Ein Anschlag auf Natur und Rechtsstaat

Ein Kommentar zum „Investitionsbeschleunigungsgesetz“

Das diese Woche im Bundestag verabschiedete „Investitionsbeschleunigungsgesetz“ schränkt Klagemöglichkeiten gegen Infrastrukturprojekte massiv ein. Es ist nicht nur für den Naturschutz verheerend, sondern ist auch ein erschreckendes Dokument des Demokratieabbaus.

Worum geht es beim „Investitionsbeschleunigungsgesetz“?

Wachstumsförderung statt Nachhaltigkeit

Frontalangriff auf den Rechtsstaat

Ein echtes Kahlschlaggesetz

Nachweise

Odenwald-Panorama – Bald nur noch eine verblassende Erinnerung?

Worum geht es beim „Investitionsbeschleunigungsgesetz“?

Nun ist es also tatsächlich beschlossen worden: das „Investitionsbeschleunigungsgesetz“. Ein Name, der die Herzen von Wachstumsfans höher schlagen lässt: Beschleunigung! Bundeshilfen! Barrierefreiheit für Baulöwen!
Das Gesetz ist in der Tat ein gewaltiges Konjunkturprogramm, das der Ankurbelung der Wirtschaft nach der Corona-Krise dienen soll. Es ist damit auch eine Art Wiedergänger des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, mit dem 2009 auf die Wirtschafts- und Finanzkrise reagiert worden war.
Allerdings geht das neue Gesetz weit über das alte hinaus. Zur Ankurbelung von Investitionen werden dieses Mal ganz dezidiert Instanzenwege verkürzt und Umweltverträglichkeitsprüfungen reduziert. Mit anderen Worten: Es wird explizit Demokratie abgebaut und auf Naturschutz verzichtet, um Investitionen durchzusetzen.
Das Gesetz war ursprünglich vor allem für Infrastrukturmaßnahmen im Bereich Schiene und Straße gedacht. Mittlerweile ist es jedoch auch auf Bauvorhaben, die die so genannten „erneuerbaren Energien“ betreffen, ausgedehnt worden. Dadurch ist beiden Seiten gedient: Windkraftfirmen können sich leichter über Umweltschutzbedenken hinwegsetzen, und die Regierung kann ihr Gesetz mit dem Heiligenschein des Klimaschutzes umweben.
Hilfreich ist dies, weil der Wegfall von Klagemöglichkeiten und Umweltverträglichkeitsprüfungen für Schienen- und Straßenausbau an sich kaum auf breite Zustimmung gestoßen wäre. Dies gilt umso mehr, als der Schienenausbau sich im Wesentlichen auf die Förderung von Hochgeschwindigkeitsstrecken bezieht. Keineswegs ist dabei an eine bessere Anbindung ländlicher Regionen an das Schienennetz gedacht. Dem dient allenfalls der wenig umweltfreundliche beschleunigte Ausbau von Landstraßen.

Wachstumsförderung statt Nachhaltigkeit

Auch bei der Förderung der Windenergie geht es in erster Linie um Wirtschaftsförderung statt um die Rettung des Klimas, der Welt, der Menschheit, wie es investitionsfördernd in den Hochglanzprospekten der Windindustrie heißt.
Dass es dem Klima nicht dient, wenn man Stahlbetontürme in die Landschaft pflanzt, sollte eigentlich jedem denkenden und/oder fühlenden Menschen einleuchten. Schon allein der schadstoffintensive Ressourcenverbrauch für die Produktion der Stahlbetontürme verbietet es, hier von umweltfreundlicher Energieproduktion zu sprechen – ganz zu schweigen von den verheerenden Naturschäden, die durch Bodenverdichtung, Waldabholzung und die millionenfache Tötung von Fledermäusen, Vögeln und etlichen anderen Tierarten entstehen (1).
Die Förderung von Windkraftanlagen folgt somit ganz jener Wachstumslogik, die uns erst in unsere derzeitige desaströse Lage gebracht hat. Die Alternative zu dieser Logik heißt deshalb nicht „anderes“ Wachstum, sondern: Suffizienz! Abkehr von der Wachstumsspirale, stattdessen schonender, sparsamerer Umgang mit den Ressourcen.
Auf diese Weise ließe sich der Klimawandel sehr leicht und viel schneller eindämmen als durch Wachstumsfördergesetze gleich welcher Art. Bereits eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs im Verkehr um 12 Prozent würde ebenso viel Energie einsparen, wie alle derzeit ca. 30.000 deutschen Windkraftanlagen liefern (2). Eine ähnlich positive Auswirkung auf die Klimabilanz hätte ein verbessertes Recycling in der Abfallwirtschaft: Durch eine Verdreifachung der Recycling-Quote bei der Rohstoffnutzung von derzeit 14 auf über 40 Prozent ließe sich ebenso viel Kohlendioxid einsparen wie durch den gesamten Bereich der Erneuerbaren Energien (3).
Die angeblich positiven Auswirkungen der Windenergie auf die Klimabilanz beruhen dagegen vor allem auf Taschenspielertricks. So wird etwa gerne das Jahr 1990, als mit dem Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft auch der Kohlendioxidausstoß zurückgegangen war, als Referenzjahr herangezogen. Betrachtet man dagegen die Entwicklung der letzten zehn Jahre, so zeigt selbst eine hochoffizielle Grafik des Bundeswirtschaftsministeriums, dass all die vielen neuen Windkraftanlagen die deutsche Klimabilanz nicht positiv beeinflussen konnten (4).

Frontalangriff auf den Rechtsstaat

Wem es mit dem Kampf gegen den Klimawandel ernst ist, der müsste seine Politik vor allem an Suffizienz und Nachhaltigkeit ausrichten. Das Wort „Suffizienz“ sucht man im Investitionsbeschleunigungsgesetz allerdings vergeblich. Und „Nachhaltigkeit“ taucht nur an einer Stelle auf: dort, wo die Bundesregierung sich selbst einen Persilschein in dieser Frage ausstellt: „Das Gesetz ist mit der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung vereinbar“, heißt es lapidar (5). Warum und in welcher Weise – das bleibt der Phantasie der Lesenden überlassen.
Ausführlich wird stattdessen der Kahlschlag in Sachen Demokratie und Naturschutz beschrieben. Zum Bau von Windkraftanlagen heißt es etwa: „Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die Zulassung einer Windenergieanlage an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern haben keine aufschiebende Wirkung“ (6). Mit anderen Worten: Erst mal bauen! Die geschaffenen Fakten werden dann sicher auch das Gericht überzeugen.
Dies entspricht einer Legalisierung der bisherigen Praxis, bei der Windkraftfirmen auch gerne schon vor den Gerichtsverfahren die benötigten Waldflächen gerodet haben. Hinzu kommt nun noch eine Verkürzung des Instanzenweges, indem die Verfahren gleich an den Oberverwaltungsgerichten verhandelt werden (7). Einspruchsmöglichkeiten? Wozu denn? Wir müssen doch die Welt retten!
Um die Akzeptanz für die faktische Zerstörung eines Teils der Welt – nämlich Deutschlands – zu erhöhen, sollen die Gemeinden in Zukunft stärker an dem Bundes-Bimbes für den Windkraftausbau beteiligt werden. Euro-Scheine statt Tomaten vor den Augen – eine kapitalistische Zukunftsvision in Reinkultur!
Hinzu kommt schließlich noch eine Einschränkung bei den Umweltverträglichkeitsprüfungen – die in vielen Fällen nicht mehr regulär durchgeführt werden sollen, sondern lediglich unter bestimmten Gesichtspunkten beantragt werden können. Davon ausgenommen ist bezeichnenderweise lediglich der Nachweis, „dass keine militärischen Belange entgegenstehen“ (8). Selbst das Militär ist also noch schützenswerter als die Natur!

Ein echtes Kahlschlaggesetz

Insgesamt zeichnet das Gesetz so das Bild eines Staates, indem wirtschaftliche Interessen und der militär-industrielle Komplex die Politik bestimmen; eines Staates, in dem demokratische Diskurse, juristische Einspruchsmöglichkeiten und Naturschutz unter blindwütigem Wachstum, Propaganda und einer aggressiven Flächenversiegelung begraben werden.
Sensibleren Naturen kann bei einem solchen Zerrbild eines Rechtsstaats angst und bange werden. Andere werden das als Signal zum zivilen Ungehorsam verstehen. Dafür ist jetzt auch der letzte Zeitpunkt. Wenn Rechtsstaat und Natur erst einmal abgeschafft sind, braucht man auch nicht mehr um sie zu kämpfen.

Nachweise

  1. Ausführliche Nachweise zu den problematischen Auswirkungen der Windkraft finden sich in  RB: Das Windstromkartell. Kleines ABC seiner Durchsetzungsstrategien. Aktualisierte Fassung 2019; für weitere aktuelle Essays zur Windkraft vgl. das Stichwort „Natur und Umwelt“ / „Windkraft“ auf rotherbaron.
  2. Dubbers, Dirk / Stachel, Johanna / Uwer, Ulrich: Energiewende: Fakten, Missverständnisse, Lösungen – ein Kommentar aus der Physik (PDF), S. 4. Heidelberg, 1. Oktober 2019: Physikalisches Institut der Universität Heidelberg.
  3. Positionspapier des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft, hier zit. nach Blees, Christian: Das Müllionengeschäft. Deutschlandfunk Kultur (Zeitfragen), 30. Juni 2020.
  4. Dubbers u.a. (s. Anm. 2), S. 1. (Schaubild des Bundeswirtschaftsministeriums zur Entwicklung der CO2-Emissionen auf S. 1).
  5. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Investitionsbeschleunigungsgesetzes (PDF), 2. August 2020; im Kabinett beschlossen am 20. August 2020; hier S. 16.
  6. Ebd., S. 7: § 63.
  7. Ebd., S. 22.
  8. Ebd., S. 6.

Bildnachweise: Malgorzata Tomczak: Depression (Pixabay), Monika P.: Odenwald (Pixabay)

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