung & Lehre, 6. November 2018.

4 Kommentare

  1. Das Problem bei Erkrankungen ist, dass schon ohne Sympome die anderen innerhalb der Inkubationszeit angesteckt werden können. Es reicht also nicht nur mit Symptomen zu Hause zu bleiben.

    Die Kritik, dass wir in unserer Freiheit eingeschränken werden, teile ich. Allerdings hinkt der Vergleich mit der gewöhnlichen Grippe, weil besonders für ältere die Sterblichkeit deulich größer ist. Wir brauchen also einen Kompromiss zwischen Freiheit und Sicherheit. Wir sollten unnötige Kontakte meiden, aber es ist auch richtig, dass wir Menschen soziale Wesen sind, welche Kontakte brauchen.

    Was ist also zu tun? Wir sollten besonnen bleiben und künftig die Art des Wirtschaftens ändern. Ein Gesundheitssystem, welches auf Profitmaximierung ausgerichtet ist, wird es nicht für notwendig halten für solche Katastrophen gerüstet zu sein.

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