Die Musterschülerin

AKKMerkelpapst (2)
Die Päpstin und ihre Musterschülerin

Annegret Kramp-Karrenbauer: Schein und Sein.

Überarbeitete Fassung Juli 2019

Karriereorientiert von Anfang an

Ehemalige Mitschülerinnen von Annegret-Kramp-Karrenbauers schildern diese als eine jener Schülerinnen, die dem Lehrer nach dem Unterricht die Tasche hinterhergetragen haben und als Einzige in der Klasse sitzen geblieben sind, wenn die anderen sich bei einem Schabernack verdrückt haben. Das mag stimmen oder auch nicht – jedenfalls passen die Erzählungen gut zu dem politischen Werdegang der mittlerweile zur CDU-Vorsitzenden und Bundesverteidigungsministerin aufgestiegenen ehemaligen saarländischen Ministerpräsidentin.

Als Musterschülerin präsentierte sie sich schon im Jahr 2000, als sie in die saarländische Landesregierung eintrat und dabei mit Ende 30 als erste Frau in der Geschichte der Bundesrepublik ein Innenministerium übernahm, als Musterschülerin. Von diesem Posten wechselte sie infolge einer Kabinettsumbildung 2007 mit ebenso musterschülerhafter Folgsamkeit auf den Sessel der Kultusministerin.

Skandalträchtige Zeit als Ministerin

Aus der Zeit von „AKK“ als Ministerin bleiben vor allem zwei Provinzskandale in Erinnerung, in denen sie alles andere als eine gute Figur abgegeben hat: Beim Bau des Saarbrücker Museumspavillons, eines Anbaus an das Saarlandmuseum, soll sie Kosten wider besseres Wissen niedriger angesetzt haben, als sie von Experten veranschlagt worden waren. Und in einem Missbrauchsskandal, dem so genannten „Fall Pascal“, wurde sie beschuldigt, die Vertuschung einer Fahndungspanne durch die Vernichtung von Unterlagen gedeckt zu haben.

Der Skandal um den Museumspavillon könnte sogar ein Grund für die spätere Aufkündigung der Jamaika-Koalition durch Kramp-Karrenbauer gewesen sein, da sie durch die in der Folge geschlossene Großen Koalition mit der SPD dem von dieser eingerichteten Untersuchungsausschuss zu dem Themenkomplex die Spitze nehmen konnte.

AKK und das Peter-Prinzip

Nein, Peter Müller ist nicht der Erfinder des Peter-Prinzips, dem zufolge in hierarchischen Organisationsformen jeder bis zu einer Stufe aufsteigt, die seine Inkompetenz unter Beweis stellt. Es passt allerdings gut zu seiner Entscheidung, Annegret-Kramp-Karrenbauer nach ihren unrühmlichen Ministerinnenjahren als seine Nachfolgerin an der Spitze der saarländischen Regierung vorzuschlagen (wie natürlich auch zu seinem eigenen Aufstieg zum Ministerpräsidenten und zum Richter am Bundesverfassungsgericht).

Vielleicht auch dank ihrer Vorliebe für schlaue Pennälerbrillen ist es AKK bislang stets gelungen, sich ihr Image als Musterschülerin zu bewahren. Für die CDU bestand und besteht der Reiz dieser Politikerin darin, dass sie als Mutter dreier Kinder und bekennende Katholikin jene Ideale repräsentiert, von denen die Partei sich bei ihrem Marsch in die Mitte zunehmend entfernt hat. Gleichzeitig gilt Kramp-Karrenbauer auch für eben diese Wähler der politischen Mitte als akzeptable Option, da sie, wie beispielsweise bei ihrer Parteinahme für den Mindestlohn oder die Frauenquote, in der Vergangenheit immer wieder mit scheinbar fortschrittlichen sozialpolitischen Positionen von sich reden gemacht hat.

Soziales Engagement als politische Folklore

Allerdings geht es AKK keineswegs um ein grundsätzliches Engagement für soziale Gerechtigkeit. Was von dem zur Schau gestellten progressiven Denken dieser Politikerin zu halten ist, wurde schlaglichtartig deutlich, als sie 2011 am Internationalen Frauentag als Putzfrau verkleidet eine Büttenrede hielt. Soziale Gerechtigkeit ist hier nichts anderes als ein Element der politischen Folklore, das man (bzw. frau) sich umhängt, um die eigene politische Karriere zu fördern und das gemeine Volk, der Musterschülerinnenlogik entsprechend, zum Gehorsam zu erziehen.

Das Ziel ist damit nicht eine grundsätzliche Veränderung der sozialen Verhältnisse hin zu mehr Gerechtigkeit. Vielmehr wurzelt das soziale Engagement hier im Fürsorgegedanken, wie ihn die konservative katholische Soziallehre predigt: Gib den Armen, was den Armen gebührt (aber eben auch nicht mehr).

Dem entspricht auch Kramp-Karrenbauers ausgrenzende Haltung gegenüber diversen sozialen Minderheiten. Kaum eine andere Politikerin hat sich so entschieden gegen die Inklusion ausgesprochen wie sie, die Tochter eines Sonderschulrektors. Auch Behinderte sollen besser unter sich bleiben, auch kulturelle Armut soll dieser Logik zufolge nicht durch kompensatorische Maßnahmen behoben, sondern im Ghetto der Schulen für so genannte „Lernbehinderte“ mit staatlichen Fürsorgemaßnahmen überdeckt werden (vgl. ihren Gastbeitrag in der Zeit vom 24. Juli 2014, Nr. 31).

Ausgrenzung von Minderheiten

Ebenfalls weder progressiv noch von christlicher Barmherzigkeit gekennzeichnet sind Kramp-Karrenbauers Einlassungen zur so genannten Homo-Ehe und zu MigrantInnen. Die „Ehe für alle“ hat sie mit einer Warnung vor der Vielehe kommentiert – was ihr eine Strafanzeige wegen Beleidigung und Volksverhetzung eingebracht hat. Dies hat sie allerdings nicht davon abgehalten, Anfang 2019 in einer Büttenrede Witze auf Kosten intersexueller Menschen zu reißen.

Auch Menschen mit Migrationshintergrund erscheinen in dem Weltbild der AKK oft als Menetekel für den Untergang des Abendlandes. So hat sie sich erst Anfang des Jahres als Scharfmacherin betätigt, als sie für einen strengeren Umgang mit straffällig gewordenen jugendlichen Migranten eingetreten ist (vgl. den Beitrag Bumerang-Härte). Auch tritt sie für ein strenges Kopftuchverbot ein (das sie für ihren eigenen Besuch beim Papst aber großzügig außer Kraft gesetzt hat).

Eine solche konsequente Ausgrenzung von Minderheiten ist typisch für eine rechtsnationalistische Gesinnung. Diese hat AKK auch in ihrer Antrittsrede als Bundesverteidigungsministerin bekräftigt, indem sie für mehr öffentliche Gelöbnisse von Bundeswehrrekruten eingetreten ist.

Inwieweit sie hier jeweils ihren Überzeugungen Ausdruck verleiht oder diese nur deshalb vertritt, weil sie glaubt, dass das zu ihrer Rolle als Musterschülerin passt, bleibt offen. Allerdings ist auch schwer zu entscheiden, was abstoßender ist: die aus tiefster Überzeugung betriebene Ausgrenzung von Minderheiten oder die populistisch-opportunistische Übernahme von Positionen des rechten Randes.

Eine Hoffnungsträgerin für die CDU?

Bleibt die Frage, was so jemanden zur Hoffnungsträgerin für die mit sich selbst hadernde CDU prädestiniert. Vielleicht hilft da ja ein Blick auf die AfD, wo sich mit Alice Weidel – einer Summa-cum-laude-Doktorandin, deren Promotion durch das Begabtenprogramm der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert wurde – ebenfalls eine Musterschülerin in führender Position befindet. Interessant ist auch, dass an deren Seite an der Spitze der AfD-Fraktion im Bundestag in Alexander Gauland ein Politiker vom Haudegen-Schlag amtiert, der die Stammtischbasis bei der Stange hält. Bedenkt man, dass die SPD mit Olaf Scholz derzeit auch einen Politiker nach vorne bringt, der sich beim Hamburger G20-Gipfel als Hardliner bewährt hat, könnte man fast denken, dass die beiden (ehemaligen) Volksparteien mit dem Duo Kramp-Karrenbauer/Scholz den Charme der AfD-Führung zu kopieren versuchen.

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