Gedicht

Zum heutigen Tag der Erde ein Gedicht:

wolke-in-pferdeform

Meine Braut

Ein geflügeltes Pferd
ist meine Braut. Ihre Mähne,
glänzend von silbrigem Tang,
umflackert sie fledermaushaft,
wenn mit dem Sturmwind sie tanzt.

Eine trächtige Kuh
ist meine Braut. Ihre Augen,
zwei blühende Krater,
weisen den Weg zu den fruchtbarsten Weiden,
zu Gärten mit Früchten, nektarschwer,
und zu verborgenen Quellen, himmelsklar.

Jeden umarmt sie,
meine Braut, jedem
gibt sie sich hin.

Ihr aber schneidet Schneisen in ihr Haar.
Ihr übergießt ihre Haut mit siedendem Teer.
Ihr verschließt ihre Poren mit totem Beton.
Ihr pfählt ihre Augen mit Türmen aus Stahl.
Ihr schändet ihr Gesicht.
Ihr fräst Schrunden in ihre Wangen.
Ihr brecht ihren Blick.
Ihr Traumzelt versengt ihr
mit peitschendem Licht.

Ihr raubt,
wo man beschenken euch will.
Ihr schändet die Schenkende.
Ihr erntet ihr Blut,
Vampire im Erlösergewand,
Kreuzigende,
die die Auferstehung preisen.

So liegt sie im Staub, meine Braut,
mit zuckenden Flügeln,
wie eine sterbende Libelle,
ein Pfau ohne Federn,
eine Fledermaus ohne Nacht,
ein Delphin ohne Flossen,
ein Milan ohne Himmel,
eine schutzlose Schnecke,
unbehaust.

Ich aber weiß:
Sie wird nicht untergehen.
Sie kann nicht sterben.
Frische Kräfte nur
erschläft sie sich.

Eines Tages aber
wird sie sich schütteln.
Erzittern wird ihre Haut
wie ein Gebirgsrücken, der bebend sich faltet.
Ihr Atem wird ein Erbrechen sein
aus Lava und beißendem Gas.
Orkane
werden ihre Flügel gebären,
die in die Meere fahren
mit lässigem Griff, wahllos
alles durchwühlend, Chaos säend
und Ordnung.

Und alles wird sein wie am ersten Tag.

 

Bild: © parklaneequestrian.com

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