Die Radiofeature-Awards auf rotherbaron
Auch in diesem Jahr werden auf rotherbaron wieder die Radiofeature-Awards vergeben. Die Ausgezeichneten werden in den kommenden Tagen einzeln vorgestellt. Heute würdigen wir zunächst ein neueres Feature der letztjährigen Preisträgerin Marie von Kuck.
Auswahlkriterien für die Radiofeature-Awards
Auch in diesem Jahr wird hier wieder das Rothe Ohr verliehen, der RB-Radiofeature-Award. Die drei Ausgezeichneten werden in den kommenden Tagen in alphabetischer Reihenfolge gewürdigt.
Da die Auszeichnung in diesem Jahr erst zum zweiten Mal vergeben wird, sei hier noch einmal kurz auf die Kriterien hingewiesen, die für die Auswahl maßgeblich sind.
Die ausgewählten Features zeichnet jeweils eine besondere Verbindung von persönlichem Engagement und künstlerischer Gestaltung aus. Engagiert zu sein, bedeutet dabei stets auch: präsent sein; sich einmischen; die eigenen Recherchen reflektierend begleiten. In den Worten von Thomas Kruchem, eines der beiden letztjährigen Preisträger, geht es darum, sich „um teilnehmende und zugleich distanzierte Empathie“ zu bemühen und dabei die eigenen Vorannahmen stets „gnadenlos“ zu hinterfragen.
Verbindung von persönlichem Engagement und künstlerischer Gestaltung
Auf diese Weise erhalten die ausgezeichneten Features auch eine deutlich literarische Qualität. Genauer: Sie sind literarisch, ohne fiktiv zu sein. Der literarische Charakter rührt daher, dass die Ausstellungshalle der Fakten zwanglos mit dem Wandelgang der Reflexionen verbunden wird.
Gerade dadurch wird die Veränderbarkeit der Wirklichkeit betont: Die Fakten, von denen berichtet wird, sind überprüfbare Realität. Was wir mit diesen Fakten machen – ob wir sie achselzuckend hinnehmen oder sie hinterfragen und zu verändern suchen –, liegt jedoch in unserer Hand.
Eben hierauf bezieht sich auch der Titel dieses Feature-Awards. Das Rothe Ohr steht für die Intensität des Hörens, für das leidenschaftliche, engagierte Zuhören, als Entsprechung zu dem Engagement, das die preiswürdigen Beiträge auszeichnet.
Feature von Marie von Kuck: „Ihre Angst spielt hier keine Rolle“

Zu Beginn der Radiofeature-Tage auf rotherbaron wandert der Blick noch einmal zurück zu der zweiten Preisträgerin des vergangenen Jahres, Marie von Kuck. Die Autorin hat auch in diesem Jahr wieder ein äußerst hörenswertes Feature herausgebracht. Es trägt den bezeichnenden Titel „Ihre Angst spielt hier keine Rolle“ und beschäftigt sich mit der Aushebelung des Schutzes von Frauen vor häuslicher Gewalt durch Familiengerichte.
In Zeiten von MeToo und der lateinamerikanischen Ni-una-menos-Bewegung gegen Frauenmorde sollte der Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt in Deutschland eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
In der Tat bietet das deutsche Gewaltschutzrecht auch einige Möglichkeiten für einen wirksamen Schutz betroffener Frauen. So sind etwa die Hürden für das Erwirken eines Kontaktverbots oder die Vermittlung eines vorübergehenden Aufenthalts in einem Frauenhaus relativ niedrig angesetzt.
Mangelhafte Umsetzung des Gewaltschutzrechts
Problematisch wird es allerdings bei der praktischen Umsetzung der gesetzlichen Regelungen. Dies beginnt schon bei der polizeilichen Anzeige, bei der die Frauen leicht in die Situation einer Beweislastumkehr geraten können. Sie sind es, die die gewalttätigen Übergriffe nachweisen müssen; sie sind es, die sich den traumatischen Erfahrungen immer wieder stellen müssen; sie sind es, die sich Fragen nach einer möglichen Mitschuld an der Eskalation der Gewalt gefallen lassen müssen.
Noch schwieriger wird es, wenn Kinder im Spiel sind. Dies kann – wie das Feature von Marie von Kuck eindrucksvoll vor Augen führt – zu einer völligen Aushebelung des Gewaltschutzrechts durch das Sorgerecht führen.
Das Feature beleuchtet dabei auch die unrühmliche Rolle, welche die Väterrechtsbewegung in dem Zusammenhang spielt. Gemäß dem von ihr vertretenen biologistischen Sorgerechtskonzept ist der Kontakt der Kinder zu ihren Vätern selbst nach extremen Gewalterfahrungen in der Familie unerlässlich – wenn sie also beispielsweise eine Vergewaltigung oder andere gewalttätige Übergriffe auf ihre Mütter mitansehen mussten.
Aushebelung von Opferschutz und Kindeswohl durch das Sorgerecht
Diese Auffassung hat in letzter Zeit auch in die Entscheidungspraxis von Familiengerichten und Jugendämtern Eingang gefunden. Die Folge ist nicht nur eine Aushebelung des Opferschutzes, da gewalttätige Männer so durch die Hintertür wieder Zugang zu den Frauen erhalten. Im Extremfall kommt es sogar zu einer Opfer-Täter-Umkehr.
Dies kann dann passieren, wenn Frauen sich gegen die Umgangsrechte der Väter wehren – auch im Interesse ihrer Kinder, die sich vor den gewalttätigen Vätern fürchten. Das Feature berichtet von Fällen, in denen den betroffenen Frauen in solchen Fällen selbst Kindeswohlgefährdung vorgeworfen und das Sorgerecht entzogen wurde.
Die Verzweiflung der Frauen zu spüren, geht unter die Haut. Man kann nur hoffen, dass das Feature von möglichst vielen Entscheidungsträgerinnen gehört wird.
Die Praxis, den Umgang gewalttätiger Väter mit ihren Kindern aus einem anachronistischen Rollenverständnis heraus gegen den Willen von Mutter und Kindern zu erzwingen, verhindert nicht nur einen wirksamen Opferschutz für misshandelte Frauen. Sie entspricht auch einer Pervertierung des Kindeswohlgedankens.
Marie von Kuck: „Ihre Angst spielt hier keine Rolle“ – Wie Familiengerichte den Gewaltschutz von Frauen aushebeln; Deutschlandfunk/SWR/WDR 2022; Erstausstrahlung: Deutschlandfunk, 15. März 2022
Regie: Beatrix Ackers
Sprecherinnen und Sprecher: Marie von Kuck, Sigrid Burkholder, Moritz Heidelbach
Ton und Technik: Thomas Widdig und Michael Morawietz
Redaktion: Wolfgang Schiller
Zitat von Thomas Kruchem entnommen aus: SWR: Über Thomas Kruchem; Stand 17. September 2021.