Zur Diskussion um die Einführung einer CO2-Steuer
Durch die Bewegung der Fridays for Future hat die Diskussion um die Klimapolitik in letzter Zeit noch einmal an Schärfe zugenommen. Mit der Ikone dieser Bewegung, der schwedischen Jugendlichen Greta Thunberg, haben die Auseinandersetzungen mittlerweile eine fast schon religiöse Dimension angenommen. Die Forderung nach der Einführung einer CO2-Steuer wirkt da ein wenig wie ein alkoholfreies Bier am Rosenmontag.
Greta Thunberg – eine moderne Wanderpredigerin?
Die Vergleiche Thunbergs mit Heiligen früherer Jahrhunderte, die nach Erweckungserlebnissen andere auf den Pfad der Tugend führten, mögen zwar größtenteils ironischer Natur sein. Im Kern sind sie jedoch durchaus nicht unberechtigt. Die Verehrung Thunbergs erinnert in der Tat an die religiöse Inbrunst, mit der im späten Mittelalter Wanderpredigern Gehör geschenkt wurde. Diese Prediger – bei denen es sich teilweise um Mönche, teilweise aber auch um einfache Menschen aus dem Volk handelte – zogen damals von Stadt zu Stadt und riefen die Menschen auf den Marktplätzen zur Umkehr auf. Auf Gemälden, die das damalige Geschehen dokumentieren, ist zu sehen, wie Frauen und Männer Schmuck und Reichtümer auf große Haufen legen und sich so symbolisch von der Welt der Eitelkeiten verabschieden und ihren Sinn Gott zuwenden.
Nun gibt es allerdings zwischen der damaligen und der heutigen Erweckungsbewegung einen wichtigen Unterschied. Damals reagierten die Wanderprediger mit ihren Reden auf eine dekadente geistige Kaste, die ihren Schäflein den Zehnten aus der Tasche zog und sich davon ein schönes Leben machte, anstatt ihren göttlichen Dienst zu versehen. Außerdem war die Bewegung wohl auch eine Antwort auf das diffuse Gefühl unkontrollierter Veränderung, das sich aus den vielfältigen geistig-kulturellen, technischen und – nicht zuletzt durch das Wachstum der Städte – sozialen Veränderungen ergab. Im Kern ging es also nicht um einen wirklichen Weltuntergang, sondern um den Untergang der alten Welt bzw. der Strukturen, die sie trugen.
Heute dagegen ist die Furcht vor der Apokalypse kein leeres Gerede. Extremwetterlagen nehmen nachweislich zu, die Gletscherschmelze beschleunigt sich messbar, die Regionen des „ewigen Eises“ und des Permafrostbodens gehen immer weiter zurück. Längst verbindet in Australien mit dem Sommer niemand mehr Strandfreuden, sondern Hautkrebs und gigantische Waldbrände. Inselstaaten stehen vor der Überflutung, Korallenriffe, diese einzigartigen Ökosysteme, können sich angesichts der immer häufigeren Warmphasen in den Meeren nicht mehr regenerieren.
Weltuntergangspredigten zeichnen heute demzufolge keine symbolischen Szenarien mehr. Sie sind vielmehr eine Zustandsbeschreibung. Und sie sind auch keine düsteren Zukunftsvisionen, sondern beziehen sich auf die Gegenwart, in der wir leben und in der etliche Welten schon jetzt unweigerlich dem Untergang geweiht sind.
Die „zahme“ CO2-Steuer
Vor diesem Hintergrund kommt mir die Forderung nach der Einführung einer CO2-Steuer erstaunlich zahm vor. Während im späten Mittelalter Menschen bereit waren, sich von ihren größten Schätzen zu trennen, um einen bloß gefühlten Weltuntergang abzuwenden, soll heute mit einer einfachen Steuer ein real drohender Weltuntergang abgewendet werden. Es ist, als hätte man einen Finanzbeamten mit der Rettung der Welt beauftragt.
Eine CO2-Steuer ist in mehrfacher Hinsicht ungeeignet, das mit ihr intendierte Ziel zu erreichen:
- Sie ist – erstens – langfristig angelegt. Sie wirkt nicht direkt, sondern führt dazu, dass Menschen in der Zukunft Investitionen so planen, dass sie die CO2-Steuer umgehen können. Für den Klimawandel bräuchten wir aber Maßnahmen, die eine unmittelbare Wirkung entfalten.
- Zweitens ist eine CO2-Steuer unsozial. Sie würde die Mobilität und die Heizmöglichkeiten jener Menschen einschränken, die sich kein neues, emissionsarmes Auto und keine neue, klimafreundlichere Heizung leisten können.
- Drittens wäre eine CO2-Steueraber auch ineffektiv. Denn sie würde ja nicht den globalen Ausstoß von Kohlendioxid verringern, sondern im besten Fall dazu führen, dass in Deutschland eine geringere Menge des klimaschädlichen Gases emittiert wird. Was die deutsche Oma sich beim Heizen vom Munde abspart, wird dann andernorts lustvoll in die Luft geblasen.
Notwendigkeit transnationalen Handelns
Die nähere Betrachtung der CO2-Steuer zeigt: Eine wirksame Klimapolitik ist nur im globalen Maßstab zu verwirklichen. Anstatt sich auf abstrakte Prozentzahlen bei der Reduktion der Schadstoffe zu verständigen, müssten ganz konkrete und vor allem völkerrechtlich verbindliche Maßnahmen aufgelistet werden, wie diese Ziele erreicht werden sollen. An oberster Stelle müsste dabei ein sofortiger Stopp der Ölförderung – oder zumindest ein klarer Plan zu ihrer Beendigung – stehen. Denn wenn das Öl erst einmal auf dem Markt ist, wird es auch benutzt. Ob in Deutschland oder anderswo, spielt für das Klima keine Rolle.
An der Ölförderung lässt sich übrigens auch ablesen, dass über die Preispolitik nur bedingt Einfluss auf die Verwendung eines Rohstoffs genommen werden kann. Sobald nämlich die OPEC ihre Fördermenge drosselt und so die Preise in die Höhe treibt, lohnt sich das kostenintensive Fracking – also jene Form der Ölgewinnung, bei der der Rohstoff durch das Aufbrechen tieferer Bodenschichten aus dem Gestein herausgepresst wird. Da hierbei umweltschädliche Gift zum Einsatz kommen und durch den hohen Druck, der für das Lösen des Öls aus dem Gestein erforderlich ist, die Bodenschichten instabil werden (also Erdbeben ausgelöst werden können), ist diese Methode der Ölförderung etwas, das sich für verantwortungsbewusste Gesellschaften auch ohne drohende Klimakatastrophe verbietet. Faktisch wird sie jedoch speziell von den USA massiv vorangetrieben.
Die entscheidenden Maßnahmen zum Schutz des Klimas wären damit auf internationaler Ebene:
- eine Konferenz, bei der mit den Ölförderländern über Kompensationen verhandelt wird, die die internationale Gemeinschaft ihnen für den Verzicht auf die Ölförderung zahlen würde,
- ein Verzicht auf diplomatische Rücksichten vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA. Donald Trump ist eine Gefahr für den Weltfrieden und als Leugner des Klimawandels auch eine Bedrohung für die Zukunft des Planeten. Die Weltgemeinschaft muss deshalb Farbe bekennen und die Gegenkandidatin bzw. den Gegenkandidaten nach Kräften unterstützen.
Mögliche Maßnahmen auf nationaler Ebene
Erfolgsaussichten der Vorschläge für international abgestimmtes Handeln? Gering. Schon im kleinen Ecuador ist der (in der so genannten Yasuní-ITT-Initiative) angebotene Verzicht des Landes auf die Erschließung von Ölvorkommen – die auch noch im besonders klimarelevanten tropischen Regenwald lagen – an der mangelnden Bereitschaft der Weltgemeinschaft zu Kompensationszahlungen gescheitert. In Ländern, deren Volkswirtschaften noch viel stärker auf die Ölförderung fokussiert sind, dürften die Aussichten dafür also noch bescheidener sein. Und ein Engagement für die Opposition gegen den Klimawandelleugner im Weißen Haus dürfte sich auch nicht einfach gestalten, da Trump jede Kritik an ihm als Beleidigung des amerikanischen Volkes hinstellen würde. Die irrationale Welle patriotischer Gefühle, auf der er reitet, könnte dadurch sogar noch verstärkt werden.
Bleibt die nationale Ebene. Diese ist, wie gesagt, im Vergleich zu internationalen Vereinbarungen von eher bescheidener Wirkung. Ganz machtlos sind wir allerdings auch hier nicht. Nur sollten wir uns dafür nicht auf ein so unsicheres und zwiespältiges Instrument wie die Steuerpolitik verlassen. Vielmehr muss dafür in ganz konkrete Maßnahmen investiert werden. Statt klimaschädliches Verhalten mit steuerlichen Mitteln zu bestrafen, sollte klimafreundliches Verhalten gezielt gefördert werden.
So könnten etwa für einen klimaoptimierten Umbau von Häusern zinslose Darlehen vergeben werden, die sozial gestaffelt wären. Wer über keine oder nur geringe eigene finanzielle Mittel verfügt, würde das Darlehen in kostendeckender Höhe erhalten und es entsprechend der durch die Umbaumaßnahmen zu erzielenden jährlichen Einsparungen bei den Heizkosten zurückzahlen. Die Mehrwertsteuer auf Handwerkerleistungen und Materialkosten müsste dabei selbstverständlich entfallen. Die Darlehen wären zudem – anders als bei der bisherigen Förderpraxis – keine Kann-Leistung des Staates, sondern ein Anspruch, den dieser auf Verlangen der Hausbesitzenden einzulösen hätte.
Ja, ich weiß: Das alles kostet Geld, viel Geld. Aber erstens müssen wir uns die Rettung der Welt eben etwas kosten lassen. Und zweitens sind wir reicher, als es uns die Finanzminister mit ihren ewigen „Wir-müssen-den-Gürtel-enger-schnallen“-Litaneien glauben machen wollen. So waren für den Wiederaufbau der ausgebrannten Kathedrale Notre Dame de Paris urplötzlich Hunderte Millionen Euro da. Sprich: Wenn es um nationale Wahrzeichen und patriotische Emotionen geht, öffnen sich auf einmal die Schatullen der Milliardäre. Also wird man sich wohl auch zur Rettung der Welt daraus bedienen können.
Die individuelle Ebene: Klimasensibles Verhalten
Natürlich gibt es auch eine ganze Reihe von Dingen, die wir im Alltag verändern können, um das Klima positiv zu beeinflussen. Es wäre schon hilfreich, wenn jede(r) Einzelne, im Sinne eines klimasensiblen Verhaltens, sein Tun permanent im Hinblick auf schädliche Auswirkungen auf das Klima hinterfragen würde. Dazu gehört dann freilich auch eine entsprechende Aufklärung darüber, dass klimaschädliches Verhalten sich oft auch dort ereignet, wo man es nicht unbedingt erwarten würde.
So stehen die besonders aggressiven Klimagase Methan und Lachgas, die bei der Massentierhaltung freigesetzt werden, noch immer viel zu wenig im Fokus der Öffentlichkeit. Hier ließe sich sehr leicht etwas für das Klima tun, indem der Fleischkonsum eingeschränkt würde. Tierethische Gründe oder der Schutz unserer Gesundheit waren bislang keine hinreichenden Argumente, um die Schlachthöfe zu schließen. Vielleicht ist ja die Rettung des Klimas ein gewichtigeres Argument.
Klimaschädliche Wachstumsideologie
„Klimasensibles Verhalten“ – das müsste in Zukunft eine Selbstverständlichkeit sein. Das betrifft dann freilich auch diejenigen, die Produkte in Umlauf bringen, die uns zu klimaschädlichem Verhalten verführen können. Mancher vermeintliche technische Fortschritt wird sich vor diesem Hintergrund als Rückschritt erweisen, indem er uns – wie etwa im Falle des Laubpusters – ohne jede Not an energiehungrige Maschinen kettet. An dieser Stelle geht es dann allerdings ans Eingemachte. Denn eben dies – immer neue Produkte auf den Markt zu bringen, die den Konsum immer weiter ankurbeln – ist fest in der DNA unserer Wachstumsökonomie verankert.
So wird auch eher versucht, den Klimaschutz durch die Zurückdrängung des Naturschutzes umzusetzen, indem die letzten Naturrefugien mit Windkraftanlagen zugestellt werden, als von der Ideologie des „Immer mehr“ abzurücken. Klimasensibles Verhalten führt sich ohne natursensibles Verhalten jedoch ad absurdum, da dann zerstört wird, was durch den Klimaschutz doch gerade erhalten werden soll. Letztlich kommen wir deshalb nicht umhin, die Wachstumsökonomie auf den Prüfstand zu stellen, wenn wir die schon heute kaum noch abzuwendende Klimakatastrophe wenigstens noch eindämmen wollen, so gut es geht.
Eine ausführlichere Liste mit Vorschlägen zur Eindämmung klimaschädlicher Gase, die auch den Verkehr miteinschließt, findet sich in Der Bio-SUV. Energieversorgung als soziale Frage.
Bild: Mysticsartdesign: Apokalypse Venedig (pixabay)
Was Sie da an „Fakten“ zum Klima schreiben wird so dargestellt von der Presse, hat aber mit dem Klima nicht sehr viel zu tun, welches vielmehr erstaunlich stabil ist. Auch die Inseln gehen nicht unter. Die meisten wachsen sogar. Viele Dürreprobleme sind zudem hausgemacht. Und wenn dann müsste man Wasserdampf oder Methan besteuern. Und dann: auf welcher Grundlage? In den Naturwissenschaften gilt immer noch: wahr ist nur was experimentell belegbar ist. Nur aufgrund von Modellrechnungen oder Vermutungen über Korrelationen oder Kausailtäten (weder noch) etwas zu besteuern dürfte in einem Rechtsstaat nicht möglich sein.
LikeLike
Eine ganze Sammlung wichtiger Argumente. Gerade den Hinweis, dass eine Steuer bzw. auch viele andere Maßnahmen eher die arme Bevölkerung schwer treffen würde, ist ungerecht und sollte berücksichtigt werden. Gerade reiche Menschen beeinflusst das im Alltag kaum. Ich finde auch, dass alle Subventionen für klimaschädliche Wirtschaft gestrichen werden sollten. Das wäre schon eine große Hilfe.
LikeGefällt 2 Personen