Lasst die Schulen zu!

Die Gesundheit ist kostbarer als der Lehrplan

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Keep calm!

In puncto Schulschließungen wird derzeit von manchen die Linie vertreten: Die Schulen sind in der Corona-Krise als erste Einrichtungen geschlossen worden, deshalb sollten sie nun auch als erste wieder geöffnet werden. Das könnte am Ende alle bisherigen Schutzmaßnahmen gegen das Virus zunichtemachen.

Schulschließungen: Gute und schlechte Nachrichten
Corona-Logik: Jung tötet Alt
Verwahrlosung der Kinder durch Corona?
Überbrückungs-Bildung
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Schulschließungen: Gute und schlechte Nachrichten

Zu den Schulschließungen infolge der Corona-Krise gibt es ein paar gute Nachrichten und eine schlechte Nachricht.
Die guten Nachrichten lauten:
Niemand erkrankt an progressiver Gehirnerweichung, wenn er ein paar Wochen lang keine Schule von innen sieht.
Niemand mindert seine Karrierechancen, wenn er im späteren Berufsleben nicht alle Nebenflüsse des Orinoko aufzählen kann.
Niemand verlernt das Lernen, wenn er ein paar Wochen lang keine Fünf um die Ohren gehauen bekommt. Es soll sogar Fälle geben, in denen das Gegenteil eingetreten ist.
Die schlechte Nachricht lautet: Zu den BildungsministerInnen und der Kultusministerkonferenz (KMK) scheinen diese guten Nachrichten nicht vorgedrungen zu sein. Für sie gilt nicht: Safety first – sondern: Examination first! Die Zahl der Corona-Toten steigt weiter? Sehr bedauerlich! Die Abiturprüfungen gehen aber vor. Wie soll der Abiturient denn ohne diesen Initiationsritus in den Himmel kommen? Kein Paradies ohne Taufe.

Corona-Logik: Jung tötet Alt

Die furchtbare Logik des Corona-Virus lautet: Jung tötet Alt. Genau das, was den größeren sozialen Zusammenhalt in Gesellschaften wie Spanien und Italien garantiert, ist den Menschen dort jetzt zum Verhängnis geworden. Die vielfach noch intakten Großfamilien haben dazu geführt, dass junge Menschen, die von dem Virus kaum etwas gespürt haben, dieses leicht auf ihre älteren Anverwandten übertragen konnten.
Die Lehre, die wir daraus für die Schulschließungen ziehen sollten, kann nur lauten: Auf keinen Fall zu früh den regulären Unterrichtsbetrieb wieder aufnehmen! Denn das würde die Gefahr in sich bergen, dass die Kinder und Jugendlichen wie in den südeuropäischen Ländern die Infektion symptomfrei oder symptomarm durchleben, gleichzeitig aber für Lehrkräfte, Eltern und Großeltern als trojanisches Pferd für den tödlichen Angriff des Virus dienen.
Für einen allmählichen Wiedereinstieg in den Alltag ist der umgekehrte Weg sinnvoller: vorsichtiger Neubeginn des Arbeitslebens bei fortgesetzten Schulschließungen. Wenn nämlich die Eltern das Virus nach Hause bringen, ist das weitaus ungefährlicher, da die Krankheit bei jüngeren Menschen ohne Vorerkrankungen wesentlich milder verläuft.
Und was machen wir dann mit den Kindern? Sollen die etwa sich selbst überlassen bleiben? Nein, natürlich nicht. Hier sind kreative Lösungen notwendig. Eine davon lautet: Nachbarschaftshilfe. Eine andere: Abstimmung der Arbeitstätigkeiten der Elternteile aufeinander. Beispiel: Er arbeitet weiter im Homeoffice, sie fährt wieder zur Arbeit. Oder: zeitversetztes Arbeiten. Natürlich erfordert das Kompromisse und wäre mit Einschränkungen bei der Arbeitstätigkeit verbunden. Besser als ein kompletter Stillstand des Wirtschaftslebens wäre es aber allemal.

Verwahrlosung der Kinder durch Corona?

Wie gesagt: Es droht keinesfalls der Untergang des Abendlands, wenn die Kinder mal ein paar Wochen lang nicht zur Schule gehen. Ansonsten dürfte es auch keine Sommerferien geben.
Ja, die Zeit der Schulschließungen könnte am Ende die Dauer der Sommerferien übertreffen. Selbst wenn die Schulen bis Ende Juni geschlossen bleiben sollten, würden die Corona-„Ferien“ insgesamt aber nur drei Monate betragen. In Russland ist dies die übliche Unterrichtspause im Sommer. Und die Russen waren uns bekanntlich sogar mit ihren Weltraumbesuchen ein paar Jährchen voraus.
Richtig: Bei meiner Rechnung gehe ich davon aus, dass die Sommerferien in diesem Jahr ausfallen. Ferien und Urlaub sind nur dann sinnvoll, wenn wir sie als Erholung von der Arbeit und als Muße empfinden können. In der gegenwärtigen Situation wäre die beste Erholung aber: der Neubeginn des Alltags, also gerade der Wiedereinstieg in Unterricht und Arbeit.
Deshalb brauchen wir in diesem Jahr auch keine Sommerferien – erst recht keine zeitversetzten Sommerferien in den einzelnen Bundesländern. Denn diese werden ja nur für die Vermeidung von Staus und Überfüllungen an den Urlaubsorten benötigt. Wenn alle zu Hause bleiben, ist das alles nicht nötig. Dann kann die Schule einfach überall gleichzeitig wieder beginnen.

Überbrückungs-Bildung

Wie gut die einzelnen Kinder und Jugendlichen mit der schullosen Zeit zurechtkommen, dürfte stark variieren. Wo die Schulen schon in der Vergangenheit stärker auf selbsttätiges Lernen gesetzt haben, wird es den SchülerInnen in der Krise sicher leichter fallen, sich ihren Lernalltag selbst zu organisieren.
In anderen Fällen werden die Lernenden vielleicht gerade in der Krise merken, wie hilfreich die Unterstützung durch ihre Lehrkräfte ist. Der direkte Kontakt per E-Mail und Telefon kann auch motivierend wirken und dazu führen, dass das Privileg eines kostenlosen Bildungsangebots für alle stärker geschätzt wird.
Manch einer kommt dann später vielleicht motivierter zurück und gleicht mit der neuen Lust am Lernen die Defizite aus der unterrichtslosen Zeit aus. Dabei gehe ich natürlich von etwas aus, dass eigentlich selbstverständlich sein sollte: dass das ewige Taxieren und Examinieren, Testen und Vergleichen während der Corona-Krise entfällt.
Es gibt zahlreiche Wege, die Lust am Lernen in der unterrichtslosen Zeit zu befeuern. Von Online-Angeboten über so altmodische Dinge wie Bücher bis hin zu Fernsehunterricht sind hier eine Reihe von Unterstützungsmaßnahmen denkbar, die auch den so genannten „bildungsfernen“ Lernenden zugutekommen könnten. Notwendig ist dabei vor allem eins: eine klare Haltung zu den Schulschließungen, die Gesundheitsschutz und Bildungsbedürfnis in Einklang bringt. Nichts ist in der gegenwärtigen Situation schädlicher als die übliche KMK-Kakophonie.

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Bild: Francine Seco: Kind (Pixabay)

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