Des Kaisers neue Windkraftanlagen

Bertall_ill_Les_Habits_Neufs_du_Grand_Duc_duc

Hans Christian Andersens Märchen Des Kaisers neue Kleider lässt sich heute als eine Parabel auf die Wirkmächtigkeit von Fake-Storys, PR und Propaganda lesen: Skrupellose Geschäftemacher reden dem Kaiser die Existenz eines besonders feinen Stoffes ein, den nur Menschen mit speziellen Geistesgaben wahrnehmen könnten. Es gelingt ihnen, den Kaiser so zu manipulieren, dass dieser sich nackt unter sein Volk begibt.
Das Märchen erinnert  mich immer wieder an die Windkraft. Auch hier ist es skrupellosen Geschäftemachern gelungen, die Mächtigen so zu manipulieren, dass sie an die Existenz von etwas glauben, das es nicht gibt. Wenn 30.000 deutsche Windkraftanlagen gerade einmal 3,1 Prozent des Primärenergieverbrauchs* abdecken, wird die Windkraft offensichtlich nie einen nennenswerten Beitrag zur deutschen Energieversorgung leisten können. Bis heute gelingt es den Windkraft-Einflüstern jedoch, diese Statistiken als böswillige Fälschungen von Menschen hinzustellen, die lediglich nicht über die Fähigkeit verfügen, das von den Windstromzauberern gewirkte Wunder wahrzunehmen.
Leider gibt es zwei wesentliche Unterschiede zwischen Märchen und Wirklichkeit. Unterschied 1: Die Windkraft schadet nicht nur denen, die an sie glauben, indem sie sie langfristig der Lächerlichkeit preisgibt. Vielmehr zerstört sie auch massenhaft intakte Natur, schädigt die menschliche Gesundheit und rottet Tausende von Tieren aus. **
Unterschied 2: Bislang fehlt in der Wirklichkeit das Happy End. Im Märchen ist es bekanntlich ein Kind, das die Fake-Natur der kaiserlichen Kleider enthüllt: „Der Kaiser ist ja nackt!“ Bei der Windkraft scheint es eher umgekehrt zu sein: Gewisse heilige Kinder werden vorgeschickt, um die Wirkmächtigkeit des Wirkungslosen zu beglaubigen.
Was mich als Kind an dem Märchen immer am meisten berührt hat, war die offensichtliche Diskrepanz zwischen Gefühl und Gedanke: Obwohl alle deutlich empfinden, dass der Kaiser nackt ist, traut sich doch keiner, das laut zu sagen. Nicht anders ist es heute bei der Windkraft: Man traut dem eigenen Empfinden nicht, weil man Angst hat, dann nicht zur super-gescheiten Energieavantgarde gezählt zu werden.
Die Fakten liegen schon lange auf dem Tisch. Es bleibt nichts anderes zu tun, als immer wieder laut zu rufen: „Der Kaiser ist nackt!“ Ich versuche dies heute mit einer satirischen Miniatur – die leider näher an der Realität ist, als mir lieb ist.

Wenn du Windkraftanlagen verkaufen möchtest …

  1. Sprich nicht von Windkraftanlagen! Rede lieber von Windrädern oder Windmühlen. Dann werden deine Kunden in deinen Produkten keine alles überragenden Stahlbetontürme sehen, sondern bei ihrer Erwähnung an spielende Kinder und romantische Geschichten von der „schönen Müllerin“ denken.
  1. Verbünde dich mit Menschen, die über Macht und Einfluss verfügen! Liefere ihnen Argumente, mit denen sie dein Vorhaben unterstützen können – verschone sie aber mit dem Anblick deiner Produkte. Und vor allem: Versprich ihnen Anteile an deinen Gewinnen! Schließ deine Bündnisse aber stets hinter verschlossenen Türen. Stell dich nach außen hin immer als David dar, der gegen die finstere Goliath-Allianz der Mächtigen ankämpft.
  1. Setz deine Produkte ins rechte Licht! Fotografiere sie von oben und aus der Ferne, mit glitzernden Sonnenstrahlen auf den Flügeln und einem Sonnenblumenfeld im Hintergrund. Vermeide es, die Trassen zu zeigen, die zu ihrer Installierung in den Wald geschlagen werden müssen. Erzähl niemandem von dem hektargroßen Betonfundament, das du benötigst, um deine Produkte aufstellen zu können. Erwecke stattdessen den Anschein, als handele es sich bei ihnen um Fähnchen, die man wie Sonnenschirme in den Boden stecken könne.
  1. Verhindere die Verbreitung von Fotos mit Vögeln oder Fledermäusen, die deinen Produkten zum Opfer gefallen sind. Der Anblick der gebrochenen Flügel und der blutigen, zerfetzten Körper könnte empfindlichere Zeitgenossen vom Kauf deiner Produkte abschrecken. Wenn doch einmal entsprechende Bilder in den Medien kursieren sollten, so scheue dich nicht, von der Apokalypse zu sprechen: von der Apokalypse, der du dich mit deinen Produkten entgegenstemmen würdest. Argumentiere mit der Notwendigkeit von Opfern, die alle Lebewesen – auch Vögel und Fledermäuse – für dieses höchste aller Ziele bringen müssten.
  1. Sei dir nicht zu schade, von deinen Konkurrenten zu lernen. Viele ihrer Strategien kannst auch du für deine Zwecke nutzen. Wenn etwa jemand von nachteiligen Effekten deiner Produkte spricht oder Anwohner behaupten, deren Schallwellen würden Kopfschmerzen auslösen, so solltest du dich zwar stets offen für die geäußerten Sorgen und Bedenken zeigen. Gib aber nie zu, dass die geschilderten Probleme etwas mit deinen Produkten zu tun haben könnten. Beantworte stattdessen Studien, die dies beweisen, mit der Forderung nach weiteren Untersuchungen, und sorge dafür, dass diese in deinem Sinne ausfallen.
  1. Stell deine Produkte immer in Aktion dar! Tu einfach so, als würde der Wind, den du für deine Produkte brauchst, unaufhörlich wehen. Berechne auch die Effizienz deiner Produkte immer auf dieser Grundlage.
  1. Verpass den Stahltürmen deiner Produkte nach Möglichkeit einen grünen Anstrich oder versteck sie hinter grünen Wäldern und Feldern. Sprich am besten gar nicht erst darüber, dass du Stahl und Beton für ihre Herstellung verwendest. Der Energieverbrauch bei der Stahlerzeugung und die Schadstoffemissionen durch die Betonherstellung könnten ansonsten dazu führen, dass man den Nutzen deiner Produkte in Frage stellt.
  1. Lass niemanden wissen, dass du für deine Produkte auch Dinge wie Balsaholz oder Neodym nutzt. Bilder von abgeholzten Regenwäldern und krebskranken Arbeitern in den Abbaugebieten seltener Erden sollte man mit deinen Konkurrenten, nicht aber mit deinem Angebot verbinden. Auch würden so die Schwierigkeiten bei der späteren Entsorgung deiner Produkte zur Sprache kommen. Dies solltest du unbedingt vermeiden! Nichts darf das Image der „Sauberkeit“, dieses wichtigste deiner Verkaufsargumente, beschädigen.

*Dubbers, Dirk / Stachel, Johanna / Uwer, Ulrich: Energiewende: Fakten, Missverständnisse, Lösungen – ein Kommentar aus der Physik. Physikalisches Institut der Universität Heidelberg, 1. Oktober 2019; als PDF-Dokument im Netz verfügbar

** RB: Das Windstromkartell

Bild: Bertall: Les habit neuf du grand duc  (Des Kaisers neue Kleider, Illustration) (Wikimedia)

 

4 Kommentare

  1. Wie im Leben gibt es auch in dem Märchen kein Happy end, denn nach der Entdeckung der Nacktheit des Kaisers geht es noch weiter: „Das ergriff den Kaiser, denn es schien ihm, sie hätten Recht; aber er dachte bei sich: ‚Nun muss ich die Prozession aushalten.‘ Und die Kammerherren gingen noch straffer und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.“ Ich glaube, dass wir schon eine ganze Weile in der Phase angekommen sind, in der der Kaiser die Prozession aushält und die Kammerherren, die ihm die nichtvorhandene Schleppe nachtragen, noch straffer voranschreiten. Danach ereignet sich in dem Märchen nichts mehr und die Zeit bleibt stehen.

    Gefällt 1 Person

Schreibe einen Kommentar